#Aallarven „surfen“ auf der perfekten Welle

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Europäische Aale sind stark gefährdet. Insbesondere ihre Larven sind großen Gefahren ausgesetzt, wenn sie von ihrem Geburtsort im Atlantik östlich von Florida bis ins Mittelmeer wandern. Forschende haben nun herausgefunden, wie die nur wenige Zentimeter großen Fischlarven dabei die Meerenge von Gibraltar überwinden. Sie machen sich demnach nächtliche Strömungen zunutze und „surfen“ auf der perfekten Welle vom Atlantik ins Mittelmeer.
Der Europäische Aal (Anguilla anguilla) hat einen der außergewöhnlichsten Lebenszyklen im Tierreich. Seine Larven schlüpfen in der Sargassosee östlich von Florida und überqueren von dort aus den Atlantik, um ins Mittelmeer zu gelangen. Für die meisten von ihnen ist das aber längst noch nicht die Endstation. Die Jungaale wandern weiter in die Flüsse und verbringen dort den Großteil ihres Lebens. Sobald die Aale im Alter von 15 bis 30 Jahren geschlechtsreif sind, erwartet sie eine letzte große Reise: Sie wandern zurück zu ihrem Geburtsort in die Sargassosee, bringen die nächste Aalgeneration zur Welt und sterben dann.
„Grenzkontrolle“ vor Gibraltar
In den vergangenen Jahrzehnten sind die Bestände der Europäischen Aale stark zurückgegangen, sodass der außergewöhnliche Fisch mittlerweile als stark gefährdet gilt. Am verwundbarsten sind die Aale in ihren frühen Lebensstadien. Um geeignete Schutzmaßnahmen zu ergreifen, ist es somit essenziell, mehr über diese Lebensphase und die mit ihr verbundenen Gefahren in Erfahrung zu bringen. Forschende um Marko Freese vom Thünen-Institut für Fischereiökologie haben daher nun untersucht, wie es den Larven gelingt, vom Atlantik ins Mittelmeer zu gelangen und dabei die nur etwa 13 Kilometer breite Meerenge von Gibraltar zu überqueren.
Dafür nahm das Team zu verschiedenen Tageszeiten Proben mit einem Schleppnetz und wertete aus, wie viele Larven sich jeweils darin verfangen hatten. Auf diese Weise wollten Freese und seine Kollegen herausfinden, ob die Aale die von starken Strömungen geprägte Meerenge bevorzugt zu bestimmten Tageszeiten oder in bestimmten Meerestiefen durchschwimmen. Und tatsächlich: Nachts gingen den Forschenden die meisten Aallarven ins Netz. Sie hatten sich in maximal 100 Metern Wassertiefe aufgehalten.
Surfen auf der perfekten Welle
Daraus schließt das Team, dass die nur wenige Zentimeter großen Larven gezielt Strömungen nutzen, die genau zu diesen Tageszeiten und in den oberen Wasserschichten am stärksten sind. Sie „surfen“ also quasi auf der perfekten Welle ins Mittelmeer. „Strömungsrichtung und -geschwindigkeit in der Straße von Gibraltar werden in hohem Maße durch das Gezeitensystem des Atlantiks beeinflusst, was zu einer ständigen Bewegung von ozeanischem Wasser vom Atlantik ins Mittelmeer und zurück führt“, erklären Freese und seine Kollegen. Tagsüber strömt Tiefenwasser aus dem Mittelmeer westwärts Richtung Atlantik. Das hindert die Larven daran, am Tag die Meeresenge zu durchqueren. Nachts sind die Strömungen hingegen günstiger für sie.
Die neuen Erkenntnisse tragen nun dazu bei, die komplexen Lebenszyklen der bedrohten Art besser zu verstehen und die Aale in Zukunft besser zu schützen. Doch es gibt noch mehr zu lernen: „Künftige Studien sollten auch die Ankunftszeiten der Larven, Umweltfaktoren wie Wetterbedingungen, unterschiedliche Gezeitenphasen und sich ändernde Umweltbedingungen aufgrund des Klimawandels berücksichtigen“, schreiben Freese und sein Team.
Quelle: Johann Heinrich von Thünen-Institut, Bundesforschungsinstitut für Ländliche Räume, Wald und Fischerei; Fachartikel: Scientific Reports, doi: 10.1038/s41598-024-82929-z
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