Bayern und Baden-Württemberg fordern Erweiterung

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Bayern und Baden-Württemberg fordern eine Ausweitung der DNA-Analyse: Es soll künftig möglich werden, bei der Analyse von DNA-Spuren auch die biogeographische Herkunft eines unbekannten Täters zu bestimmen. Das geht aus einem Beschlussvorschlag für die Justizministerkonferenz Anfang Juni im sächsischen Bad Schandau hervor, der der F.A.Z. vorliegt.
Die DNA-Analyse ist vor allem bei Mordermittlungen nicht mehr wegzudenken: Tausende Verbrechen wurden seit Einführung dieser kriminalbiologischen Methode Ende der neunziger Jahre schon aufgeklärt. Man kann inzwischen anhand von DNA-Spuren Täter nicht nur identifizieren, sondern mittels einer Phänotypisierung auch Hinweise auf das wahrscheinliche Aussehen von unbekannten Tätern erhalten. In Deutschland ist es jedoch bislang nur erlaubt, bei schwersten Straftaten die wahrscheinliche Haut-, Haar-, und Augenfarbe sowie das Alter des unbekannten Spurenverursachers zu bestimmen.
Einschätzung der Augen-, Haar- und Hautfarbe
Forensiker und Ermittler fordern seit langem, auch die biogeographische Herkunft aus den DNA-Spuren herauslesen zu können: Denn so kann man Informationen darüber erhalten, aus welchen kontinentalen Regionen ein unbekannter Täter wahrscheinlich stammt. Es geht dabei nicht um Staaten, Ethnien oder Kulturen – die biogeographische Abstammung gibt nur Hinweise darauf, ob eine Person zum Beispiel aus Amerika, Asien, Europa oder Nord- oder Subsahara-Afrika stammt.
Der Nutzen für Ermittlungen sei groß, heißt es. Hat man die biogeographische Herkunft bestimmt, können so auch die Angaben zur wahrscheinlichen Farbe der Augen, Haare und der Haut präzisiert – oder auch relativiert werden. Nach Ansicht von Forensikern sollte daher immer zuerst die biogeographische Abstammung eines unbekannten Spurenlegers bestimmt werden, da anhand dieser Ergebnisse die Erkenntnisse zum Aussehen besser eingeschätzt werden können.
In vielen Ländern schon erlaubt
Den „investigativen Mehrwert“ der biogeographischen Abstammung hatte im September auch die Forensische Genetikerin Katja Anslinger auf einer Tagung hervorgehoben. Anslinger ist Vorsitzende der Spurenkommission innerhalb der Deutschen Gesellschaft für Rechtsmedizin. Die Spurenkommission, in der auch die kriminaltechnischen Institute der Landeskriminalämter und des Bundeskriminalamts vertreten sind, erarbeitet regelmäßig Empfehlungen zu den neuen Erkenntnissen der Forensischen Genetik. Die Bestimmung der biogeographischen Abstammung, so Anslinger auf der Tagung, könne der Polizei „wertvolle Ermittlungsansätze“ liefern und solle auch für deutsche Ermittler nutzbar sein.
In vielen Ländern, zum Beispiel in den Niederlanden, Österreich und der Schweiz, ist dies schon erlaubt. Bayerns Justizminister Georg Eisenreich (CSU) teilte zu dem Antrag der beiden Bundesländer mit, dass es „nicht nachvollziehbar“ sei, „dass wir unseren Ermittlern Instrumente vorenthalten, von denen andere europäische Länder längst Gebrauch machen“. Den Nutzen für die Ermittler hob auch Baden-Württembergs Justizministerin Marion Gentges (CDU) hervor: Die Bestimmung der biogeographischen Herkunft „grenzt den Kreis der Tatverdächtigen ein und entlastet Unbescholtene“.
Prinzip der Entlastung
Die erweiterte DNA-Analyse und somit auch die Bestimmung der biogeographischen Abstammung helfen bei schwersten Verbrechen dabei, Ermittlungen zu fokussieren. Denn je mehr Hinweise man zu einem unbekannten Täter hat, umso genauer kann man zum Beispiel festlegen, welche Männer für eine DNA-Reihenuntersuchung geladen werden. Ermittler weisen darauf hin, dass so nicht nur Kosten gespart werden, sondern auch viele Männer entlastet werden, die eben von Aussehen und Alter her nicht in Frage kommen. Das Prinzip der Entlastung – das heben Ermittler wie Forensiker hervor –, sei ein großer Nutzen der Methode.
So wurde zum Beispiel in den Niederlanden der Mörder eines Mädchens durch die erweiterte DNA-Analyse samt biogeographischer Herkunft überführt – die Methode ist dort seit mehr als zwanzig Jahren erlaubt. Die Untersuchung der DNA-Spuren in dem Mordfall wies auf einen blonden und blauäugigen Mann mit genetischen Wurzeln in Nordwesteuropa – zunächst waren allerdings Bewohner einer Asylunterkunft in der Nähe des Tatortes in den Fokus geraten, die so entlastet wurden. Die Furcht vor einer möglichen Diskriminierung von bestimmten Personengruppen war jedoch einer der wesentlichen Gründe, warum in Deutschland die Bestimmung der biogeographischen Herkunft bislang nicht erlaubt wurde.
Möglichst viele Indizien
Ein möglichst „vollständiges Bild“ vom Täter ermitteln – dabei hilft nach Ansicht von Justizministerin Gentges und Justizminister Eisenreich die Bestimmung der biogeographischen Herkunft. Sie lenke die Ermittlungen noch stärker in Richtung des Täters und „nimmt unbescholtene Bürger“ aus dem Visier der Ermittler, so Gentges. „Vage Sorgen“ im Hinblick auf eine „möglicherweise missbräuchliche Nutzung“ der Methode sind demnach unbegründet – das zeigten die Erfahrungen aus dem europäischen Ausland.
Es gehe eben nicht darum, teilte Eisenreich mit, Personen anhand ihrer Nationalität oder ethnischen Herkunft unter Verdacht zu stellen. Der Kreis möglicher Tatverdächtiger bei schwersten Verbrechen solle „anhand möglichst vieler Indizien“ so weit wie möglich eingegrenzt werden. Deutschland müsse die „neuen technischen Möglichkeiten bei schwersten Verbrechen“ zur Aufklärung nutzen.
Der Antrag von Baden-Württemberg und Bayern zielt nun darauf ab, die DNA-Analyse so zu erweitern, damit Spurenmaterial auch auf das Merkmal der biogeographischen Herkunft des unbekannten Spurenverursachers molekulargenetisch untersucht werden kann. Eisenreich und Gentges fordern daher die Bundesministerin für Justiz und Verbraucherschutz auf, „die rechtlichen Voraussetzungen für den erweiterten Einsatz der DNA-Analyse zu schaffen“.
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