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#Mitbewohner der anderen Art

„Mitbewohner der anderen Art“

Sie sind ja längst da, haben sich den urbanen Raum angeeignet und sich, wie es ihre Art ist, angepasst: Es gibt in Städten Wildschweine, die nachts an der Ampel warten, bis es grün ist, und Krähen, die Eicheln von Autos überfahren und knacken lassen. Es gibt Stare, deren Flügel besonders klein und rund sind, was ihre Wendigkeit in engen Straßenzügen erhöht, und Fuchspopulationen, deren Mitglieder unerschrockener sind als ihre ländlich wohnenden Verwandten, weil in der Stadt Frechheit siegt und weitervererbt wird.

Die Vorstellung, dass in der bebauten Welt die Menschen unter sich bleiben und die Natur bitteschön anderswo zu sein hat, war immer einseitig. Mit der biologischen Verödung der Landschaften, den insektenfrei gespritzten Feldern, dem Verlust an Brutmöglichkeiten sind Großstädte durch ihr vergleichsweise reiches Angebot an Nahrung und verschiedenartigen Lebensräumen sogar zu einem Hort der Biodiversität geworden: Hier gibt es zuweilen mehr Tierarten als auf dem umliegenden Land.

Mal gern gesehen, mal ungewollt

Es sind jedoch oft kleine Populationen, die schnell auch wieder verschwinden können. Verdichtung und Versiegelung sind Gefahren für die städtische Artenvielfalt. Tiere bleiben die oft unbemerkten, mal gern gesehenen, mal ungewollten Mitbewohner, oder werden lästige Verhinderer, wenn das Auftauchen einer geschützten Art ein Bauprojekt verzögert. Mitgedacht werden sie bislang kaum.

Das zu tun, wäre allerdings zukunftsweisend. Nur ein verändertes Naturverständnis wird den Artenschwund stoppen können, dessen Konsequenzen auch für den Menschen – anders als im Fall der Erderwärmung – noch nicht richtig in der Wahrnehmung angekommen sind. Dazu gehört, Natur nicht geschützten Gebieten vorbehalten zu wollen, wo sie besucht und bestaunt wird, während der große Rest den Bedürfnissen des Menschen untergeordnet wird. Artenvielfalt muss es überall geben: auf den Feldern, in bewirtschafteten Wäldern und auch in den Städten.

Tod am Glas: Tauben zählen nicht

Es gibt Anzeichen, dass sich hier etwas tut. In manchen Großstädten werden Pilotprojekte zum artenübergreifenden Miteinander geplant, in Deutschland erschien im vergangenen Jahr das Architekturmagazin „arch+“ mit einer lustvoll gestalteten Schwerpunktausgabe zu dem Thema und Ende September gab es in den Räumen der Architektenkammer in Berlin eine Tagung zu „Biodiversität und Architektur“. Es ging darum, wie Gebäude zum Lebensraum für Mensch und Wildtier werden können und wie auf eine Weise gebaut werden kann, die für Tiere nicht zur Gefahr wird. Wissenschaftler und Naturschützer sprachen über tödliche Glasfassaden und die Desorientierung von Vögeln und Insekten durch künstliches Licht.

Unter den Zuhörern waren viele Architekten, von seinen Erfahrungen mit dem Thema erzählte nur einer: Jan Musikowski, dessen Büro Richter Musikowski in Berlin vor einigen Jahren das Museum und Veranstaltungshaus Futurium gebaut hat, das wie ein einladendes Raumschiff zwischen vielen gesichtslosen Neubauten in der Nähe des Hauptbahnhofs sitzt. Seit ein paar Wochen ist die Glasfront mit gepunkteter Folie beklebt. Ein von der Naturschutzbehörde beauftragtes Monitoring hatte ergeben, dass bei dem Gebäude ein „signifikant erhöhtes Tötungsrisiko“ für Vögel besteht. Das gilt dann als gegeben, wenn pro hundert Meter Fassadenlänge im Jahr mehr als vier Vögel gegen das Gebäude fliegen, genauer gesagt: besonders geschützte Vogelarten. Eine Straßentaube gehört nicht dazu. Was unter diesem Schwellenwert liegt, ist „natürlicherweise existierendes Lebensrisiko“. Beim Futurium wurden neunzehn Kollisionen nachgewiesen, meist über Abdrücke an den Scheiben. Neun waren von Tauben, die zählten nicht.

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