Nachrichten

#Auf dem Bauch liegend beerdigt

„Auf dem Bauch liegend beerdigt“

Eigentlich sollten Bauarbeiten für eine Grundschule und ein Feuerwehrgerätehaus beginnen. Doch dann wurde bei den Arbeiten am Ortsrand von Rockenberg das größte bisher in Hessen bekannte Menschengrab aus der Spätantike gefunden. Es handelt sich dabei um eine so außergewöhnliche Entdeckung, dass sowohl Kreisarchäologe Jörg Lindenthal als auch Bezirksarchäologe Hardy Prison von „sensationellen Funden, die es so kaum noch in Europa gibt“, sprechen.

Seit Mitte April haben sich Archäologen vom hessischen Landesamt für Denkmalpflege in Abstimmung mit der Archäologischen Denkmalpflege des Wetteraukreises mit den geschichtlichen Überresten beschäftigt. Die Experten haben dabei mehr als 330 Gräber aus Brandbestattungen sowie ein Feld mit 71 Körpergräbern gefunden. Auf dem bislang größten Friedhof dieser Art waren lediglich 17 Begräbnisstätten entdeckt worden. Das heißt, das Rockenberger Gräberfeld ist fünfmal so groß wie alles bisher Gefundene.

Wissen war nie wertvoller

Lesen Sie jetzt F+ 30 Tage kostenlos und erhalten Sie Zugriff auf alle Artikel auf FAZ.NET.

JETZT F+ LESEN


Die Gräber stammen aus der ersten Hälfte des 4. Jahrhunderts bis zum 5. Jahrhundert. Die Römer hatten um 260 nach Christus den Limes aufgegeben und sich an die Rheingrenze zurückgezogen, die fränkische Herrschaft hatte noch nicht begonnen. „Diese Zeit ist ein ganz bedeutsamer Teil unserer Geschichte“, so Lindenthal. Aber bisher lag sie eher im Dunkeln, da es nur spärliche Schriftstücke aus dieser Zeit gibt und auch Funde gefehlt haben. Das ist jetzt anders.

Viele herausragende Funde

Die Reste der Brandgräber sind naturgemäß schwer nachweisbar, zumal auch die Grabbeigaben zum größten Teil verbrannt sind. Nur die außergewöhnlich vorteilhafte Lage des Gräberfeldes habe es verhindert, dass nicht noch mehr zerstört wurde. Die Körpergräber seien zum Teil sehr gut erhalten. Hier wurden Überreste von Männern, Frauen und überraschend vielen Kindern gefunden. Silberne Anhänger und ein einfacher silberner Ring, den ein Mann getragen hatte, wurden schon restauriert und den Besuchern am letzten Tag der Ausgrabung präsentiert, ebenso wie kleine Gefäße und größere Krüge. Die besondere Form und die Art der Verzierung der Keramikgefäße weisen dabei auf eine elbgermanische Herkunft der Bestatteten hin. „In der archäologischen Forschung werden sie mit den Alamannen in Verbindung gebracht“, so die Archäologen.

Es gab viele herausragende Funde bei dieser Ausgrabung, doch über das Grab eines Bogenschützen freuten sich die Archäologen besonders. In einer hölzernen Grabkammer mit steinerner Abdeckung, die aus Abbruchsteinen der nahe gelegenen römischen Villa von Oppertshofen bestand, wurde der germanische Krieger aus der ersten Hälfte des 4. Jahrhunderts mitsamt Köcher und Axt zur Ruhe gelegt. Der vermutlich ebenfalls mitgegebene hölzerne Bogen war allerdings nicht mehr erhalten. In einer Tasche, die am Gürtel des Toten befestigt war, trug er persönliche Gegenstände bei sich.

Puzzleteile: restaurierte Keramikgefäße aus der Grabungsstätte in Rockenberg


Puzzleteile: restaurierte Keramikgefäße aus der Grabungsstätte in Rockenberg
:


Bild: Wonge Bergmann

Eine weitere Besonderheit stellt das Grab eines Mannes dar, der auf dem Bauch liegend bestattet wurde. Neben seinem rechten Bein war ein verbogenes und damit unbrauchbar gemachtes Schwert drapiert worden. Die abgehackte Spitze des Schwertes fand sich unter seinem linken Bein. Dass Menschen auf dem Bauch bestattet wurden, kam in ganz Europa zu allen Zeiten vor. „Aber das ist sehr, sehr selten“, so Prison. Über die Gründe könne man nur spekulieren, aber meist werden sie mit der Angst vor Wiedergängern oder besonders schweren Straftaten des Bestatteten in Verbindung gebracht.

„Jetzt müssen wir retten, was zu retten ist“

Den Höhepunkt der Grabungskampagne bildete das reich ausgestattete Grab eines vermutlich Jugendlichen, der unter anderem mit einem bronzenen sogenannten Kolbenhalsring und einer großen, prachtvollen Bügelknopffibel ausgestattet war. Hier konnte zudem ein seltener über dem Grab errichteter hölzerner Bau nachgewiesen werden. Da auch die Knochen vieler Bestatteter noch sehr gut erhalten sind, sollen anthropologische Untersuchungen folgen und unter anderem Auskunft über mögliche Verwandtschaftsverhältnisse geben.

Die starken Regenfälle haben die Ausgrabungen bis in eine Tiefe von 1,70 Meter zu einer schlammigen Angelegenheit gemacht. Entsprechend waren auch die Gräber zum Teil sehr feucht. „Jetzt müssen wir retten, was zu retten ist“, sagt Prison.

Das Grabungsteam sicherte abschließend eine mit Beschlägen verzierte Holzkiste, etwa 70 mal 50 Zentimeter groß. Am Ort selbst werden die Funde nicht einzeln begutachtet. Sie kommen jeweils „in einem Block“ ins Landesamt für Denkmalpflege und werden dort aufgearbeitet. Aber Jörg Lindenthal ist schon jetzt überzeugt: „Das hier ist ein ganz wichtiger Puzzlestein der hessischen oder gar der deutschen Geschichte.“

Wenn Ihnen der Artikel gefallen hat, vergessen Sie nicht, ihn mit Ihren Freunden zu teilen. Folgen Sie uns auch in Google News, klicken Sie auf den Stern und wählen Sie uns aus Ihren Favoriten aus.

Wenn Sie an Foren interessiert sind, können Sie Forum.BuradaBiliyorum.Com besuchen.

Wenn Sie weitere Nachrichten lesen möchten, können Sie unsere Nachrichten kategorie besuchen.

Quelle

Ähnliche Artikel

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Schaltfläche "Zurück zum Anfang"
Schließen

Please allow ads on our site

Please consider supporting us by disabling your ad blocker!