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#Schule und Unis: Ein neues Fundament für die Geschichtsvermittlung

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Die sinkende Zahl der Geschichtsstudenten ist kein Grund zum Alarmismus. Doch auf die Anpassungskrisen der Gegenwart muss das Fach reagieren. Ein Gastbeitrag.

Ist es wieder einmal Zeit, Alarm zu schlagen? Die Zahl der Geschichtsstudenten geht zurück, die Lehrkapazitäten historischer Institute werden auf den Prüfstand gestellt, vor allem Dozentenstellen in den Teildisziplinen sind gefährdet, die sich mit älteren Epochen beschäftigen. Gleichzeitig leidet der Geschichtsunterricht an einem alarmierenden Rückgang der Kompetenzen beim Text- und Leseverständnis. Wer beim Quellenfach Geschichte lernen will, braucht ein Mindestmaß an Lese- und Schreibkompetenz, welches für das mittlerweile oft als „schwer“ empfundene Fach Geschichte zur Hürde wird. Wer schon bei der Lektüre einfacher Texte Probleme hat, wird an einem Text aus dem zehnten oder neunzehnten Jahrhundert erst recht scheitern.

Aus dem nahen wie fernen Ausland, aus den Vereinigten Staaten oder der Schweiz, kommen erheblich dramatischere Krisenberichte. Dort gefährden Eingriffe der Bildungs- und Wissenschaftspolitik in Schul- und Hochschulcurricula das Fach Geschichte, rechtspopulistische Angriffe auf die akademische Fachkultur verschärfen die Strukturkrise noch.

Davon ist die Bundesrepublik zum Glück noch entfernt. Anders als in der Schweiz geben die bloßen Zahlen keinen Grund zu kulturkritischem Alarmismus. Die Zahl der Geschichtsstudenten nimmt zwar ab, laut amtlicher Statistik von 5361 Studienanfängern im Wintersemester 2010/11 auf 4036 im Wintersemester 2022/23. Dieser Rückstand entspricht aber dem Rückgang der Abiturientenzahlen. Nach wie vor wählen zwischen 1,3 und 1,5 Prozent eines Abiturientenjahrgangs das Studienfach Geschichte.

Produktiver als Spekulationen über nachlassendes Interesse ist es, sich die qualitativen Veränderungen anzuschauen, mit denen die Vermittlung von Geschichtskenntnissen heute an Schulen und Universitäten zu kämpfen hat. Besorgniserregend sind die hohen Abbrecherquoten und die wachsenden Defizite, mit denen Studienanfänger zu kämpfen haben, weil ihnen elementare Kompetenzen fehlen. Die schon erwähnten Schwächen beim Lese- und Textverständnis haben zugenommen bis zu dem Punkt, dass es ohne zusätzliche Lehrangebote für einen wachsenden Teil der Studenten nicht mehr gelingen kann, die Grundlagen der historisch-kritischen Methode im Bachelorstudium zu vermitteln.

Neugierde auf die Geschichte

Gleichzeitig haben die Elementarkenntnisse im Fach Geschichte erheblich abgenommen. Der Wissensstand der Studienanfänger schwankt enorm. In manchen Ländern besitzt der Geschichtsunterricht einen gewissen Bestandsschutz und eine ausreichende Stundentafel, in anderen steht er stark unter Druck und wird durch „Verbundmodelle“ oder „Integrationsfächer“ zu einem Zufallsprodukt. Wenn Lehrkräfte in Personalunion Geschichte, Sozialkunde und Erdkunde vertreten sollen, muss dies zu starken Qualitätseinbußen führen.

Den Defiziten bei der professionellen Vermittlung von Geschichtskenntnissen steht eine anhaltende „undisziplinierte“ Neugierde in unserer Gesellschaft an Geschichte gegenüber: Geschichtsmessen, Mittelaltermärkte, Reenactment-Events, historische Romane mögen als Beispiele reichen. Aber auch historische Fachbücher in den Bestsellerlisten sprechen für ein anhaltendes gesellschaftliches Interesse an Geschichte, von Talkshows und „Sonntagsreden“ der politischen Zunft ganz zu schweigen. Letztere betonen auffällig oft den Wert historischer Bildung und bedienen sich ihrer zur Legitimation eigener Ansichten.

Mehr denn je verteidigen auch Regierungen und demokratisch gesonnene Parteien im Land die hohen Standards unserer Geschichtskultur. Gedenkstätten, historische Museen und Ausstellungen werden öffentlich gefördert, vor allem die Zeitgeschichte ist in die unterschiedlichen Programme der Erforschung und Bekämpfung von Antisemitismus, Xenophobie und Rassismus sehr gut eingebunden. Es wird aber höchste Zeit, dass auch die Schul- und Bildungspolitiker wach werden und gegen die Auszehrung der schulischen Voraussetzungen unserer demokratischen Geschichtskultur vorgehen.

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