Nachrichten

#Wie der Faktor Mensch das Impfen gegen das Coronavirus verlangsamt

Wie der Faktor Mensch das Impfen gegen das Coronavirus verlangsamt

Das Impfzentrum von Hösbach hat ein Zimmer, in dem die Geimpften warten, ob sie Nebenwirkungen spüren. Fünfzehn bis dreißig Minuten dauert das. An die Wand hat der Ärztliche Leiter, Rudolf Soeder, eine alte Pendeluhr im Jugendstil gehängt, damit alle wissen, wie spät es ist, und damit ein bisschen das Gefühl von Wohnzimmer aufkommt.

Justus Bender

Justus Bender

Redakteur in der Politik der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung.

Es ist keine leise Uhr, das Pendel schwingt. Tick, tock. Tick, tock. Manche in Hösbach haben schon Bedenken, ob die Dame, die im Wartezimmer Dienst tut, das auf Dauer aushält. Zur vollen Stunde schlägt ein Gong.

Die Zeit ist alles, um das es in Deutschland gerade geht, die Lebenszeit der Infizierten, die Wartezeit der Nichtgeimpften, die Dauer des Lockdowns. Alle neunzig Sekunden stirbt ein Mensch mit Corona. Bei jedem Gongschlag in Hösbach sind wieder vierzig tot. Um in diesem Jahr eine Herdenimmunität zu erreichen, müssten rund sechzig Millionen Deutsche geimpft werden, also jede Sekunde zwei. „Der Druck ist sehr hoch“, sagt die Dienststellenleiterin der Malteser, Anja Brückner.

Doch das Wartezimmer in Hösbach ist am Dienstagabend leer. Es gibt keinen Impfstoff mehr, die nächste Fuhre kommt zum Wochenende. Gäbe es welchen, könnten hier 300 Leute pro Tag geimpft werden, zwischen 8 und 18 Uhr, also ein Mensch alle zwei Minuten. Von der Dezember-Lieferung über 1,3 Millionen Dosen wurden bundesweit bis Freitag 476.000 verabreicht. Bis zu 650.000 könnten es sein, die andere Hälfte wird für die zweite Dosis aufbewahrt. Die Lieferprobleme erklären also nicht alles. Es geht zu langsam. Warum?

Ältere Menschen brauchen eben

Noch mal raus aus dem Impfzentrum in Hösbach, die Stoppuhr angemacht, und wieder rein, zum Probelauf. In einer Viertelstunde soll ein Impfling durch sein. Brückner führt zur ersten Station: die Begrüßung. Das ist ein Bistrotisch im Eingangsflur, an dem wird Fieber an der Stirn gemessen, fünf Sekunden, 36,5 Grad. Weiter. Personalausweis rausholen, den Namen mit der Patientenliste abgleichen, zwanzig Sekunden. Fragen, welche Unterlagen man braucht: zwanzig Sekunden. Dann: Hände desinfizieren, fünf Sekunden, und weiter zur Anmeldung laufen, zehn Sekunden. Eine Minute ist schon vergangen. Momentan laufen hier vor allem ältere Menschen, und die brauchen eben.

Die Dienststellenleiterin der Malteser, Anja Brückner, im Impfzentrum von Hösbach


Die Dienststellenleiterin der Malteser, Anja Brückner, im Impfzentrum von Hösbach
:


Bild: Lucas Bäuml

Bei der Anmeldung bekommen alle ein desinfiziertes Klemmbrett mit Kugelschreiber und drei Zetteln. Man kann in Deutschland nicht Leuten eine Substanz in den Arm spritzen, ohne ihr Einverständnis, ihren Gesundheitszustand und ihre Aufklärung zu dokumentieren. Schon bei der Anmeldung wird der Termin für die zweite Impfung ausgemacht, auch das muss sein, 17 bis 21 Tage nach der ersten. Passt der Donnerstag? Oder doch der Freitag? Drei Minuten sind vergangen.

Trotzdem tickt die Wanduhr

Im nächsten Zimmer stehen Bistrotische, dort sollen die älteren Herrschaften die Zettel ausfüllen. Also: Gehstock an die Wand lehnen, Lesebrille aus der Tasche fummeln, Merkblatt durchlesen, Kugelschreiber drücken, Krankengeschichte ankreuzen. „Leiden Sie an einer Blutgerinnungsstörung?“, „Leiden Sie unter chronischen Erkrankungen oder Immunschwäche?“. Wer wollte jemanden hier hetzen? Trotzdem tickt die Wanduhr. Die nächste Station ist die Datenaufnahme.

Freundliche Mitarbeiter sitzen hinter Plexiglasscheiben und tippen die Daten in den Computer ein. Sagt der Mitarbeiter etwas zu dem Impfling, muss der Ton durch seine Maske, durch den ohnehin lauten Raum, durch die Plexiglasscheibe, in das Ohr der älteren Herrschaften, es gibt Missverständnisse. Also wird manches Wort zweimal gesagt. Sechs Minuten sind verstrichen, im besten Fall. Weiter ins Wartezimmer.

Wenn Ihnen der Artikel gefallen hat, vergessen Sie nicht, ihn mit Ihren Freunden zu teilen. Folgen Sie uns auch in Google News, klicken Sie auf den Stern und wählen Sie uns aus Ihren Favoriten aus.

Wenn Sie an Foren interessiert sind, können Sie Forum.BuradaBiliyorum.Com besuchen.

Wenn Sie weitere Nachrichten lesen möchten, können Sie unsere Nachrichten kategorie besuchen.

Quelle

Ähnliche Artikel

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Schaltfläche "Zurück zum Anfang"
Schließen

Please allow ads on our site

Please consider supporting us by disabling your ad blocker!