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#Wie in Köln der Kampf gegen Pädokriminelle weitergeht

Wie in Köln der Kampf gegen Pädokriminelle weitergeht

Micheal Esser stockt die Stimme, als er am Mittwoch über das Schicksal der 65 Kinder und Jugendlichen spricht, die dank der Arbeit der Besonderen Aufbauorganisation (BAO) Berg im Kölner Polizeipräsidium und der Zentral- und Ansprechstelle Cybercrime (ZAC) der Kölner Staatsanwaltschaft seit Ende 2019 aus den Fängen ihrer pädokriminellen Peiniger befreit werden konnten. Die Ermittler hätten „enormes Leid“ gesehen, sagt der Kriminaldirektor in der Pressekon­ferenz zur BAO-Abschlussbilanz. Manchmal sei die Situation surreal gewesen, etwa wenn Kinder nach der Trennung von Tätern weinten. Ein Mädchen aus Aachen klammerte sich während einer Anhörung verzweifelt an ein Stofftier, das sein Onkel ihm geschenkt hatte. „Die Tragik nahm uns alle mit“, heißt es im Bericht des Aachener Einsatzleiters, den Esser vorliest. Just dieser Onkel hatte das Kind gequält und verge­waltigt. „Selbst die erfahrensten Ermittler waren über die Schwere des Missbrauchs erschüttert.“

Der Fall Berg zählt zu den größten Missbrauchskomplexen in Deutschland, und er zieht auch international Kreise: 439 Tatverdächtige konnten identifiziert werden, 27 Festnahmen gab es, 13 davon in Nordrhein-Westfalen; sieben Verfahren wurden nach Österreich, Frankreich, Finnland, Schweden, in die Schweiz und die Niederlande abgegeben. Ins Rollen gekommen war der Fall Ende 2019 durch die Festnahme von Jörg L. in Bergisch Gladbach. L. hatte seine kleine Tochter über viele Monate hinweg schwer sexuell gequält und vergewaltigt und Aufnahmen davon in Internetchats mit anderen Tätern geteilt. Durch die Auswertung elektronischer Datenträger und zahlloser Chat-Verläufe kamen Polizei und Staatsanwaltschaft rasch immer weiteren Tatverdächtigen auf die Spur.

Mehr als 4700 Datenträger sichergestellt

So enorme Dimensionen nahm die Sache schon früh an, dass sich der Kölner Polizeipräsident Uwe Jacob zu einem ungewöhnlichen Schritt entschied, um identifizierte Opfer möglichst rasch aus akuten Missbrauchssituationen zu befreien: Er richtete einen Ständigen Stab ein. Das Instrument wird sonst nur bei Großereignissen wie Geiselnahmen und Terrorlagen genutzt. Zwei aus Köln koordinierte Einsätze in ganz Deutschland mit jeweils mehr als 60 zeitgleich organisierten Wohnungsdurchsuchungen gab es.

Regelmäßig brachten Kurierfahrer über Nacht Beweismittel an Staats­anwaltschaften in anderen Bundesländern. In fünf Fällen setzten die Kölner Ermittler dafür sogar Polizeihubschrauber ein, um keine Minute länger als nötig zu verlieren. Zeit­weise waren mehr als 340 Polizei­beamte aus ganz Nordrhein-West­falen in der BAO Berg eingesetzt. Im Schneeballverfahren kamen immer neue Ermittlungsansätze und Beweismittel zusammen: Mehr als 4700 Datenträger wie Mobiltelefone, Computer, Festplatten oder USB-Sticks wurden sichergestellt.

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„Ohne die BAO-Struktur hätten wir die Aufgabe nicht stemmen können“, sagt Polizeipräsident Jacob. Auch Kriminaldirektor Esser ist sich sicher: Die BAO Berg hat neue Maßstäbe im Kampf gegen Kindesmissbrauch gesetzt. Gleichwohl sind sich beide sicher, dass es nun an der Zeit ist, die BAO aufzulösen. Bei den verbliebenen Fällen handele es sich nicht um akuten Missbrauch von Kindern, sondern „nur“ um den Besitz von kinderpornografischem Material. Sie werden nun von einer Ermittlungskommission bearbeitet.

Zudem gibt es in Köln ein zusätzliches Kommissariat. Und die mit Beginn des Falls Berg bei der ZAC eingerichtete staatsanwaltschaftliche Kindesmissbrauchs-Taskforce ist schon seit Oktober kein Pilotprojekt mehr, sondern eine Dauereinrichtung. „Die Taten von Pädokriminellen haben ein digitales Umfeld“, sagt ZAC-Leiter Marcus Hartmann. „Unsere Arbeit endet nicht mit der BAO, sie ist ein wichtiges Kapitel im Kampf gegen Kindesmissbrauch, aber eben nur ein Kapitel.“

Polizeipräsident Jacob sagt, die Fälle Lügde, Münster und eben Bergisch Gladbach hätten einer breiten Öffentlichkeit vor Augen geführt, dass sexueller Missbrauch nicht irgendwo auf der Welt, sondern „mitten unter uns“ und fortwährend stattfinde. Er sei sehr erfreut über die im Fall Berg bisher gesprochenen 13 Gerichtsurteile mit insgesamt mehr als 80 Jahren Freiheitsstrafe – Jörg L. bekam zwölf Jahre Haft mit anschließender Sicherungswahrung. Sodann aber stellt Jacob ernüchtert fest: „Ich glaube nicht, dass wir erhebliche Abschreckung erreicht haben.“

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