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#Wieso der japanische Ministerpräsident nach Kiew reist

„Wieso der japanische Ministerpräsident nach Kiew reist“

Der japanische Ministerpräsident Fumio Kishida ist zu einem Treffen mit dem ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj in Kiew eingetroffen. Der japanische Fernsehsender NHK zeigte Bilder, wie Kishida in der ukrainischen Hauptstadt aus dem Zug stieg. Mit dem zuvor unangekündigten Besuch signalisiert Kishida die Unterstützung des asiatischen Landes, das wie die Ukraine Russland als Nachbarn hat, für die Verteidigung gegen den russischen Angriff und gegen die russische Besetzung von Teilen der Ostukraine. Kishida kam auch als Repräsentant der Siebenergruppe (G7), der Japan derzeit vorsteht.

Patrick Welter

Korrespondent für Wirtschaft und Politik in Japan mit Sitz in Tokio.

Es ist das erste Mal seit Ende des Zweiten Weltkriegs, dass ein japanischer Ministerpräsident in ein Land reist, das sich im Krieg befindet. Kishida war über Nacht aus Indien angereist, wo er am Montag mit Ministerpräsident Narendra Modi, dem derzeitigen Vorsitz der G-20-Gruppe großer Industrie- und Schwellenländer, konferiert hatte. Aus Sicherheitsgründen flog Kishida mit einem Charter-Flugzeug und nur einer kleinen Entourage in der Nacht zum Dienstag von Indien nach Polen, wo er in einen Zug nach Kiew umstieg.

Japan hat die Ukraine seit dem russischen Überfall unterstützt, liefert aber eingedenk seiner pazifistischen Verfassung keine tödlichen Waffen in Kriegsgebiete. Die Ukraine erhielt aber schon Helme und Schutzwesten. Auch bietet Japan Hilfe für den Wiederaufbau und Minenräumgeräte an. Das fernöstliche Land hat für die Hilfe nach Schätzungen bislang rund 1,5 Milliarden Dollar aufgewandt. Kishida hatte vor Kurzem weitere Hilfe in Höhe von 5,5 Milliarden Dollar zugesagt. Die Stärke des japanischen Engagements zeigt sich aber vor allem darin, dass das üblicherweise für Flüchtlinge sehr verschlossene Land schon rund 2300 Menschen aus der Ukraine aufgenommen hat und sie beim Sprachunterricht und bei der Stellensuche unterstützt.

„Ost-Asien kann die nächste Ukraine werden“

Kishida ist der letzte der Staats- und Regierungschef der Siebenergruppe, der die Ukraine besucht und sich mit Selenskyj trifft. Weil Japan in diesem Jahr den Vorsitz der G7 innehat, war das in Tokio auf besondere Kritik gestoßen. Dem Vernehmen nach wollte Kishida schon früher reisen, doch der ministeriale Apparat sah zu große Sicherheitsrisiken. Spätestens nach dem Besuch des amerikanischen Präsidenten Joe Biden in Kiew aber musste auch Japan sich bewegen. Wenige Wochen vor dem Gipfeltreffen der G7 in Hiroshima im Mai korrigiert Kishida mit dem Blitzbesuch die diplomatische Scharte.

Als einziges asiatisches Land in der Siebenergruppe positionierte Japan sich nach dem russischen Angriff auf die Ukraine ungewöhnlich klar auf der Seite des Westens. „Ost-Asien kann die nächste Ukraine werden“, warnt Kishida schon seit langem. Ohne China beim Namen zu nennen, hat Kishida dabei Taiwan im Sinn, aber auch die japanischen Senkaku-Inseln, die China unter dem Namen Diaoyu beansprucht.

Japan folgt als Reaktion auf den Krieg weitgehend den internationalen und westlichen Sanktionen gegen Russland. Nach der Annektierung der Krim durch Russland 2014 war das noch anders. Damals hielt Japan sich mit Sanktionen zurück, weil der damalige Ministerpräsident Shinzo Abe noch auf eine Verständigung mit Putin über einen Friedensvertrag und eine Lösung im Territorialstreit um die südlichen Kurilen hoffte. Diese Hoffnung hat sich mittlerweile zerschlagen. Kishida will auf dem G-7-Gipfeltreffen in Hiroshima ein klares Signal gegen Atomwaffen setzen und hat Russland nicht nur für den Überfall auf die Ukraine, sondern auch für die Drohung mit dem Einsatz von Atomwaffen kritisiert.

Sachalin I und II: Japan kauft weiter russisches Gas

In Sachen Energie aber folgt Japan der westlichen Linie, Russland wirtschaftlich abzuschneiden, nicht. Die Regierung hat mittelfristig das Ziel gesetzt, auf die Kohleeinfuhr aus Russland zu verzichten. Am Import von russischem Gas aber hält das rohstoffarme Land fest. Japan bezieht rund 9 Prozent seiner Flüssiggaseinfuhr aus der Förderung Sachalin II, die einst mit japanischem Know-how und Kapital vor und auf der russischen Insel exploriert und aufgebaut wurde. Japanische Handelshäuser sind in enger Abstimmung mit Tokio auch an der Öl- und Gasförderung Sachalin I beteiligt.

Während die westlichen Unternehmen Exxon und Shell sich nach dem Angriff Russlands auf die Ukraine aus den beiden Projekten zurückzogen, hielt Japan die Stellung auch dann noch, als Putin Sachalin I und II verstaatlichte und die bisherigen Anteilseigner sich bewerben mussten, um ihre Kapitalinteressen zu sichern. Die japanischen Handelshäuser folgten dem Wunsch Tokios, sich weiter an Sachalin I und II zu beteiligen.

An Sachalin I ist auch die japanische Öl- und Gasentwicklungsgesellschaft Sodeco beteiligt, deren Anteile zur Hälfte vom japanischen Staat getragen werden. Auch Sodeco fügte sich dem Willen Putins und bewarb sich abermals um seine Beteiligung an der Öl- und Gasförderung. Die anderen G7-Staaten tragen Japans Sonderweg mit Blick auf russische Energie mit. Tokio begründet das Festhalten an Sachalin I und II damit, dass verhindert werden müsse, dass etwa China in die Energieförderung auf Sachalin einsteige.

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