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#Feuer, Qualm und Asche

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Vor Kurzem betraten zwei Aktivistinnen der Letzten Generation die Hamburger Kunsthalle und versuchten, Caspar David Friedrichs Gemälde „Der Wanderer über dem Nebelmeer“ mit einer liebevoll collagierten Variante des gleichen Bildes zu überkleben. Ihre Variante zeigt kein Nebelmeer über den Wäldern der Sächsischen Schweiz, sondern Rauch und Flammen – eine Anspielung auf die letztjährigen Waldbrände dort. Der Plan, die neue Version auf die Schutzglasscheibe des Gemäldes zu kleben, misslang, die Aktivistinnen legten ihre Version bloß vor das Kunstwerk und überstreuten es mit Asche.

Dabei rief laut der Website der Aktivistinnen eine Teilnehmerin namens „Eika (40, vierfache Mutter): Ihr schaut euch die schönen Landschaften an, während diese vor Euren Augen brennen.“ Der Leiter der Kunsthalle, Alexander Klar, erklärte, dass er mit dem Ziel der Aktivistinnen sympathisiere, außerdem sei er vorgewarnt gewesen. Er konnte deshalb vorsorglich die Restauratoren in Alarmbereitschaft versetzen, so wie man bei Volksfesten für alle Fälle ein paar Krankenwagen bereitstellt. Dem Bild sei aber nichts passiert.

Die Möglichkeit, zum Ziel eines solchen Auftritts zu werden, gehört mittlerweile zum Museumsalltag. Neu war hier die Form. Bisher hatten die Aktivisten wie abstrakte Klima-Expressionisten vor allem Flüssigkeiten auf die Werke geschleudert: In Wien klatschte Öl auf die Scheibe vor einem Gustav Klimt, in Potsdam Kartoffelbrei auf das Schutzglas eines Monet, in Rom Erbensuppe auf die Scheibe vor einem Van Gogh, in London war es Tomatensuppe – immer blieben die Gemälde unbeschädigt, manchmal erinnerten die Aktionen an die Auftritte der Wiener Aktionisten, und vielleicht werden einige Museen die Klimaperformances und -bilder bald als Ausdruck ihrer Epoche ankaufen und so endgültig in den Kunstkontext einspeisen. Jetzt sind die Aktivisten von rabiatem, klimapolitisch motiviertem Action Painting mit Flüssigspeisen auf klassische Motivverfremdungen umgestiegen. Friedrichs Bild ist eines der meistzitierten Werke des 19. Jahrhunderts. Vik Muniz etwa schuf 1999 eine ebenso apokalyptische Asche-Version mit dem Titel „Wanderer above The Sea of Ashes“.

Die Gesellschaft hängt am Rauch

Interessant ist die neueste Qualm-Variante, weil sie einen Umbruch markiert. Wenn vor dem 19. Jahrhundert Rauch in Gemälden gezeigt wurde, war der Anlass eher bedrohlich (Vulkanausbruch, Neros brennendes Rom). In der Malerei des 19. Jahrhunderts wird Rauch dann zum positiven Symbol, zum Zeichen von Wohlstand und Wohlbefinden. Die Dampflok in Turners berühmtem Gemälde stößt nicht nur Dampf, sondern Rauch aus, Robert Friedrich Stieler feiert in seinen Werken die Fabrikschlote von Ludwigshafen; Manet malt den Dichter Mallarmé, Edward Munch sich selbst mit qualmender Zigarette: Wenn es gut ist, muss es qualmen. Noch heute empfinden amerikanische Rednecks die lauten Verbrennermotoren und die Abgase ihrer Trucks als großes Glück; sie dieseln beim Ritual des „Rolling Coal“ ihre Umgebung aus Spaß ein und halten den Kopf vor die Auspuffrohre, bis er schwarz ist.

Große Teile der Gesellschaft hängen am Rauch und wollen sich Kamine, Silvesterraketen, Verbrennungsmotoren und Zigaretten nicht verbieten lassen, und es ist noch nicht erkennbar, durch welche Ästhetik der CO2-Neutralität sich die Bilder vom kollektiven Glück vor rauchenden Wärme- und Energiequellen ersetzen lassen könnten: das kalte Leuchten der iPhones? Die Elektroglätte von Teslas?

Gleichzeitig kippt die Ikonographie des Rauchs zurück. In der aktuellen Bildproduktion bedeutet Qualm wieder wie früher Apokalypse. Interessant ist, dass sich auch die Ikonographie des Lichts wandelt, wie die Ausstellung „Sunset: Ein Hoch auf die sinkende Sonne“ in der Kunsthalle Bremen noch bis zum 2. April unter anderem mit großartigen Arbeiten von Fiete Stolte zeigt. Versprach die moderne Architektur vor allem „Licht, Luft und Sonne“, lassen die gnadenlos überhitzten Städte der Klimawandelzeit Feuchtigkeit und Schatten in einem neuen Licht erscheinen. Man kann gespannt sein, welche Bilder und Bauten die globale Erwärmung hervorbringen wird.

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