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Blackrock-Vize Hildebrand: Trump ist ein „Beschleunigungsagent“

Herr Hildebrand, wie finden Sie Donald Trump als Präsidenten der Vereinigten Staaten ?

Ich würde sagen, er ist ein Beschleunigungsagent.

Wenn man das Bild insgesamt betrachtet, dann sehe ich viele Kräfte, die seit einiger Zeit im Gang sind. Die geopolitische Fragmentierung hat nicht mit Donald Trump begonnen. Die fiskalischen Herausforderungen, die viele Länder haben, die Debatten rund um die nicht immer gerechten Verteilungseffekte der Globalisierung auf verschiedene Segmente der Bevölkerung, das alles ist nicht neu. Diskussionen dazu gehen bis zu 20 Jahre zurück. Es gibt eine grundsätzliche Bereitschaft, die Weltordnung in Frage zu stellen. Das hat sich jetzt noch einmal ganz deutlich manifestiert.

Hat dieses Wort Beschleunigungsagent eine Wertung? Ist das gut oder schlecht?

Das kommt darauf an, aus welchem Winkel man darauf blickt. Ausgehend von Europa ist es sicher sehr unangenehm. Allerdings ist es auch eine riesige Chance, aus diesem Druck heraus jetzt Antworten zu finden, um die Wettbewerbs- und auch Wachstumslücke zu adressieren, die sich seit der Finanzkrise zwischen den USA und Europa gebildet hat. Ich habe neulich von einem ehemaligen Staatschef die Frage gehört, ob Donald Trump vielleicht sogar eines Tages den Karlspreis erhält, der die Verdienste um Europa würdigt. Das ist vielleicht nicht ganz abwegig. Vielleicht braucht es den nun maximalen Druck, damit Europa wieder handlungsfähig wird. Die Zahlen sind doch verheerend. Europa hat seit der Finanzkrise jedes Jahr im Schnitt zwischen 0,5 und 0,7 Prozent Bruttoinlandsprodukt pro Kopf gegenüber den USA verloren. Jedes Jahr. Europa hat einfach zugelassen, dass bei Innovationen, Technologie und bei Finanzierungen diese große Lücke entstanden ist. Der Draghi- und zuvor der Letta-Bericht haben die entstandenen Produktivitäts- und Wachstumslücken schonungslos aufgezeigt. Die medizinische Diagnose ist längst klar. Europa weiß, was zu tun ist. Der von Washington ausgehende massive Druck stärkt jetzt hoffentlich den Willen, die notwendigen Veränderungen umzusetzen.

Sie sind ein ehemaliger Notenbanker, der es gewohnt ist, jedes Wort auf die Goldwaage zu legen. Es geht doch auch um Stil, den Ton, um Diplomatie. Heiligt der Zweck wirklich alle Mittel des Donald Trump?

Das ist aus europäischer Sicht natürlich sehr unangenehm, aber man muss sich mit der Welt arrangieren, wie sie ist.

Empfinden Sie das als unangenehm? Finden Sie Europa zu sensibel?

Jean Monnet hat einmal gesagt, Menschen handeln nur, wenn es eine Notwendigkeit gibt. Und Notwendigkeiten kommen nur dann, wenn es Krisen gibt. Da ist sehr viel dran. Schauen Sie in die Geschichte. Der letzte ganz große Sprung von Europa war 1989 nach dem Kollaps der Sowjetunion. Kohl, Mitterrand und Delors brachten innerhalb von drei Jahren den Maastricht-Vertrag zustande. Dieser Referenzpunkt kann uns auch etwas Mut machen, dass man eben unter diesen extremen Drucksituationen dann auch irgendwann handlungsfähig wird. Wir haben jetzt einen entscheidenden Moment. Das ist der Moment für Europa, jetzt zu handeln.

Aber die Erkenntnis dazu hat man doch tatsächlich schon länger.

Wenn Europa nicht ins Abseits getrieben werden will, dann braucht es in dieser neuen Weltordnung eine neue Eigenständigkeit. Ich habe keine Zweifel, dass sich Europa da bewähren kann.

