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Befindet sich die Börse schon in einem Bärenmarkt?

Seitdem der amerikanische Präsident Donald Trump präsentiert hat, wie er die ganze Welt mit Zöllen überziehen will, herrscht teilweise Panik an der Börse. Die Aktienkurse sind an mehreren Handelstagen stark gefallen, sogar Profis können sich zunehmend schwer einen Reim darauf machen, welche Strategie hinter den Zollplänen steckt, die Trump inzwischen wiederholt angepasst hat. Die Frage stellt sich: Steckt die Börse infolgessen schon in einem echten Bärenmarkt?

Zur Erinnerug: Der Monat April begann für den deutschen Aktienmarkt denkbar schlecht. Mehr als 14 Prozent verlor der F.A.Z.-Index binnen dreier Handelstage. Und einem Morgen startete der Dax mit einem Abschlag von mehr als zehn Prozent und damit dem höchsten Eröffnungsverlust seiner Geschichte.

Danach erholten sich die Aktienmärkte wieder und auch der Start in die aktuelle Woche verlief hoffnungsvoll. Am Morgen des 7. April jedoch stand der F.A.Z.-Index gegenüber seinem jüngsten Höchststand auf Basis des Schlusskurses, das mit 3215,88 Punkten vom 6. März datiert, um 18,3 Prozent im Minus. Aktuell beträgt das Minus noch elf Prozent – das liegt immer noch im Bereich dessen, was man als Korrektur bezeichnet, aber wieder ein ganzes Stück entfernt vom Bärenmarkt-Territorium, das bei einem Verlust von 20 Prozent beginnt und dem der Index gefährlich nahekam.

Ähnlich sieht es mit Blick auf den marktbreiten amerikanischen S&P-500 aus, der sogar kurzzeitig ins Bären-Revier hineinlugte. Dessen jüngstes Hoch liegt etwas länger zurück, genauer gesagt, war dieses bei 6144,15 Zählern am 19. Februar. Aktuell ist der amerikanische Leitindex mit einem Minus von knapp 13 Prozent gleichfalls wieder ein gutes Stück abgerückt.

Immer noch viel Optimismus

Obwohl sich die Bären also erst einmal verzogen haben, man hört sie immer noch brummen. Schließlich sind die Zölle nur aufgeschoben und in der von Donald Trump angestrebten neuen Weltordnung ist „fairer Handel“, so wie er ihn versteht und den er durch Zölle zu erreichen gedenkt, weiter ganz oben. Insofern steht weiter eine Frage im Raum: Steht ein neuer Bärenmarkt bevor? Historische Entwicklungen verlaufen zwar nicht gleich, sodass Gesetzmäßigkeiten schwer abzuleiten sind, doch gibt es stets Ähnlichkeiten. So beginnen Bärenmärkte oft dann, wenn signifikante negative Veränderungen auf der Welt von Anlegern unterschätzt werden und die Erwartungen an den Aktienmarkt zu hoch sind.

Dabei kommt es nicht auf das absolute Niveau der Erwartungen an, sondern vor allem auf die Größe der Diskrepanz zwischen Erwartung und Realität. Auch wenn mit Blick auf die vergangenen Monate von einer verbalen Aktieneuphorie vielleicht nicht die Rede sein kann, lässt sich doch konstatieren:  Aktien waren seit dem Krisenjahr 2022 enorm gefragt. Der S&P-500-Index stieg gegenüber seinem Tiefstand im Oktober 2022 bis zu seinem Hoch im vergangenen Februar um 70 Prozent. Das war zwar nicht der stärkste Anstieg des Indexes über einen solchen Zeitraum, zu den stärksten fünf Prozent seit 1930 gehört er dennoch.

Schaut man auf so manchen Kommentar zum jüngsten  Kursverfall, kann man  den Eindruck gewinnen, dass weiter viel Optimismus herrscht. Von „unglaublichen Chancen“ war die Rede oder davon, „solche Phasen durchzustehen“, von einer „Aufholjagd europäischer Aktien“ oder dass, „wer jetzt verkaufe, dies in wenigen Monaten bitterlich bereuen“ werde.

Selten Beginn mit einem Knall

Der Punkt ist, dass ein Bärenmarkt selten mit einem  unvermittelten Absturz beginnt. Der Bärenmarkt von 1968 bis 1970 etwa lief schon rund fünf Monate, bevor der S&P-500 an einem Tag mehr als zwei Prozent verlor. Etwas spektakulärer waren die Bärenmärkte von 2000 bis 2002 und von 2009. Hier fielen die Kurse schon vergleichsweise früh an einem Tag um mehr als fünf Prozent. Geht man davon aus, dass wir schon auf dem Weg in einen Bärenmarkt sind, so wären die starken Tagesverluste des F.A.Z.-Index und des S&P-500 im Vergleich dazu später erfolgt.

