#60 Minuten quälender Stellungskrieg
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„60 Minuten quälender Stellungskrieg“
Politische Beobachter interessierte an dem Duell zwischen dem Grünen und der CDU-Politikerin nur eine Frage: Würde es SWR-Chefredakteur Fritz Frey gelingen, den an Kontroversen armen Corona-Wahlkampf zu beleben und mit dem grünen Ministerpräsidenten jenseits von Schulöffnungen und Mutanten auch über Zukunftsentwürfe und die Herausforderungen der nächsten Jahre zu diskutieren?
Dann ging es von 20:15 bis 20:50 Uhr doch nur um die Pandemie-Politik, also genau das, was jeden Abend seit einem Jahr in den Talk-Sendungen diskutiert wird. Öffnen, Inzidenzen, Mutanten, R-Wert. Immerhin gelang es der Herausforderin Susanne Eisenmann, die sich lachend und fröhlich wie selten präsentierte, herauszuarbeiten, dass sie an Test- und Öffnungsstrategie schon seit Ende Januar arbeitet. Der grüne Teil der Landesregierung hatte sich dagegen erst in der vergangenen Woche überraschend und offenbar unter dem Druck des Wahlkampfes von seiner vorsichtigen Haltung in der Pandemie-Politik entfernt. Kretschmann und Eisenmann stritten darüber, welche Strukturen für die erfolgreiche Umsetzung einer Schnell-Test-Strategie eigentlich geschaffen werden müssen.
Überzeugende Antworten gaben in dieser Frage letztlich beide nicht: Kretschmann sagte, die Schnelltests müssten erst einmal da sein, um das Testen und Öffnen organisieren zu können. Und Eisenmann erklärte, die Schulen könnten die Tests nicht allein machen. Im Land ist bekannt, dass der grüne Oberbürgermeister Boris Palmer und die CDU-Kreisrätin und Notärztin Lisa Federle seit Spätherbst für intensives Testen werben. Insofern warfen beide die Frage auf, warum das Land auf das Öffnen und Testen schlecht vorbereitet ist.
Kretschmann kontert Eisenmanns Kritik
Kretschmann und Eisenmann nahmen den Zuschauern im Duell auch die Hoffnung, dass der Streit über das Öffnen und die Pandemiepolitik bis zum Wahltermin beigelegt sein könnte, denn Kretschmann erklärte zur Frage weiterer Schulöffnungen in der nächsten Woche: „Ich bin im Prinzip nicht weit weg von Ihnen, dass das nächste Woche schon geht, sehe ich nicht.“ Und die CDU-Spitzenkandidatin wiederholte ihre Forderung, in der kommenden Woche auch in den weiterführenden Schulen Wechselunterricht anzubieten.
Erwartungsgemäß angriffslustig präsentierte sich Eisenmann im Kapitel Wirtschaft und Zukunft, mit dem der Moderator kurz vor 21 Uhr dann endlich begann, sie warf Kretschmann vor, bei der Transformation der Automobilindustrie zu wenig bewegt zu haben: „Die Politik der ruhigen Hand ist sinnvoll, aber die Hand sollte dabei nicht einschlafen. 500.000 Arbeitsplätze können nicht weg.“ Dieser Angriff verfing aber höchstens zur Hälfte, denn Kretschmann konnte als Ergebnis seines „Strategiedialogs Automobil“ doch eine Reihe von Projekten (vom E-Ladenetz bis zum Versuchsfeld für das autonome Fahren) anführen, die das Ergebnis seiner Politik sind. Das seien nur „Projekte“, sagte Eisenmann, aber viel mehr kann eine Landesregierung zur Transformation der Automobilindustrie ja gar nicht beisteuern.
CDU in Umfragen deutlich zurück
Einen Punkt machte die CDU-Spitzenkandidatin allerdings, indem sie an das Versagen der Landesregierung bei der Ansiedlung des kalifornischen Autoproduzenten Tesla erinnerte. Der baut mittlerweile in Brandenburg, das als Standort der Automobilindustrie nicht aufgefallen ist. Eisenmann vermeidet es im Wahlkampf, Kretschmann persönlich anzugreifen, kürzlich bekannte sie sogar: „Ich mag ihn“.
Doch im Duell erinnerte sie beim Thema Impfreihenfolge ziemlich durchschaubar an sein Alter. Mit dem Hinweis, beim Thema naturverträglichere und ökologische Landwirtschaft bereite Kretschmann wohl mal wieder einen „runden Tisch“ vor, versuchte sie, den grünen, seit zehn Jahren regierenden Ministerpräsidenten als handlungsschwach vorzuführen. Allerdings sprach Eisenmann mit keiner Silbe davon, was sie als Ministerpräsidentin anders und besser machen würde. Vermutlich wollte sie den Irrealis vermeiden, denn die CDU ist im Moment mit 27 Prozent weit davon entfernt, stärkste Partei zu werden. Vieles spricht dafür, dass die Grünen mit 34 Prozent stärkste Partei bleiben könnten.
Was nimmt der Zuschauer nach einem quälenden landespolitischen Stellungskrieg nach 60 Minuten mit? Moderator Fritz Frey gab darauf keine Antwort. Stattdessen schaltete der Sender in ein Pflegeheim und in ein paar Wohnzimmer. Eine Pflegedirektorin sagt, so groß seien die Unterschiede zwischen den Kandidaten nicht, eine Landwirtsfamilie aus dem Allgäu wünscht sich weniger Gesetze und Verordnungen und ein Student aus Friedrichshafen bemängelte das Fehlen von Konzepten. Selten dürften von einem Duell so wenige Impulse für die verbleibenden Tage eines Wahlkampfes ausgegangen sein wie von diesem. Das lag nicht nur an der zahmen Moderation des SWR und der betulichen After-Show, sondern auch daran, dass Kretschmann und Eisenmann seit fünf Jahren in der grün-schwarzen Regierung recht gut miteinander regiert haben. Besser jedenfalls als viele andere große Koalitionen auf Landes- und Bundesebene.
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