Das Instrument, das Donald Trump nutzt, ist die Unsicherheit. Das zeigt sich beispielsweise an dem Hin und Her bei den Zöllen. Blackrock hat Investments in der ganzen Welt, das kann Ihnen nicht gefallen.

Wir hatten gerade in London ein Treffen, bei denen unsere Portfoliomanager zusammenkommen. Das ist intern für uns wie ein Mikrokosmos der Finanzmärkte. Dort hat man sehr gespürt, dass der Anker verloren gegangen ist. Sozusagen der Makroanker für die fundamentalen Annahmen, wie die Weltwirtschaft funktioniert. Das generiert natürlich große Unsicherheit. Für uns als Firma ist das Wichtigste, dass wir einfach klar wissen, was wir sind. Wir sagen auch unseren Kunden immer wieder, dass wir von der Philosophie her die gleiche Firma sind wie vor 100 Tagen, wie vor dem 2. April oder auch vor zehn Jahren. Im Zentrum stehen immer die Bedürfnisse unserer Kunden.

Das hört sich gut an, aber die Sie agieren natürlich nicht im luftleeren Raum. Wer hätte sich je vorgestellt, dass der Harvard-Universität Finanzmittel gekürzt werden. Wer hätte sich vorgestellt, dass große amerikanische Anwaltskanzleien sich so an die Kette legen lassen. Wer sagt, dass das gleiche nicht mit Blackrock passiert? Sie sind der größte Vermögensverwalter der Welt. Donald Trump könnte etwas dagegen haben, wenn sie weniger in den USA investieren. Wer gibt Ihnen die Sicherheit, dass das nicht passiert?

Diese Sicherheit kann man nur aus sich heraus schöpfen. Wir sind da, wo wir sind. Wir sind unabhängig und agieren im Interesse unserer Kunden.

Das macht Ihnen keine Sorge?

Sorgen macht mir vieles im Moment. Aber man muss immer wieder auch Mut aus der Klarheit des Geschäftsmodells schöpfen. Da bin ich wieder bei Europa. In Europa liegen derzeit zehn Billionen Euro auf Bankkonten. Wenn es gelingen würde, die Kapitalmarktunion ins Laufen zu bringen, dann generiert das ein riesiges Potenzial.

Jetzt muss es die Kapitalmarktunion wieder richten. Da wird auch seit Jahren drüber geredet und nichts passiert.

Wenn der französische Präsident Macron und der deutsche Bundeskanzler Merz sich hier Schulter an Schulter stellen und das Thema weitertreiben, hat es große Chancen, voranzukommen.

Wir wollen Ihren Optimismus nicht trüben, aber das müsste Europa als Ganzes so sehen. Wenn wir auf die Wahlen in Polen gucken, dann kann man nicht den Eindruck gewinnen, als würde man in Europa mit einer Stimme sprechen.

Deswegen müssen auch die Investitionsprogramme, wie hier in Deutschland, rasch zu Resultaten führen, die die Konjunktur ankurbeln.

Und Ihre Portfolio-Manager ziehen jetzt viel Geld aus den USA ab und investieren kräftig in europäische Werte?

Der amerikanische Markt ist dominant und wird es auch bleiben. Ich bin auch davon überzeugt, dass der Dollar auf absehbare Zeit die Leitwährung bleiben wird. Allerdings erwägen Investoren eine marginale Reallokation aufgrund der momentanen Übergewichtung des Dollars.

Machen Sie sich Gedanken um die amerikanischen Staatsanleihen? Es dürfte das erste Mal sein, dass sich Investoren mit der Frage zu befassen, ob die USA noch „ein sicherer“ Hafen sind.

Wenn man sich die Prämien für Kreditausfallversicherungen ansieht, sind die USA im Moment auf gleichem Niveau wie Griechenland und Portugal. Das ist durchaus besorgniserregend. Fiskalpolitisch sind aber Grenzen gesetzt. Ich denke, das ist auch ein Grund, weshalb der Markt im Moment doch noch, vor allem der Aktienmarkt, relativ optimistisch ist. Wir sind beim S&P 500 knapp unter den historischen Höchstständen.

