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Buchclub: ‚Für Polina‘

Zwischen Klang und Schweigen: Die poetische Suche nach einer verlorenen Liebe in „Für Polina“.

Kristof Magnussons Roman „Für Polina“ ist eine zarte, musikalische Erzählung über das Erwachsenwerden, das Verlorengehen und die Macht der Erinnerung. Im Zentrum steht Hannes Prager – ein hochbegabter, stiller Junge, dessen Lebensmelodie früh erklingt und ebenso früh verstummt, nur um Jahre später als bittersüßer Nachhall wieder aufzutauchen.

Hannes wächst in einer verwunschenen, halb verfallenen Villa mitten im Moor auf – einem Ort, der so entrückt wirkt, dass man ihn fast für eine Metapher halten möchte. Seine Familie ist ungewöhnlich: Die Mutter – selbstbewusst, eigenwillig, nicht immer verlässlich. Der Vater? Abwesend. Stattdessen gibt es einen Vaterersatz – eine kauzige Figur, die mehr wie ein skurriler Freund erscheint als wie ein tatsächliches Elternteil. Und dann ist da Polina – das Mädchen, das im selben Haus lebt, das Hannes begleitet, herausfordert, bezaubert.

Schon als Kind besitzt Hannes ein besonderes Talent: Er hört Musik in den Menschen. Ohne eine einzige Note zu Papier zu bringen, erschafft er ganze Kompositionen – aus Stimmungen, Blicken, Gesten. Für Polina, seine erste und tiefste Liebe, komponiert er eine Melodie, die ihre ganze Sehnsucht in sich trägt. Es ist ein stummes Liebesgeständnis – und zugleich ein Klang, der sein ganzes Leben überspannen wird.

Doch als Hannes vierzehn ist, muss er die Villa im Moor verlassen – aus Gründen, die lange im Dunkeln bleiben. Mit dem Abschied von Polina verliert er nicht nur seine große Liebe, sondern auch sich selbst. Er hört auf zu komponieren, hört auf zu spielen. Stattdessen trägt er, Jahre später in Hamburg, als Möbelpacker Klaviere durch enge Altbauflure – ein bitterer, fast ironischer Wink des Schicksals. Die Musik, einst Ausdruck seiner Seele, wird zum stummen Gewicht.

Doch etwas in Hannes bleibt wach – eine Leere, die schreit, eine Erinnerung, die nicht verstummen will. Der Streit, der ihn und Polina trennte, nagt an ihm. Und schließlich beginnt er wieder zu spielen. Nicht aus Ehrgeiz, nicht für ein Publikum – sondern um sie zu finden. Um mit Tönen zu sagen, was Worte nie konnten. Denn die Melodie, die er einst für sie schrieb, ist der einzige Weg, sie zu erreichen.

Magnusson erzählt Hannes’ Geschichte in einer ruhigen, melancholischen Tonart. Die Sprache ist poetisch, fast musikalisch – und doch nie kitschig. Der Roman vermeidet große Gesten und bleibt nah an seiner Hauptfigur, deren Innenwelt leise, aber eindringlich geschildert wird. Dabei gelingt es Magnusson, Musik als Gefühlssprache begreifbar zu machen – als etwas, das Menschen verbindet, tröstet, und vielleicht sogar heilt.

„Für Polina“ ist ein Roman über das, was uns prägt – Kindheit, Liebe, Verlust – und über den langen, oft schmerzhaften Weg zurück zu sich selbst. Es geht um verpasste Chancen, um Entscheidungen, die Jahre später noch nachhallen, und um den Mut, sich dem eigenen Schmerz zu stellen. Vor allem aber ist es eine Geschichte über das Erinnern – und über die Kraft der Musik, Dinge hörbar zu machen, die anders nicht gesagt werden können. Wer dieses Buch liest, wird es nicht mit einem Paukenschlag beenden, sondern mit einem leisen, anhaltenden Ton im Herzen – so wie Hannes’ Melodie für Polina: still, aber unvergesslich.

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