Wissenschaft

#Babys imitieren, weil sie imitiert werden

Kleine Kinder lernen, indem sie andere nachahmen. Doch auch die Fähigkeit zur Imitation ist nicht angeboren, sondern muss erlernt werden. Eine Studie zeigt nun, dass dabei die Interaktion mit den Eltern eine wichtige Rolle spielt. Je mehr Mütter die Gesten und Laute ihres Babys aufgreifen und nachmachen, desto besser lernt das Kind, seinerseits durch Imitation zu lernen. Es kann dadurch im Alter von 18 Monaten andere besser nachahmen als Kinder mit weniger Erfahrungen dieser Art. Soziale Interaktionen sind somit von klein auf ein Schlüsselfaktor für kulturelles Lernen.

Wir Menschen gelten als eine der sozial am weitesten entwickelten Spezies der Welt. Doch wie entstehen unsere einzigartigen sozial-kognitiven Fähigkeiten? Ein zentraler Grundstein dafür ist Forschenden zufolge die Nachahmung: Indem wir das Verhalten anderer kopieren, erwerben wir neues Wissen und neue Fertigkeiten. Vor allem für Kinder ist dies der wichtigste Weg, zu lernen. Während man lange davon ausging, dass uns die Fähigkeit zur Imitation angeboren ist, haben neuere Studien gezeigt, dass Babys in den ersten Wochen ihres Lebens noch nicht in der Lage sind, die Gesten, Gesichtsausdrücke oder Laute ihres Gegenübers nachzuahmen. Auch die Fähigkeit zur Imitation, die die Grundlage für späteres Lernen bildet, muss also erst erlernt werden.

Mutter-Kind-Interaktionen beobachtet

Wie Babys das Nachmachen lernen, hat nun ein Team um Samuel Essler von der Ludwig-Maximilians-Universität München untersucht. Dazu luden sie 127 Mütter mit ihren Babys über ein Jahr hinweg mehrfach in ihr Labor ein. Zum ersten Mal kamen die Kinder im Alter von sechs Monaten zu Essler und seinem Team. Per Video beobachteten die Forschenden jeweils acht Minuten lang, wie die Mütter mit ihren Kindern spielten – mal mit, mal ohne Spielzeuge. Dabei werteten sie aus, wie oft Mutter und Kind einander jeweils nachahmten und wie feinfühlig die Mutter auf ihr Kind einging.

Weitere Termine fanden im Alter von zehn, 14 und 18 Monaten statt. Neben den Aufgaben zum freien Spielen untersuchten die Forschenden dabei zusätzlich in standardisierten Tests, inwieweit das Kind ein Mitglied des Forschungsteams nachahmen konnte. Klopft es beispielsweise auf eine vor ihm stehende Tasse, wen die Person ihm gegenüber das ebenfalls tut? Versucht es, einen Teddy an einer Schnur tanzen zu lassen, wenn es das zuvor bei einer anderen Person gesehen hat?

Mach mich nach!

Das Ergebnis: Kinder, die selbst von ihren Müttern besonders oft nachgeahmt wurden, waren mit 18 Monaten besser in der Lage, die gezeigten Handlungen zu imitieren. „Die Feinfühligkeit der Mutter gegenüber ihrem sechs Monate alten Baby und die Häufigkeit, mit der sie ihr 14 Monate altes Kind nachahmt, waren positiv mit den Nachahmungsfähigkeiten der Kinder im Alter von 18 Monaten assoziiert“, berichten die Forschenden. Esslers Kollege Markus Paulus fasst zusammen: „Kinder erwerben die Fähigkeit zur Imitation, weil sie selbst von ihren Bezugspersonen imitiert werden.“

Das gegenseitige Nachahmen ist demnach eine grundlegende Form der Kommunikation zwischen Eltern und Kind. Die Eltern gehen auf die Signale ihres Kindes ein, spiegeln sie und verstärken sie dadurch. „Über diese Erfahrungen verbindet sich das, was das Kind fühlt und tut, mit dem, was es sieht. Es bilden sich Assoziationen heraus. Das visuelle Erleben wird mit der eigenen motorischen Handlung verknüpft“, erklärt Paulus. So lernen die Kinder nach und nach, Gesten und Handlungen bewusst einzusetzen, beispielsweise ein Lächeln zu erwidern oder ein Winken mit eigenem Winken zu beantworten. „Kinder sind Imitationswunder. Das Nachahmen ebnet ihnen den Weg zu ihrer weiteren Entwicklung. Mit Imitation beginnt der kulturelle Prozess der Menschwerdung“, sagt Paulus.

Basis kulturellen Lernens

Den Forschenden zufolge zeigt die Studie, was uns Menschen als soziale Wesen ausmacht. „Indem Kinder Teil einer sozialen Interaktionskultur sind, in der sie imitiert werden, lernen sie von anderen zu lernen. Dieses Wechselspiel hat über Generationen und Jahrtausende zur kulturellen Evolution des Menschen geführt“, erläutert Paulus. „Durch soziales Lernen müssen Handlungen oder bestimmte Techniken nicht immer wieder neu erfunden werden, sondern es gibt eine kulturelle Weitergabe von Wissen. Unsere Ergebnisse zeigen, dass die Fähigkeit zur Imitation und damit zum kulturellen Lernen selbst ein Produkt kulturellen Lernens ist, insbesondere der Eltern-Kind-Interaktion.“

Quelle: Samuel Essler (Ludwig-Maximilians-Universität München) et al., Current Biology, doi: 10.1016/j.cub.2023.08.084

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