Blackrock ist der größte Asset Manager der Welt. Ihr Chairman Larry Fink hat eine starke Stimme an den Märkten. Wir wissen von Jamie Dimon, dem Chef von JP Morgan, dass der auch gerne mal zum Telefonhörer greift, um dem US-Präsidenten seine Sicht der Dinge darzulegen. Wie haben wir uns vorzustellen, dass Larry Fink seinen Einfluss geltend macht?

Wir machen das Gleiche, was wir mit jeder Regierung machen. Wenn es Bedarf für unsere Expertise gibt, sind wir jederzeit und überall bei allen Regierungen bereit, mitzuwirken und diese Expertise zu teilen.

Schön gesagt, aber machen Sie das auch ungefragt? Die Zollpolitik hilft ja Unternehmen nicht, in die auch Blackrock investiert.

Was heißt schon ungefragt? Wenn wir einer Regierung Rat geben, tun wir das als Treuhänder unserer Kunden. Denen sind wir verpflichtet.

Diese neue Geopolitik vermasselt Ihnen doch aber auch das Geschäft.

Wir hatten ein sehr gutes Jahr, wir haben auch ein sehr gutes Quartal hinter uns. Die Kunden vertrauen uns weiter. Das ist das Wichtigste. Wir sind diversifiziert und global aufgestellt. Es wird immer Momente geben, in denen irgendwo etwas unruhig ist.

Verlieren Sie Kunden dadurch, dass Sie ein so amerikanisches Unternehmen sind? Überall wird von europäischer Souveränität gesprochen. Das könnte ja nun auch dafür gelten, von einem amerikanischen auf einen europäischen Vermögensverwalter zu wechseln.

Das ist tatsächlich ein Argument, dass europäische Konkurrenten ins Feld führen könnten. Wer global unterwegs sein will, kann sich als Kunde kaum aus den USA verabschieden. Das ist angesichts der Dominanz des amerikanischen Kapitalmarktes gar nicht kurzfristig möglich. Deshalb dürfte es auch im Interesse der Kunden sein, dass sie mit einem globalen Anbieter arbeiten können, der lokal sehr präsent ist.

Lassen Sie uns zu einem Thema kommen, das jahrelang ein großer Trend war: die Nachhaltigkeit. Das Thema können wir für erledigt erklären, oder?

Nein, auf keinen Fall. Unsere nachhaltige Plattform verwaltet mittlerweile über eine Billion Dollar. Als wir uns das 2020 als Ziel gesetzt haben, war das sehr ambitioniert. Es ist keinesfalls so, dass die Nachfrage nach diesen Produkten abgenommen hat. Gerade in den letzten Monaten sehen wir weiteres Wachstum dieser Plattform.

Eine Billion Dollar in dem zwölf Billionen umfassenden Blackrock-Universum ist jetzt aber auch nicht die Welt.

Eine Billion ist viel. Das ist mehr, als viele andere europäische Anbieter insgesamt verwalten. Und die Bereitschaft, diese Produkte unseren Kunden zur Verfügung zu stellen, ist nach wie vor da.

Aber insgesamt ist das Thema auf der Prioritätenliste doch weiter nach unten gerutscht.

Die Welt hat sich mit der Pandemie und dem Krieg in Europa reorientiert und ist heute viel mehr auf Resilienz und Energiesicherheit fokussiert. Gas oder auch die Kernkraft können mittlerweile unter bestimmten Umständen als „Transition Asset“ klassifiziert werden. Es geht um pragmatische Einschätzungen und die Fokussierung auf die Übergangswirkung. Wir beobachten, dass die Nachfrage sehr differenziert ist. In Europa ist die Nachfrage nach nachhaltigen Produkten weiterhin stark, in den USA weniger bis gar nicht.

Das Wort Reorientierung ist hübsch. Wir übersetzen das mal mit „wir nehmen es nicht mehr so genau“.

Nein. Unsere Kunden und auch die Politik haben realisiert, dass dieses Problem nur über die Zeit angegangen werden kann. Hier hat es ein Umdenken gegeben, das mit den Erfahrungen der Pandemie oder auch der Energiekrise zu tun hat.

