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Alexander Owetschkin nimmt Wayne Gretzky Rekord ab

Wayne Gretzky wusste, was sich für ihn gehörte. Am Tag zuvor überkam ihn das Gefühl, wie der Vierundsechzigjährige berichtete, dass es „nun so weit ist“. Er buchte sich daher einen Flug in die amerikanische Hauptstadt und saß dann, an diesem Abend, der den Heldenerzählungen des Eishockeys ein weiteres illustres Kapitel hinzufügte, mit bester Sicht auf die Dinge in einer Loge der Arena in Washington – um zu applaudieren.

Gretzky musste einen prestigeträchtigen Rekord teilen, von dem Generationen in seiner Sportart annahmen, dass er für die Ewigkeit Bestand haben würde. Doch Alexander Owetschkin hat die Geschichte neu geschrieben. Beim 5:3-Sieg über die Chicago Blackhawks am Freitagabend (Ortszeit) gelangen dem Russen seine nächsten beiden Treffer, mit denen er seine Ausbeute in der nordamerikanischen Profiliga NHL auf 864 Tore verbesserte und dadurch mit Gretzky gleichzog.

Zeremonie während des NHL-Spiels

Sechs Partien in der Hauptrunde blieben Owetschkin danach noch, um sich bei seinem steten Streben nach mehr allein an die Spitze zu schießen. Und er nutzte schon seine erste Chance: Am Sonntagnachmittag (Ortszeit) erzielte er im zweiten Drittel im Spiel bei den New York Islanders den 1:2-Anschlusstreffer. Owetschkin ließ sich danach bäuchlings aufs Eis fallen, rutschte ein paar Meter und wurde dann von seinen Teamkollegen heftig umarmt. Anschließend wurde die Partie gar unterbrochen, um den neuen Rekordhalter aus dem Eis bei einer Zeremonie zu ehren.

„Ich habe es immer gesagt: Es ist ein Teamsport. Ohne meine Jungs, ohne die Organisation, ohne die Fans, ohne die Trainer würde ich niemals hier stehen und hätte niemals ‚The Great One‘ überholen können“, sagte Owetschkin am Hallenmikrofon und bedankte sich für die Unterstützung – auch bei seiner Familie. „Owi, Owi“-Sprechchöre hallten durch die Arena. Dass das Spiel für Owetschkins Team 1:4 verloren ging, war an diesem besonderen Tag nur eine Randnotiz.

Gretzky, „The Great One“, wie ihn die Fans als Kufen-Heiligen verehren, saß auch beim Rekordtor in der Halle auf der Tribüne und gehörte schon bei der Einstellung der Bestmarke zu den ersten Schulterklopfern, die dem Neununddreißigjährigen, der in Anspielung auf seine Rückennummer als „The Great 8“ gepriesen wird, nach dem Abgang aus dem Eis-Oval gratulierten.

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Als Gretzky 1994 mit seiner Treffsicherheit die Legende Gordie Howe vom Thron stieß, saß der von ihm abgelöste Primus als Zeitzeuge auf der Tribüne. Seinerzeit, so erzählte es Gretzky, habe er sich geschworen, dass er diese Form der Wertschätzung, sollte es tatsächlich einmal so weit kommen, auch seinem Nachfolger zuteilwerden lassen werde, um ihm damit die Ehre zu erweisen.

„Alex ist großartig für den Sport, für Washington und sein Land. Das ist wunderbar“, sagte Gretzky. Ihn hatte seine Zielstrebigkeit in 1487 regulären Saisonspielen zur Bestmarke geführt. 1999 machte er Schluss und wechselte hinter die Bande.

„Das bedeutet mir eine Menge“

Sechs Jahre darauf gab Owetschkin sein Debüt im Schlaraffenland des Eishockeys und benötigte jetzt exakt eine Partie weniger, um es Gretzky gleichzutun. „Das bedeutet mir eine Menge. Es ist so emotional“, sagte Owetschkin am Freitag und fügte hinzu, dass man sich ihn gerade als „sehr glücklichen Mann vorstellen“ könne. Er werde Gretzky „immer dankbar dafür sein“, wie er ihn unterstützte und ihm riet, „geduldig zu sein und mich nicht unter Druck zu setzen“.

Owetschkin blieb nach seinem Wechsel von Dynamo Moskau in Nordamerika fortdauernd den Capitals treu. Als Kapitän gewann er mit ihnen den Stanley Cup (2018), wurde dreimal als wertvollster Spieler des Jahres ausgezeichnet und sicherte sich neunmal die „Rocket“-Trophy als Schütze der meisten NHL-Tore.

Noch während der laufenden Partie wird der Torschütze bei einer Zeremonie geehrt.
Noch während der laufenden Partie wird der Torschütze bei einer Zeremonie geehrt.Reuters

Sein spektakulärstes Kunststück gelang ihm dabei ausgerechnet gegen die Phoenix Coyotes, die seinerzeit von Gretzky betreut wurden: An der Mittellinie nahm Owetschkin am 15. Januar 2006 einem Gegenspieler den Puck ab, skatete ins Angriffsdrittel, als ihn ein Verteidiger aus dem Gleichgewicht brachte.

Doch der Stürmer blieb fokussiert, hielt beide Hände am Schläger, obwohl er auf dem Rücken eine Pirouette drehte, und gab mit ausgestreckten Armen hinter seinem Kopf, ohne dass er den Keeper sehen konnte, der Scheibe aus spitzem Winkel einen unhaltbaren Dreh. Der Geniestreich gilt als „das Tor“ seiner Karriere.

