Wissenschaft

Atmosphäre bildet aus Alltagschemikalien giftiges Dioxin

Die unter anderem bei Verbrennungsprozessen entstehenden Dioxine sind hochgiftig, daher ist ihre Freisetzung streng reglementiert. Doch jetzt zeigt eine Studie, dass diese langlebigen organischen Chlorverbindungen aus verbreiteten Chemikalien in der Atmosphäre entstehen können. Durch die Sonnenstrahlung und mit Mineralstaubpartikeln als Katalysatoren entstehen dort aus flüchtigen chlorierten organischen Verbindungen (CVOC) hochtoxische polychlorierte Dibenzo-p-dioxine und Dibenzofurane (PCDD/Fs). Demnach sind die allgegenwärtigen CVOCs gefährlicher als bislang angenommen. Angesichts dieser Ergebnisse muss das Umwelt- und Gesundheitsrisiko durch solche Chemikalien nun neu bewertet werden, fordern die Chemiker.

Für gefährliche Chemikalien gibt es strenge nationale und internationale Regeln, die festlegen, wie diese Substanzen gelagert und entsorgt werden müssen. Die Sicherheitsbestimmungen richten sich vor allem nach den Eigenschaften der Chemikalien: ob sie giftig für Mensch und Umwelt sind und ob sie sich in der Natur oder Lebewesen anreichern. Welche Umwandlungen die Substanzen in der Atmosphäre durchlaufen, wird in den Regularien dagegen kaum oder gar nicht berücksichtigt. Tatsächlich können aber aus vielen Chemikalien durch chemische Reaktionen in der Luft andere Produkte entstehen, die teilweise sogar giftiger und umweltschädlicher sind als die Ausgangssubstanzen.

Chlor-Chemikalien auf dem Prüfstand

Ein Team um Xiaole Weng von der Zhejiang-Universität im chinesischen Hangzhou hat nun eine bestimmte Chemikaliengruppe daraufhin untersucht, wie sie sich in der Atmosphäre verhält: flüchtige chlorierte organische Verbindungen (CVOC) wie Monochlorbenzol, Dichlormethan und Perchlorethylen. Diese Chemikalien sind in Industrie und Landwirtschaft weit verbreitet. CVOCs sind beispielsweise in Farben und Lacken, chemischen Reinigungs- und Beizmitteln enthalten. Über diese Produkte sowie über Müllverbrennungsanlagen und -deponien gelangen diese Verbindungen in die Umwelt und sind nahezu allgegenwärtig. Was mit ihnen dort geschieht und ob sie über natürliche Prozesse in andere Chemikalien umgewandelt werden, ist jedoch bisher kaum erforscht.

Für industrielle Verbrennungsprozesse ist allerdings bekannt, dass aus CVOCs Dioxin-Verbindungen entstehen können. Zum Beispiel können Chlorbenzole unter bestimmten Bedingungen in polychlorierte Dibenzo-p-Dioxine und Dibenzofurane (PCDD/Fs) umgewandelt werden. Viele dieser Stoffe sind hochgiftig – sie schädigen unter anderem Organe, stören das Hormonsystem und sind krebserregend –, wie der skandalöse Unfall in einer Chemie-Fabrik im italienischen Seveso 1976 eindrücklich demonstriert hat. Damals wurde das Dioxin TCDD freigesetzt, das zehntausendmal giftiger ist als Zyankali und die Anwohner vergiftete.

Weng und seine Kollegen haben daher nun überprüft, ob in der Atmosphäre ebenfalls Bedingungen herrschen, die eine solche Reaktion von flüchtigen organischen Chlorverbindungen zu giftigen Dioxinen und Dibenzofuranen ermöglichen. Ihre Vermutung: Als Katalysatoren könnten die Eisen- und Aluminiummineralien in der Atmosphäre dienen, als Energiequelle die Sonnenstrahlung. Diese Hypothese prüften die Forschenden in Laborexperimenten und Feldversuchen mit verschiedenen Mineralpartikeln und ermittelten daraus mögliche Reaktionswege.

Illustration der chemischen Reaktion
Chlorierte organische Stoffe können in der Atmosphäre in Dioxine umgewandelt werden. © Wiley-VCH

Quelle für giftige Dioxinverbindungen

Die Versuche bestätigten die Vermutung: In der Atmosphäre werden CVOCs photochemisch in giftige Dioxinverbindungen umgewandelt. Dabei bilden sich zunächst Phenole, die anschließend chloriert werden. Durch in Staub und Schwebteilchen in der Atmosphäre enthaltene Eisenoxide (α-Fe2O3) als Katalysatoren, aber in geringerem Maß auch durch Aluminiumminerale (γ-Al2O3), entstehen aus CVOCs so vor allem Chlorphenole und Dioxinverbindungen, wie das Team berichtet. Weitere Tests ergaben zudem, dass der mit Dioxinen kontaminierte Eisenoxid-Staub nach einer solchen photochemischen Reaktion schwere Schäden am Lungen- und Hirngewebe von Mäusen verursacht.

Demnach sind die allgegenwärtigen chlorierten organischen Verbindungen eine bislang übersehene Quelle für gefährliche PCDD/Fs-Schadstoffe, schließt das Team um Weng. Sie plädieren angesichts der Ergebnisse dafür, das Gesundheits- und Umweltrisiko durch CVOCs und zahlreiche weitere kommerzielle Chemikalien neu zu bewerten – und dabei dann jeweils auch ihre Umwandlung in der Atmosphäre zu berücksichtigen. Nur durch eine solche umfassende Bewertung könnten die Risiken realistisch beurteilt werden.

Quelle: Gesellschaft Deutscher Chemiker e.V.; Angewandte Chemie, doi: 10.1002/ange.202500854




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