#Arroganz der Mehrheit nährt antidemokratische Mythen
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Wir haben in Deutschland ein gutes Parlament. Wer auf andere große Volksvertretungen schaut, auf das britische Unterhaus mit seinen Brexit-Spektakeln, auf den amerikanischen Kongress mit seinen Haushaltsblockaden oder auf den polnischen Sejm, der seit Jahren den Rechtsstaat untergräbt, der sollte wissen, was Deutschland an seinem Bundestag hat. Er gehört zu den besten Parlamenten der Welt.
Noch. Denn seit die Ampel die Mehrheit hat, gefährdet der Bundestag sein Renommee. Die jüngste Selbstbeschädigung hat er sich mit dem Heizungsgesetz zugefügt. Das Bundesverfassungsgericht hat die finale Abstimmung darüber keine 48 Stunden vor dem gesetzten Termin einstweilen gestoppt, weil die Mehrheit im Haus den Abgeordneten offenbar zu wenig Zeit gegeben hatte, ihren Gesetzentwurf überhaupt erst zu lesen.
Manchmal muss es ja wirklich schnell gehen. Wenn Pandemie ist und Leute sterben, wenn Russland ein Land überfällt oder wenn ein Kältewinter aufzieht, weil jemand gerade eine Gasleitung gesprengt hat, dann ist das höhere Gewalt. Da kann man nicht warten. Aber beim Heizungsgesetz hat nicht höhere Gewalt das Parlament in Zeitnot gebracht, sondern höheres Gemurks in den Werkstuben des Regierens.
Missachtung der Opposition ist eine Gefahr für die Demokratie
Das galt übrigens schon für einen anderen bösen Fall von schädlicher Hast: für die sogenannte Reform des Wahlrechts. Auch hier hat die Ampel nach jahrelangen zähen Debatten einen Gesetzentwurf aus dem Hut gezaubert und ihn am Ende so rasch durch Ausschüsse und Plenum gejagt, als sei der Gottseibeiuns hinter ihr her.
Das Ergebnis ist ein Gesetz, bei dem alles andere als klar ist, ob es vor dem Bundesverfassungsgericht bestehen wird. Heizungsgesetz und Wahlrechtsreform ähneln sich auch in einem anderen, ebenso fatalen Punkt: In beiden Fällen hat vor allem die Opposition den Schaden, also immerhin die demokratisch legitimierte Minderheit einer pluralen Ordnung.
Der Mehrheit, also der Ampel, hat die Fristverkürzung beim Heizungsgesetz kaum weh getan: Der Gesetzentwurf kam aus ihren Apparaten. Ihre Fachleute kannten ihn und mussten sich nicht viel zu kurze Nächte um die Ohren schlagen, um seine 108 Seiten Fachchinesisch zu verstehen. Die Opposition dagegen hatte keine Chance, die Materie wirklich zu durchdringen.
Handstreich gegen die Minderheit
Richtig schlimm wird die Arroganz der Mehrheit aber beim Wahlrecht. Die Ampel hat die „Grundmandatsklausel“ gestrichen, also die Bestimmung, der zufolge eine Partei in den Bundestag einziehen kann, wenn sie mindestens drei Wahlkreise gewinnt – auch wenn sie insgesamt unter fünf Prozent bleibt. Damit wird nicht nur die Linke vermutlich aus dem Parlament fliegen, sondern vielleicht auch die CSU.
Ein mutmaßlich bewusst in Kauf genommener Handstreich gegen die Minderheit in der Demokratie – oder glaubt jemand, die Ampel hätte so ein Gesetz beschlossen, wenn es nicht zwei Oppositionsparteien ins Aus katapultiert hätte, sondern FDP oder Grüne?
Die Feinde der offenen Gesellschaft auf der Rechten und auf der Linken greifen die deutsche Demokratie gern mit dem Argument an, sie sei gar keine Demokratie. Das sind Blüten des Unsinns, aber die Ampel streut gerade Dünger. Umfragen zeigen, dass eine schnell wachsende Minderheit deutscher Wähler glaubt, Demokratie habe keinen Sinn, man sei als Bürger ohnehin machtlos. Und jetzt liefert die Ampel für diese böse Erzählung das perfekte Exempel.
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