Wie ist das in Asien? Es hieß ja lange Zeit, dass die Nachhaltigkeit stark durch asiatische Großanleger geprägt ist, die große Unternehmensvermögen erben und anders anlegen wollen, als es ihre Eltern gemacht haben.

Durchaus, aber auch hier haben Pandemie, Krieg und Energiekrise einen großen Einfluss gehabt. In Sachen Rendite ist es komplizierter geworden.

Blackrock ist ja sogar aus der Klimaallianz ausgetreten, warum haben Sie das gemacht? Das hat doch eine Signalwirkung.

Wir sind für unsere Kunden da. Daran hat sich nichts geändert. Wir sind nicht dafür da, um Ideen unabhängig von unseren Kunden voranzutreiben. Bei solchen Initiativen klaffen dann manchmal Lücken zwischen dem, was der Kunde will, und dem, was so eine Gruppierung will. Da stoßen wir auch rechtlich an unsere Grenzen und es wird dann fast philosophisch. Wir können keine Partikularinteressen bedienen.

Sie haben doch aber zu Beginn des Gesprächs gesagt, dass Veränderung Druck braucht. Der Klimawandel bleibt doch, egal wer im Weißen Haus oder auch sonstwo in der Regierung sitzt. Reicht dieser Druck nicht?

Der Druck kommt durch den Klimawandel, aber er muss auch von der Politik und von den Kunden kommen. Wir können Politik nicht substituieren. Das kann nicht die Antwort sein. Als Family Office kann ich machen, was ich will, aber als Vermögensverwalter kann ich keine Eigeninteressen verfolgen. Das ist wirklich der Kern.

Sie haben vor Jahren gesagt, dass die Nachhaltigkeit vielleicht so ein bisschen wie die Wiedergutmachung der Finanzindustrie nach der Finanzkrise ist. Daraus wird ja nun nichts. Gab es doch ein bisschen zu viel Gutmenschentum bei dem Thema?

Damals hätte man anfügen müssen, dass wir das tun, weil die Kunden das von uns verlangen. Das haben wir vielleicht in dieser Zeit zu wenig kommuniziert und möglicherweise den Eindruck erweckt, dass die Finanzindustrie eben doch ein Substitut sein kann für die Politik. Finanzmärkte sind immer nur eine Reflexion der Rahmenbedingungen. Dazu gehören die Politik, Präferenzen der Kunden und auch technologische Möglichkeiten. Das sind die drei Treiber dieser ganzen Nachhaltigkeitsdebatte. Derzeit kann man sicher feststellen, dass die Politik eher andere Prioritäten hat, aber das kann sich auch wieder ändern.

Es hieß einst, dass auch die Nachhaltigkeit einen europäischen Moment haben könnte und Vorreiter für alle anderen sein könnte. Da hat Europa vielleicht aufs falsche Pferd gesetzt.

Das war immer meine Hoffnung. Dazu brauchen wir aber die schon erwähnte Kapitalmarktunion. Die großen Investitionsbedürfnisse in Europa liegen in Verteidigung, Digitalisierung, Infrastruktur und Energiewende. Die nötigen Finanzierungen in diesen Bereichen lassen sich nicht per Bankkredite stemmen.

Es könnte ja helfen, wenn es richtig große europäische Banken geben würde.

Da haben Sie recht. Wichtiger als grenzüberschreitende Banken-Fusionen wäre, den einheitlichen Kapitalmarkt hinzubekommen.

Verstehen Sie diese Diskussion in Deutschland um die Übernahme der Commerzbank durch Unicredit? Alle reden von Europa, aber da ist der europäische Gedanke dann nicht gerne gesehen.

Sie werden verstehen, dass ich mich zu einzelnen Instituten nicht äußern kann. Der europäische Bankenmarkt funktioniert, Bankenkredite sind vorhanden. Es muss einfach vieles finanziert werden, was nicht von den Banken kommen kann. Deswegen brauchen wir prioritär die Kapitalmarktunion.

Ist der Kapitalmarkt vollendet, werden wir uns das nächste Mal treffen?

Die Geschichte von Europa hat mich gelehrt, dass die Dinge Zeit brauchen. Das versuche ich immer wieder unseren amerikanischen Kollegen zu erklären.

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