Im Unterschied zu den anderen acht großen Bärenmärkten des S&P-500 seit 1968 wäre der aktuelle dann recht heftig gestartet. Nur im Bärenmarkt von 2009 war  das Tief der jetzigen Korrekturphase früher erreicht, allerdings nur um einen Tag. In allen anderen Fällen waren die Kurse zu diesem Zeitpunkt nur um fünf bis zehn Prozent gefallen. Das gibt  Anlass zur Hoffnung, denn  die heftigsten Bärenmärkte waren immer auch kürzer. Das ist insofern logisch, als dann die Neubewertung der Aktien schneller verläuft. Das sagt nichts darüber aus, wie tief die Kurse noch fallen können. In drei der großen Bärenmärkte halbierten sich diese, wobei  die Dauer  der Verlustphase mit neun bis 20 Monaten sehr unterschiedlich war.  In vier Fällen betrugen die Kursverluste etwa 25 Prozent und die Dauer zwischen sechs Wochen und 14 Monaten.

Außen vor bleibt dabei der außergewöhnliche Corona-Crash von 2020. Dieser ist insofern ein gutes Beispiel, als hier just das unerwartete Ereignis auf viel Optimismus traf. Er zeigt aber auch, dass jeder Bärenmarkt einen individuellen Kontext hat. Die Bärenmärkte von 2007 bis 2009 werden nicht umsonst als Zeit der „Großen Finanzkrise“ bezeichnet, im Jahr 2000 traf im Wesentlichen Überinvestition auf überzogene Erwartungen hinsichtlich der produktiven oder disruptiven Wirkung des Internets. Dagegen lagen die tieferen Ursachen des Bärenmarkts von 1968 bis 1970 im Erlahmen des Nachkriegswachstums vor dem Hintergrund von Rissen im Regime von Bretton Woods und einer international instabiler gewordenen Lage im Zuge der Dekolonisation.

Zwischen 70ern und Dotcom

Wer nach historischen Parallelen sucht, könnte diese in den Siebzigerjahren finden. Von „70ties light“ spricht etwa Ken Orchard, Chef der Rentenabteilung von T. Rowe Price. Abermals scheint das Ende einer Welthandelsordnung eingeleitet, und mit Konflikten um Gaza, die  Ukraine, aber auch  um Grönland und der Abkehr der USA von früheren Bündnispartnern scheint die internationale Lage ebenso fragil wie die gesellschaftliche Stabilität in vielen Ländern.

Aber auch Erinnerungen an die Dotcom-Krise werden wach. Das Internet hat in den Nullerjahren die Welt verändert und sich positiv auf die Wirtschaft ausgewirkt – aber weder in der  Art und Weise  noch  in der Geschwindigkeit, wie erwartet. Könnte sich dies mit KI wiederholen? Und wenn ja, was bedeutet das? Ist dies der Beginn eines Bärenmarktes mit „Doppel-Wumms“? Nun, man muss nicht immer vom Schlimmsten ausgehen.

Gold und Trendfolger

Die Frage ist vielmehr, was man tut. Zeiten großer Krisen waren die einzigen, in denen amerikanische Staatsanleihen über einen längeren Zeitraum höhere Erträge brachten als amerikanische Aktien. Allein: Das Vertrauen in die USA hat erheblichen Schaden genommen, nicht zuletzt gerade am Anleihenmarkt. Indes sieht es am europäischen Markt anders aus. Das könnte für  eine defensivere Positionierung sprechen und dafür,  am Aktienmarkt Gewinne mitzunehmen oder sich von Verlustbringern zu trennen, bei denen Hopfen und Malz verloren ist.

Gold könnte auch eine Option sein. In den  Bärenmärkten dieses Jahrhunderts lief es regelmäßig deutlich besser als der amerikanische Aktienmarkt. Bitcoin dagegen läuft seit Februar mit dem Aktienmarkt mit. Offenbar ist das Vertrauen in den amerikanischen Dollar noch nicht so weit verloren gegangen. Auch die Beimischung eines trendfolgenden Fonds (Managed Futures) kann eine Option sein; doch  sollte man sich das Produkt vorher genau ansehen.

Das setzt voraus, dass wir uns tatsächlich in einen längerfristigen Bärenmarkt bewegen. Das ist   nicht unwahrscheinlich,  aber auch nicht ausgemacht. Seit 1870 sind Investments in amerikanische Aktien sehr langfristig (das heißt in einem Zeitraum von mehr als 15 Jahren) fast immer erfolgreicher gewesen als in Staatsanleihen.  Bei Zeiträumen von acht Jahren und weniger fuhr man mit Aktien  am Ende deutlich weniger oft gut, nämlich nur in  70 bis 80 Prozent der Fälle.

Je kurzfristiger also der Anlagehorizont, desto größer der Handlungsbedarf. Kann im Zweifel auch die nachfolgende Generation die aktuellen Verluste aussitzen, muss man im Grunde nur überprüfen, ob das Depot so aufgestellt ist, dass die Einzelwerte dies ebenfalls können.

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