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#Ägäis: Unterseeischer Vulkanausbruch vor 520.000 Jahren

Unter der Ägäis liegt ein aktives Vulkangebiet, das unter anderem für den bronzezeitlichen Ausbruch des Santorini-Vulkans verantwortlich war. Doch nun haben Geologen in dieser Gegend Spuren einer noch größeren Vulkan-Eruption entdeckt. In Bohrkernen aus dem Meeresgrund rund um Santorini stießen sie auf eine dicke Bimssteinschicht, die vor 520.000 Jahren abgelagert worden war. Sie deutet auf den bisher stärksten bekannten Ausbruch des Christiana-Santorini-Kolumbo-Vulkanfelds hin. Er erzeugte mächtige pyroklastische Ströme und hinterließ Ablagerungen in einem rund 3000 Quadratkilometer großen Gebiet. Es war eine der stärksten Eruptionen in der gesamten Ägäis, wie die Forschenden berichten.

Das östliche Mittelmeer ist eine der aktivsten Vulkanregionen der Welt. Aufeinanderstoßende Plattengrenzen haben hier mehrere Vulkangebiete erzeugt, darunter auf Sizilien, in Süditalien und im Bereich der Ägäis. „Der südägäische Vulkanbogen liegt im Herzen Europas und seine Unterseevulkane sind eine große potenzielle Bedrohung“, erklären Tim Druitt von der Universität Clermont-Auvergne und seine Kollegen. In diese Vulkanbogen liegt auch das Christiana-Santorini-Kolumbo-Vulkanfeld, das allein im Umfeld der griechischen Insel Santorini in den letzten 360.000 Jahren mindestens zwölf plinianische, von explosiven Asche- und Lavaeruptionen geprägte Ausbrüche ausgelöst hat. Die berühmteste Eruption dieses Vulkanfelds war der Thera-Ausbruch, der um 1600 vor Christus den gesamten östlichen Mittelmeerraum mit Asche und Tsunamis überzog und das Reich der Minoer untergehen ließ. Doch wie aktiv die vorwiegend unterseeischen Vulkane dieses Felds früher waren und heute noch sind, ist bisher erst in Teilen erforscht.

150 Meter dicke Bimssteinschicht

Deshalb hat das internationale Forschungsteam um Druitt die Vergangenheit des Christiana-Santorini-Kolumbo-Vulkanfelds nun genauer untersucht. Dafür entnahmen sie im Rahmen des internationalen Tiefbohrprogramms IODP an zwölf Stellen des Vulkanfelds Bohrkerne aus dem Meeresgrund. Die Bohrungen reichten bis in 90 Meter Tiefe und umfasste dadurch Ablagerungen aus den letzten rund 23 Millionen Jahren. Bei der Untersuchung der in den Bohrkernen enthaltenen Schichten entdeckten die Forschenden eine bis zu 150 Meter dicke Schicht aus Bimsstein und anderem Vulkanmaterial – Zeugnis eines zuvor unbekannten, heftigen Vulkanausbruchs. Diese Archaeos getaufte Eruption muss sich Datierungen zufolge vor rund 520.000 Jahren an einem Unterwasservulkan im Umfeld von Santorini ereignet haben. „Eine erste Datierung und die Abschätzung der Wassertiefe, in der die Eruption stattgefunden hat, war dank der Mikropaläontologie schon direkt an Bord möglich“, berichtet Co-Autor Steffen Kutterolf vom GEOMAR Helmholtz-Zentrum für Ozeanforschung Kiel. Die entscheidenden Anhaltspunkte lieferten dabei Mikrofossilien in Form von Foraminiferenschalen.

Wie stark die Eruption damals war, verriet unter anderem die Mächtigkeit der vulkanischen Ablagerungen in den Bohrkernen: „Die neu entdeckte Tuffstein-Ablagerung hat ein Volumen von mehr als 90 Kubikkilometern und eine Mächtigkeit von bis zu 150 Metern“, berichtet Kutterolf. „Dies ist sechsmal größer als die Ablagerungen der pyroklastischen Ströme der Minoischen Eruption und zehnmal größer als die des Vulkanausbruchs Hunga Tonga-Hunga Ha’apai vom 22. Januar 2022.“ Allein der poröse Tuff hatte ein Volumen von mindestens 89 Kubikkilometern, wahrscheinlich noch deutlich mehr, wie die Forschenden ermittelten. Insgesamt erstrecken sich die größtenteils unterseeischen Vulkanablagerungen über eine Fläche von gut 3.000 Quadratkilometern. Auch auf den angrenzenden Inseln Santorini, Christiani und Anafi entdeckten sie einige meterdicke Bimssteinablagerungen. Um eine so große Menge an vulkanischem Material auszuschleudern, muss der Archaeos-Ausbruch enorm heftig gewesen sein.

Gasreiches Magma und pyroklastische Ströme

Anhand der Menge, Verteilung und Beschaffenheit der unterseeischen Vulkan-Ablagerungen haben Druitt und sein Team rekonstruiert, wie der Archaeos-Vulkanausbruch damals abgelaufen ist. Demnach schoss gasreiches Magma mit hohem Tempo aus dem unterseeischen Vulkanschlot und mischte sich mit dem Wasser. Es entstand ein heißes Gemisch aus Asche, Gas und porösen Bimssteinstückchen, das als pyroklastischer Strom die Vulkanflanken hinunterraste. Diese heißen, zunehmend mit Wasser gesättigten Ströme flossen bis zu 70 Kilometer weit in die umgebenden Meeresbecken. Ein Teil der Eruption durchbrach jedoch die Wasseroberfläche und erzeugte dort eine Aschenwolke und pyroklastische Ströme. Diese transportierten Asche und Bimsstein bis auf die umliegenden Inseln. Nach Angaben des Forschungsteams übertrifft das Ausmaß dieses Ausbruchs das des Kos-Plateaus vor rund 161.000 Jahren – dieser galt bisher als die stärkste bekannte Eruption im südägäischen Vulkanbogen.

„Unsere neuen Funde verändern unsere bisherigen Vorstellungen zum südägäischen Vulkanbogen: Sie enthüllen eine größere Kapazität für hochgradig gefährliche Untersee-Ausbrüche als zuvor angenommen“, schreiben Druitt und seine Kollegen. Trotz dieser explosiven Vorgeschichte sei es aber sehr unwahrscheinlich, dass das Vulkanfeld in naher Zukunft erneut eine so große Eruption erleben wird. „Die Vorgeschichte zu kennen, ist aber auch für Vorhersagen der Zukunft ein unentbehrlicher Baustein“, sagt Kutterolf.

Quelle: Tim Druitt (Universität Clermont-Auvergne, Frankreich) et al., Communications Earth & Environment, doi: 10.1038/s43247-023-01171-z)

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