Wissenschaft

#Antarktis: Schneller Eisverlust vor 8000 Jahren

Wie könnte sich die derzeitige Klimaerwärmung auf die Eismassen der Antarktis auswirken? Um neue Antworten auf diese Frage zu bekommen, haben Forschende nun einen Blick in die Entwicklung am Ende der letzten Eiszeit geworfen. Aus der Analyse eines Eisbohrkerns geht hervor, dass die Erwärmung in dieser Zeit die Eisdecke des westantarktischen Eisschilds überraschend schnell und intensiv schrumpfen ließ: Demnach wurde die Eisschicht an der Probenahmestelle damals innerhalb von knapp 200 Jahren um 450 Meter dünner. Die mögliche Empfindlichkeit der Eismassen sollte nun bei Prognosen zur weiteren Entwicklung im Zuge des Klimawandels berücksichtigt werden, sagen die Wissenschaftler.

Es ist ein deutliches Zeichen des globalen Klimawandels und gleichzeitig eine Bedrohung: Die Eismassen der Erde ziehen sich deutlich zurück und sorgen mit ihrem Schmelzwasser für eine Erhöhung des Meeresspiegels. Ein besonders sorgenvoller Blick richtet sich dabei auf die Entwicklung der gewaltigen Eismassen der Antarktis. Der westantarktische Eisschild gilt dabei als besonders gefährdet, da er schnell taut und zu einem großen Teil auf Grundgestein lagert, das unter dem Meeresspiegel liegt. Wissenschaftler befürchten, dass die derzeit steigenden Temperaturen zu einer Destabilisierung führen könnten, die nach dem Überschreiten einer kritischen Schwelle einen Kollaps der Eismassen auslösen könnte. Wann genau und wie schnell das Eis verloren gehen könnte, ist allerdings ungewiss.

Blick in die Vergangenheit

Eine Möglichkeit, die zukünftigen Entwicklungen besser einschätzen zu können, besteht darin, Informationen über den Eisverlust aus Erwärmungsperioden in der Vergangenheit zu sammeln, um sie dann in Modellierungen integrieren zu können. Genau dieser Aufgabe haben sich nun Forschende der University of Cambridge und des British Antarctic Survey gewidmet. Ihr Fokus lag dabei auf den Entwicklungen im Rahmen der letzten Eiszeit. Auf ihrem Höhepunkt vor 20.000 Jahren bedeckte das antarktische Eis eine größere Fläche als heute. Als sich die Erde dann langsam erwärmte, schrumpft der westantarktische Eisschild mehr oder weniger auf sein heutiges Ausmaß. „Wir wollten nun wissen, was mit dem westantarktischen Eisschild am Ende der letzten Eiszeit passiert ist, als die Temperaturen auf der Erde anstiegen, wenn auch langsamer als bei der derzeitigen anthropogenen Erwärmung“, sagt Co-Autorin Isobel Rowell vom British Antarctic Survey.

Die Hinweise holten sich die Forschende dabei aus einem Eisbohrkern. Wie sie erklären, bestehen diese Proben aus gut datierbaren Eisschichten, die sich einst beim Schneefall gebildet haben und dann über Jahrtausende hinweg vergraben und zu Eiskristallen verdichtet wurden. In jeder Eisschicht sind Blasen aus der damaligen Luft und bestimmte Substanzen eingeschlossen, die sich jedes Jahr mit dem Schneefall vermischten. All diese Aspekte können Hinweise auf das sich ändernde Klima und die Eisausdehnung liefern. Der Eisbohrkern, auf dem die aktuellen Studienergebnisse nun basieren, ist 651 Meter lang und wurde am südlichen Rand des Ronne-Schelfeises gewonnen. An dieser Probenstelle geht der auf dem Grund aufliegende Eispanzer in schwimmendes Schelfeis über.

Nachdem der Eisbohrkern gekühlt nach Cambridge transportiert worden war, analysierten die Forschenden zunächst stabile Wasserisotope in den Schichten. Wie sie erklären, spiegelt sich in deren Vorkommen die Temperatur zum Zeitpunkt des Schneefalls wider. Dies kann Hinweise auf die Höhenlage der Eisoberfläche liefern, auf die der Schnee rieselte. Denn in höheren Lagen nimmt die Temperatur bekanntlich ab, sodass höhere Temperaturen Hinweise auf eine relativ tief gelegene ausgedünnte Eisschicht liefen können. Als einen weiteren Anhaltspunkt nutzte das Team den Druck der im Eis eingeschlossenen Luftblasen. Denn wie die Temperatur variiert auch der Luftdruck mit der Höhenlage. Tiefer liegendes, dünneres Eis enthält demnach Luftblasen mit einem etwas höheren Druck.

Rapider Verlust am Ende der Eiszeit

Wie das Team berichtet, ging aus den Analyseergebnissen hervor, dass die Eisdecke vor etwa 8000 Jahren in nur knapp 200 Jahren etwa 450 Meter an Höhe verloren hat. Die Klimaerwärmung am Ende der Eiszeit führte demnach zu einem überraschend rapiden Eisverlust. „Sobald das Eis dünner wurde, schrumpfte es offenbar sehr schnell. Damit zeichnen sich ein Wendepunkt und ein außer Kontrolle geratener Prozess ab“, sagt Seniorautor Eric Wolff von der University of Cambridge.

Die Wissenschaftler vermuten, dass die Ausdünnung wahrscheinlich dadurch ausgelöst wurde, dass im Zuge der Erwärmung warmes Wasser unter den Rand des westantarktischen Eisschildes gelangte, das normalerweise auf Grundgestein sitzt. Dadurch könnte sich dann ein Teil des Eises vom Grundgestein gelöst haben, sodass es plötzlich schwimmen konnte. Durch den schwindenden Bremseffekt der Grundbindung könnte es dann zu einem beschleunigten Eisabfluss mit ausdünnender Wirkung gekommen sein.

Die Forschenden fanden außerdem heraus, dass der Natriumgehalt des Eises, der aus herangewehter Meeresgischt stammte, etwa 300 Jahre nach dem Ausdünnen des Eises deutlich anstieg. Dieser Befund legt nahe, dass sich das Schelfeis nach dem Ausdünnen des Eises stark zurückgezogen hatte, sodass das Meer dann Hunderte von Kilometern näher am Probennahmeort lag als zuvor.

„Aus Modellen wussten wir bereits, dass das Eis in der Ära dünner wurde, aber wann genau das geschah, war ungewiss“, sagt Rowell. Eisschildmodelle vermuteten den Rückzug vor 12.000 bis 5000 Jahren und konnten nicht sagen, wie schnell er ablief. „Jetzt haben wir hingegen eine sehr genau datierte Beobachtung dieses Rückzugs, die in verbesserte Modelle eingebaut werden kann“, sagt die Wissenschaftlerin. Obwohl sich der westantarktische Eisschild vor 8000 Jahren schnell zurückzog, stabilisierte er sich damals, als er ungefähr seine heutige Ausdehnung erreichte. „Jetzt kommt es darauf an, herauszufinden, ob zusätzliche Wärme das Eis erneut destabilisieren und dazu führen könnte, dass es sich weiter zurückzieht“, sagt Wolff.

Quelle: University of Cambridge, Fachartikel, Nature Geoscience, doi: 10.1038/s41561-024-01375-8

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