Wissenschaft

#Antike Mobilität im Spiegel der Genetik

Wie intensiv war der Austausch zwischen den Völkern Europas und des Mittelmeerraums in der Antike? Untersuchungsergebnisse von Erbgut aus Überresten von Menschen aus dem Gebiet des einstigen Römischen Reiches liefern nun neue Hinweise auf die starke Mobilität während seiner Blütezeit. Etwa acht Prozent der im Rahmen der Studie untersuchten Personen stammten demnach ursprünglich nicht aus der Region, in der sie begraben wurden. Indirekt liefern die Ergebnisse damit auch Hinweise darauf, dass die Mobilität der Menschen im Zuge des Untergangs des Römischen Reiches wieder stark abnahm, sagen die Wissenschaftler.

Lange ermöglichten nur spezielle archäologische Funde oder historische Hinweise Einblicke in die Bevölkerungsentwicklungen der Vergangenheit. Doch mittlerweile hat die moderne Genetik auch dieses Forschungsfeld revolutioniert: Durch Analysen und Vergleiche von alter DNA, die aus menschlichen Gebeinen gewonnen werden kann, lassen sich Rückschlüsse auf ethnische Zugehörigkeiten und Abstammungsverhältnisse ziehen. Unter anderem hat die Archäogenetik bereits interessante Einblicke in die prähistorische Entwicklung der Bevölkerungsstruktur in Europa geliefert. In den Genomen aus der Zeit von vor 14.000 bis 3000 Jahren spiegelt sich beispielsweise die Einwanderung neolithischer Bauern und bronzezeitlicher Steppenbewohner wider. Überraschenderweise ist bisher hingegen weniger darüber bekannt, wie sich die Bevölkerungsstruktur in Europa und dem Mittelmeerraum in der historischen Ära seit der Antike verändert hat.

Zugereisten auf der Spur

In der aktuellen Studie hat sich ein internationales Forschungsteam nun der populationsgenetischen Untersuchung der letzten 3000 Jahre gewidmet. Im Fokus stand dabei die Ära des Römischen Reiches. Basis der Studie bildeten Analysen bereits vorhandener DNA-Daten aus Tausenden von Skelettfunden aus verschiedenen Regionen des Imperium Romanum, sowie aus weiteren Bereichen Europas, Asiens und Nordafrikas. Zusätzlich sequenzierten die Forschenden 204 neue Genome aus 53 archäologischen Stätten in 18 Ländern. Die meisten stammten dabei von Personen, die in der Blütezeit des Römischen Reichs bis zum Beginn des Mittelalters gelebt haben.

Wie die Forschenden berichten, zeichnete sich in den Ergebnissen eine überraschend hohe Diversität ab. Unterm Strich stammten etwa acht Prozent der in die Studie einbezogenen Personen ursprünglich nicht aus dem Gebiet Europas, Afrikas oder Asiens, in dem sie begraben wurden. Geografisch mehr isolierte Gebiete waren dabei zwar tendenziell weniger divers. Insgesamt gab es aber in den meisten Teilen des Römischen Reiches Skelette, deren genetisches Profil sich deutlich von dem der übrigen Bevölkerung vor Ort abhob. Dies bedeutet, dass sie selbst oder ihre jüngsten Vorfahren aus entfernten Regionen zugereist oder eingewandert waren. Zu den besonders „bunten“ Fundregionen gehörten dabei etwa Italien, der Balkan und Teile Mittel- und Westeuropas, berichten die Forschenden. „Wir konnten zudem zeigen, dass es unter den Menschen, die nicht aus dem Gebiet stammten, in dem sie gefunden wurden, gemeinsame Abstammungsmuster gab“, sagt Co-Seniorautor Ron Pinhasi von der Universität Wien.

Das Römische Reich sorgte für Dynamik

Wie die Forschenden erklären, spiegelt sich in der festgestellten Mobilität offenbar wider, wie sich in der Ära des Römischen Reiches die involvierten Völker auf verschiedenen Ebenen neu verbanden. „Die Ausdehnung des Römischen Reichs war ein gewaltiges Unterfangen, das Truppenbewegungen, Handel, Arbeit, Sklaverei und Zwangsumsiedlungen involvierte“, sagt Co-Autor Clemens Weiss von der Stanford University. „Mit der Entwicklung des Reiches wurden immer mehr Menschen angezogen und die Mobilität über ganze Kontinente hinweg erhöht“, so der Wissenschaftler.

Offenbar war diese Periode der intensiven Mobilität aber nur vorübergehend, wie sich in den Ergebnissen abzeichnet. Denn hätten sich die Menschen weiterhin so intensiv fortbewegt, wären die regionalen Unterschiede allmählich verschwunden, sagen die Forschenden. Die Genome der Menschen in Osteuropa hätten sich beispielsweise irgendwann kaum mehr von denen in Westeuropa und Nordafrika unterscheiden lassen und umgekehrt. Insgesamt betrachtet ist die Populationsstruktur Europas aber bis heute stabil geblieben, sagen die Wissenschaftler. Vermutlich spiegelt sich in der Diskrepanz demnach wider, wie stark die Mobilität der Menschen mit dem Zusammenbruch des Römischen Reiches wieder zurückging. „Es gibt allerdings bisher nicht genügend Daten aus dieser Zeit, um das mit Sicherheit sagen zu können – das wird nun Inhalt nachfolgender Studien sein“, sagt Pinhasi.

Quelle: Universität Wien

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