#Anleihekäufe der EZB für unvorstellbare 4,4 Billionen Euro
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„Anleihekäufe der EZB für unvorstellbare 4,4 Billionen Euro“
Die Europäische Zentralbank steht kurz davor, nach dem Ende ihres Krisenanleihekaufprogramms PEPP auch die Nettoanleihekäufe ihres längerfristigen Anleihekaufprogramms PSPP auslaufen zu lassen. Dann können fällig werdende Anleihen zwar noch ersetzt werden – es sollen aber keine neuen Bestände mehr aufgebaut werden. Wenn das Ende Juni passiert, wie es die Notenbank zuletzt angedeutet hatte, dürften die kumulierten Ankäufe aller Notenbanken im Eurosystem nach Schätzungen des Forschungsinstituts ZEW in Mannheim 4,405 Billionen Euro betragen haben – der Stand Ende Mai habe bei 4,396 Billionen Euro gelegen.
Das wäre eine Zäsur. Die EZB würde dann keine zusätzlichen neuen Anleihen mehr kaufen. Es wäre zumindest vorerst der Abschluss für ein von Anfang an sehr umstrittenes Vorhaben der Notenbank. Zuletzt allerdings hatte es in der EZB Diskussionen gegeben, ob man nach dem Ende der Nettoanleihekäufe und für die Zeit der ersten Zinserhöhungen womöglich ein neues Instrument brauche, um reagieren zu können, falls die Renditen einzelner Euroländer aus dem Ruder laufen und es so zu einer Fragmentierung des Euroraums kommen sollte – die sich negativ auf die Möglichkeiten der sogenannten Transmission, das ist die Durchsetzung der EZB-Geldpolitik in allen Euroländern, auswirken könnte.
Notenbanken weichen von den Plänen ab
In einer von der Strube-Stiftung geförderten Studie, die der F.A.Z. exklusiv vorliegt, hat das Forschungsinstitut ZEW verglichen, wie sehr die Notenbanken sich an die Vorgaben des sogenannten Kapitalschlüssels gehalten haben, der dafür sorgen soll, dass keine Anleihen einzelner Länder überproportional gekauft werden. Zudem hat das Institut zusammengestellt, in welchem historischen Ausmaß die Notenbanken mittlerweile Anteile an den ausstehenden Schulden einzelner Länder halten.
Die wichtigsten Ergebnisse: Schon in früheren Phasen waren italienische Staatsanleihen besonders stark gekauft worden. Diese Übergewichtung von Italien im Krisenprogramm PEPP war aber in der Zeit von Januar bis September 2021 stark zurückgegangen. In der zurückliegenden Monaten aber hat sie wieder deutlich zugenommen. Ähnliches gilt für Spanien. „Das deutet daraufhin, dass die EZB versucht hat, sich dem Spread-Anstieg für Südeuropa, also dem Anstieg des Abstands der Renditen der jeweiligen Staatsanleihen zur Bundesanleihe, entgegenzustemmen“, meint Studienautor Friedrich Heinemann: „Das wirft Fragen auf, was mit den Spreads nach Ende der Programme passiert.“
Blicke man auf die beiden Anleiheprogramme PSPP und PEPP kombiniert, sei seit Pandemiebeginn die Übergewichtung für Italien absolut am größten, prozentual hingegen für Zypern. „Interessanterweise gibt es aber auch eine Übergewichtung von Deutschland“, sagte Heinemann: „Das war notwendig, um einen Ausgleich für fehlendes Material bei geringer verschuldeten Ländern zu schaffen.“
Außergewöhnlich groß ist nun der Anteil der Staatsschulden vieler Länder, der von der EZB gehalten wird. „Die Bestände kombiniert aus den Programmen PEPP und PSPP haben jetzt im Durchschnitt der Eurozone 33 Prozent der gesamten Schuldenstände erreicht“, sagte Heinemann. „Das ist die Obergrenze, von der an die EZB eine Sperrminorität in allen Umschuldungsverhandlungen hat“, sagte der Studienautor. Positiv gesprochen endeten die Käufe der Notenbanken also „genau zum richtigen Zeitpunkt“: Von jetzt an könnte es „richtig gefährlich“ werden für die Nähe der EZB zur monetären Staatsfinanzierung als Investor, der bei Umschuldungsverhandlungen das entscheidende Wort sprechen würde, kommentierte Heinemann.
Einzelne Euroländer kommen dabei auf noch höhere Anteile ihrer ausstehenden Staatsschulden, die von der EZB erworben wurden. Bei mehr als 40 Prozent liegen laut ZEW Slowenien, die Niederlanden, die Slowakei, Deutschland und Finnland. Für die vier letztgenannten spiegele sich darin deren im Vergleich zu anderen Ländern niedriger Stand an Staatsschulden, meint das ZEW. Italien kommt in dieser Berechnung auf gut 25 Prozent der ausstehenden Staatsschulden, die von der Notenbank aufgekauft wurden. Im Vergleich zum Bruttoinlandsprodukt hingegen wurden besonders viele Anleihen von Spanien, Portugal und Italien gekauft: Bei diesen Ländern lag der Anteil jeweils bei 40 Prozent oder mehr der jährlichen Wirtschaftsleistung. Die baltischen Länder sowie Luxemburg, Malta und Irland kommen auf weniger als 15 Prozent. Deutschland liegt mit knapp unter 30 Prozent im Mittelfeld.
Die Anleihekäufe der EZB und der nationalen Notenbanken sind seit längerem auch Gegenstand rechtlicher Auseinandersetzungen. Am Mittwoch teilte der Beschwerdeführer der sogenannten Europolis-Klägergruppe, Markus Kerber mit, sie hätten noch mal einen Schriftsatz beim Bundesverfassungsgericht nachgereicht. Darin bemängelten sie die lange Dauer des Verfahrens, aber auch die „offenkundige Verletzung des Mandats der EZB zur Gewährleistung der Preisstabilität“. Ferner wird das Bundesverfassungsgericht aufgefordert, die Bundesbank zum sofortigen Ausstieg aus den laufenden Aufkaufprogrammen anzuhalten. In dem Verfahren geht es unter anderem um das Krisenprogramm PEPP.
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