Nachrichten

#Wie es im Fall Giffey weitergeht

Wie es im Fall Giffey weitergeht

Der Druck auf das Präsidium der Freien Universität (FU) Berlin im Fall der Doktorarbeit von Bundesfamilienministerin Franziska Giffey (SPD) muss gewaltig gewesen sein. Intern hatte das Präsidium den traditionell an der FU starken Asta gegen sich, möglicherweise auch die beiden anderen Berliner Universitäten des Exzellenzverbundes sowie die Öffentlichkeit. Dazu hatte gewiss das Gutachten des Bonner Rechtswissenschaftlers Klaus Ferdinand Gärditz beigetragen, das die Berliner CDU-Fraktion in Auftrag gegeben hatte. So blieb der Universität nur noch eine gesichtswahrende Möglichkeit: das gesamte Überprüfungsverfahren für die Dissertation neu aufzurollen.

Heike Schmoll

Heike Schmoll

Politische Korrespondentin in Berlin, zuständig für die „Bildungswelten“.

Sie hätte sich zwar auch auf das von ihr selbst in Auftrag gegebene Gutachten des Berliner Rechtswissenschaftlers Ulrich Battis zurückziehen können. Battis hatte den Auftrag, abstrakt zu prüfen, ob die wegen der Mängel in der Doktorarbeit erteilte Rüge auf der Grundlage des Berliner Hochschulgesetzes überhaupt möglich ist. Er verwies in seinem Gutachten darauf, dass die Zulässigkeit einer Rüge ohne ausdrückliche gesetzliche Regelung im Wissenschaftsrecht von Rechtsprechung und juristischer Literatur kontrovers und zum Teil in sich widersprüchlich behandelt wird. „Auch in anderen Universitäten als der FU Berlin werden Rügen ohne ausdrückliche gesetzliche Regelung in minderschweren Fällen anstelle eines Titelentzugs ausgesprochen.“ Als Beispiele nannte er die Charité in Berlin mit ihren über einem Dutzend Rügen, aber auch die Universitäten in Dortmund und Münster.

Die mit einer Rüge Geschonten haben natürlich nie geklagt, konnten sie doch froh sein, so ihren Doktorgrad zu behalten. Im Plagiatsverfahren gegen Annette Schavan, die frühere Bundesbildungsministerin von der CDU, hatte der Münsteraner Rechtswissenschaftler Bodo Pieroth als Gutachter vor dem Düsseldorfer Verwaltungsgericht ebenfalls versucht, anstelle des Entzugs des Doktorgrades eine „Minusmaßnahme“ in Gestalt einer Rüge vorzubringen, und war damit gescheitert. Schavan hatte gegen die Entziehung des Doktorgrades geklagt, nachdem sie als Ministerin zurückgetreten war.

„Rüge ohne Rechtsgrundlage nicht möglich“

Gärditz hatte darauf verwiesen, dass eine Rüge ohne Rechtsgrundlage nicht möglich ist. Battis war an dieser Stelle anderer Auffassung. Und er legt großen Wert darauf, zum konkreten Fall Giffey nichts gesagt zu haben. Bemerkenswert an der jüngsten Stellungnahme der FU ist, dass das Präsidium feststellt, „dass eine Rüge allenfalls in einem minderschweren Fall zulässig sei, ein solcher im Schlussbericht des Prüfungsgremiums für die Dissertation nicht dargetan worden und daher eine erneute Prüfung durchzuführen“ sei. Wie eine weitere Überprüfung der Dissertation ausgeht, die dann auch umfassender sein müsste und nicht nur die bei „VroniPlag Wiki“ aufgelisteten Plagiate betrachtete, ist klar. Sie kann eigentlich nur mit einem Entzug des Doktorgrades enden.

Für Franziska Giffey kommt diese Entwicklung zu einem denkbar ungelegenen Zeitpunkt. Ende November soll sie mit Raed Saleh zur Vorsitzenden der Berliner SPD gewählt werden. Schon zu Beginn des ersten Prüfungsverfahrens, das am 30. Oktober 2019 mit der Erteilung der Rüge endete, hatte Giffey angekündigt, als Bundesministerin zurückzutreten, falls ihr der Doktorgrad entzogen wird.

Die Online-Flatrate: F+


Jetzt muss der Präsident der FU die Initiative ergreifen. Er muss die Rüge nach Anhörung Giffeys als rechtswidrige Verwaltungsentscheidung zurücknehmen. Bisher hat die FU nur angekündigt, dass sie das tun werde. Möglich sind dann zwei Szenarien: Gegen den Rücknahmebescheid könnte Giffey klagen und damit Zeit gewinnen. Denn bis zu einer rechtskräftigen Entscheidung könnten zwei bis drei Jahre ins Land gehen. Sollte Giffey das Verfahren verlieren, müsste sie die neuerliche Überprüfung trotzdem über sich ergehen lassen. Sollte sie nicht klagen, müsste ein neues Überprüfungsverfahren durch den Präsidenten der FU eingeleitet werden. Dann wäre wiederum der Promotionsausschuss der FU am Otto-Suhr-Institut am Zug, wo Giffey 2010 promoviert wurde.

Befangenheit beim Prüfungsgremium

Die Vorsitzende des Promotionsausschusses ist Tanja Börzel, Giffeys Doktormutter. Sie war an der Einsetzung des Prüfungsgremiums im ersten Verfahren beteiligt, obwohl sie befangen ist. In einem zweiten Prüfungsverfahren müsste sie von der Mitwirkung am Verfahren ausgeschlossen werden; sollte das nicht geschehen, müsste der Präsident intervenieren, sagte Gärditz der F.A.Z. Dass andere Mitglieder des Promotionsausschusses außer Börzel auch am zweiten Überprüfungsverfahren beteiligt werden, hält er für unproblematisch. Dem Promotionsausschuss stehe es auch frei, weiteren Sachverstand hinzuzuziehen, also ein Gremium zu beauftragen, solange dieses nur Hilfsarbeit erledige, die dem Ausschuss eine eigenverantwortliche Entscheidung ermögliche, so Gärditz.

Die FU wird ohnehin gut beraten sein, sich untadeliger Expertise zu versichern, indem sie einen unbeteiligten Politikwissenschaftler, der eine Konfrontation mit Börzel und ihrem Mann – dem Dekan der betroffenen Fakultät – nicht scheut, sowie einen renommierten Vertreter aus dem Wissenschaftssystem beteiligt. So war vor bald zehn Jahren die juristische Fakultät in Bayreuth im Plagiatsverfahren gegen Karl-Theodor zu Guttenberg verfahren, den früheren Verteidigungsminister von der CSU. Sie hatte nicht nur den damaligen Ombudsmann für die Wissenschaft der Deutschen Forschungsgemeinschaft, Wolfgang Löwer, sondern auch den Konstanzer Philosophen Jürgen Mittelstraß hinzugezogen.

Wenn Sie an Foren interessiert sind, können Sie Forum.BuradaBiliyorum.Com besuchen.

Wenn Sie weitere Nachrichten lesen möchten, können Sie unsere Nachrichten kategorie besuchen.

Quelle

Ähnliche Artikel

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Schaltfläche "Zurück zum Anfang"
Schließen

Please allow ads on our site

Please consider supporting us by disabling your ad blocker!