Owetschkin hat sportliche Eltern

Owetschkins Ehrgeiz ist ungebrochen. Ungeachtet der Jubelszenen komme es darauf an, abzuschütteln, was an Lob auf ihn einprassele, „und einen Weg zu finden, Spiele zu gewinnen“, sagte er, der im Alter von zehn Jahren seinen Bruder Sergei verlor, der nach einem Autounfall starb. Owetschkins Mutter war in den Siebzigerjahren eine erstklassige Basketballspielerin, die mit der sowjetischen Nationalmannschaft zweimal Gold bei Olympischen Spielen (1976 und 1980) gewann. Sein Vater war Fußballprofi.

Auch in Russland wird Owetschkins Leistung genau verfolgt, Fachmedien feiern ihn. „Owetschkin, das ist einfach eine Maschine, eine Lokomotive“, sagt etwa Eishockeyspieler Wadim Berdnikow, der für den schwedischen Klub Borås HC aufläuft, dem Portal „Sports.ru“ zufolge.

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Fußballprofi Pawel Pogrebnjak sagt demnach, Owetschkins Rekord sei ein großes Ereignis. Er verwies auch auf seinen Kollegen Artjom Dsjuba, der vor Kurzem zum Rekordtorschützen der russischen Fußballnationalmannschaft avancierte. Owetschkin und Dsjuba, „das sind zwei Meister, die uns in einer für die Russische Föderation nicht einfachen Zeit mit ihrer Torgefährlichkeit erfreuen“.

Erfolgreiche Sportler stehen in Russland immer auch im Fokus der Politik. Umso mehr, wenn sie im Westen reüssieren, vor allem bei den argwöhnisch umworbenen Erzrivalen, in den Vereinigten Staaten. Dabei stand Owetschkin fest aufseiten Wladimir Putins, der selbst dem russischen Nationalsport Eishockey nachgeht.

Verbindung zu Putin scheint eng zu sein

Es gibt etliche Fotos, die den Sportler in T-Shirts mit dem Porträt seines Präsidenten zeigen. Die Verbindung scheint eng zu sein. Ein früherer Trainer der Capitals, Adam Oates, erzählte einmal, dass er in Russland bei Owetschkin zu Gast gewesen sei, als Putin angerufen habe.

Als Owetschkin im Juli 2017 in Barwicha westlich von Moskau, einem Refugium der russischen Macht- und Geldelite, Hochzeit mit dem Model Anastassija Schubskaja feierte, gratulierte Putin, der sich zu jener Zeit bei einem G-20-Gipfel in Hamburg aufhielt, dem Paar sowohl mit einem offiziellen Telegramm als auch telefonisch und schenkte den beiden überdies noch ein Teeservice. Mehr Achtung geht kaum.

Die Amerikaner leben ihr Faible für Bestmarken und Statistiken voll aus.
Die Amerikaner leben ihr Faible für Bestmarken und Statistiken voll aus.AP

Owetschkin dankte es Putin: Ende 2017, dreieinhalb Monate, bevor sich der Dauerpräsident 2018 wieder einmal im Amt bestätigen lassen wollte, trat er als Gründer einer Bewegung namens Putin Team auf, der andere Sportler und Prominente beitraten. „Ich habe meine Beziehung zu unserem Präsidenten nie versteckt“, schrieb Owetschkin damals auf Instagram zu einem Foto von ihm und Putin, „ich habe ihn immer offen unterstützt.“ Der Sportstar rief dazu auf, „allen ein starkes und geschlossenes Russland zu zeigen!“.

Als Owetschkins Team 2018 den Stanley-Cup gewonnen hatte, sagte Putin, ihn und „Sascha“ verbänden „gute, persönliche Beziehungen“, man treffe sich „regelmäßig“. Owetschkin habe gar den Wunsch geäußert, wieder in Russland zu spielen, doch hinderten ihn daran vertragliche Pflichten.

„Kein Politiker, ich bin einfach Sportler“

Owetschkin blieb in Amerika, unterstützt Putin aber weiterhin. Ende Februar 2022, kurz nach dem russischen Großangriff auf die Ukraine, sagte er auf einer Pressekonferenz, Putin sei „mein Präsident“, doch sei er, Owetschkin, „kein Politiker. Ich bin einfach Sportler. Und ich hoffe sehr, dass all das schnell enden wird. Aber ich kann gar nichts beeinflussen.“

Das ist nicht als Kritik am Angriffskrieg misszuverstehen; auch Putin hoffte damals offenkundig darauf, die Ukraine rasch niederzuringen. Owetschkins Instagram-Profilbild zeigt den Sportler weiterhin an der Seite Putins im Kreml vor einer der großen, goldfarbenen Flügeltüren. Das Bild dürfte von einem Empfang stammen, den Putin Ende Mai 2014 ausrichtete, nachdem Russlands Eishockeyauswahl die Weltmeisterschaft gewonnen hatte.

Im Juni 2023 dankte Putin Owetschkin „für die erreichten Arbeitserfolge und das langjährige gewissenhafte Wirken“ als Berater des Generaldirektors des Moskauer Eishockeyklubs Dynamo. Derzeit steht für ihn ganz die Charmeoffensive gegenüber dem amerikanischen Präsidenten im Vordergrund.

Nach dem Telefonat der beiden vom 18. März teilte der Kreml mit, Donald Trump habe Putins Idee unterstützt, Eishockeymatches in den Vereinigten Staaten und Russland zwischen russischen und amerikanischen Spielern zu organisieren. Das soll offenbar die Annäherung zwischen beiden Männern respektive Ländern voranbringen. Kommt es zu einer solchen Begegnung, würde Owetschkin gewiss eine prominente Rolle zukommen.

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