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#Wissenschaftliches Rechnen – viel Raum für nachhaltige Wissenschaftspolitik – rupture de caténaire

Wissenschaftliches Rechnen – viel Raum für nachhaltige Wissenschaftspolitik – rupture de caténaire

In diesen Tagen machte ich eine Tour durch unser neues Biozentrum. Eigentlich wollte ich einen neuen Kollegen einarbeiten, aber technische Schwierigkeiten ließen uns viel Zeit und wir hatten noch Botengänge zu erledigen, die uns halfen nicht hinter dem Bildschirm einzurosten. Unser Weg führte uns in zeitweise zweckentfremdete Laborräume. Ich traute meinen Augen nicht:

Dieses Setup stammt von der Gruppe mit der Doktorandin, die zu “schüchtern” war bei Unkenntnis zu fragen (als Verantwortliche für das HPC-Projekt ihrer Gruppe schaffte sie es nicht einen Job abzuschicken, hat es aber auch nie mehr als genau einmal versucht und nie gefragt wie es geht oder einen Kurs besucht), weshalb diese glänzende Alubox hinten links angeschafft wurde. Kosten sind nicht bekannt, aber bei Einführung dieses Gerätes hat so eine Kiste – designt für Anwendungen der künstlichen Intelligenz – mal ungefähr zweihunderttausend Dollar gekostet. Datenmanagement macht man mit irgendeiner NAS-Box, relativ klein. Hinzu ein paar weitere Rechner aus der für-mich-privat-zu-teuer-Liga. Und ein Minisequenziergerät. Die Pointe? Für all diese Geräte gibt es auf dem Campus bereits verfügbare Alternativenprofessionell betrieben und man hätte auch föderale Alternativen. Ach, und zum Zeitpunkt waren die Rechner dort nicht gerade stark beschäftigt.

Noch nicht abstrus genug? Ich lenkte den Blick auf die andere Seite des Labors:

Dieser Rechner konnte nicht mehr gewartet werden, er ist “Altmetall“. Die Gruppe wollte ihn wiederhaben und betreibt ihn in Eigenregie. Zu beachten: Das Netzteil ist verbunden, es gibt ein aus gestöpseltes VGA-Kabel, es besteht keine Netzwerkverbindung. Zum Rechnen, des unbeschäftigten Servers, muss man Bildschirm, Tastatur und Maus verbinden (eingesteckt bei einem anderen Rechner, nicht im Bild) und kann dann loslegen.

Wer jetzt meint, das ist bestimmt die Spitze des Eisbergs, hat weit gefehlt. Leider habe ich nicht die Geistesgegenwart besessen eine gute Kamera einzustecken. Eine 100%ige Übersicht allein über die Rechnerressourcen des Biozentrums habe ich ohnehin nicht. Über zwei weitere kaum gefüllte Rechnerschränke, ungekühlt und kaum genutzt, habe ich stolpern dürfen.

Damit auf dem Campus nicht plan- und kenntnislos Rechner installiert werden, hat die Universität die Anschaffung nach Gutdünken untersagt und vor den Kauf größeren Equipments (nicht nur im IT-Bereich) eine Beratung gestellt. Diese Beratung erfolgt manchmal, manchmal wird sie vermieden. Wenn sie aber erfolgt, so ist eine Person in Teilzeit dafür verantwortlich. Dementsprechend erfolgt die Beratung: Häufig haben wenig IT-affine Forscherinnen und Forscher eine Frage, z. B. wie Geld am besten auszugeben ist. Irgendwann kommt dann eine technische Antwort, mit der die Fragesteller mehr oder weniger viel anstellen können und dann doch kaufen. Weil sie nicht verstehen, wie der Kauf vermieden werden könnte. Weil sie die Nutzung allgemeiner Ressourcen zu umständlich finden. Kurz, weil es bequemer ist und man die Kohle hat.

Und so werden abertausende Euros ausgegeben, für Rechner, die keiner braucht: Hier mal 55 k€ für eine fetten, für den Kunden gefertigten Server, den es von der Stange für weniger als die Hälfte gäbe und der für die meisten Aufgaben überdimensioniert ist. Da mal 17k€ für einen Extra-DHCP-Server (kein Scherz!), damit man den eigenen Ressourcen eigene IP-Adressen geben kann (wahrscheinlich, weil die der Universität bäh sind). Die meiste Zeit über ihre Transistordäumchen drehen. Denn, was machen wir Forscher nachts? Meistens nicht arbeiten. So ein Cluster (egal ob Cloud oder HPC-Batch-System) ist dafür ausgelegt rund um die Uhr zu arbeiten und so die Ressourcen optimal zu nutzen. Solch große Systeme werden auch aktiv gekühlt, damit sie effizient sind. Aber solche Kleinigkeiten sind uninteressant, oder?

Vor einiger Zeit hieß uns unser Präsidium einen alten Feld-Wald-und-Wiesen-Cluster, auf dem alle Forschungsgruppen mit formlosem Zugang rechen konnten, abschalten. Grund: Die Stromkosten. Im Grunde ist das verständlich, die Stromkosten für eine Universität können in die Millionen Euro gehen – Jahr für Jahr – und der Betrieb eines großen Rechenzentrums macht schlicht einen großen Teil davon aus. Außerdem ist Klimawandel. Andererseits laufen tausende PCs 24/7 dreihundertfünfundsechzig Tage im Jahr, was man ohne Weiteres ändern könnte. Und natürlich die Extraserver, deren Zweck es ist unabhängig zu sein und die ebenfalls Kilowatt um Kilowatt dazu beitragen, dass unser Planet kuscheliger wird und die Energiewende noch schwerer wird. Wohlgemerkt: In einem “Fachbereich Biologie” ist das besonders pikant, andere Fachbereiche sind da aber nicht besser und Mainz stellt republikweit keine Ausnahme dar.

Was fehlt sind in meinen Augen Stellen, die wirklich guten Service machen können. Denn offenbar ist es den Ländern und Universitäten nach wie vor wichtiger, Stellen im Mittelbau kurzzuhalten und dafür Geld in Strom und Ausrüstung zu pumpen. Sonst gäbe es ja bessere Beratung bzw. die Stellen dafür. Und jetzt erinnert euch, dass ich vor ein paar Woche Stellenausschreibungen gepostet habe. Während ein privat finanziertes Institut eine Bioinformatik-“Core Facility” mit 10 Leuten unterhält, gibt es jetzt – als befristete Extrastellen – 2 Leute für den staatlich finanzierten Fachbereich, quasi als Nukleus einer Core Facility. Immerhin ein Anfang.

Ein Anfang in einem Feld, dass immer noch an Webtools hängt und wo viele Gruppen lieber Geld in das eigene SPR-Gerät, das eigene Mikroskop, den eigenen Rechner stecken, statt diese von Corefacilities fachkundig betreiben zu lassen, damit so etwas nicht mehr vorkommt.

 

 

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