#US-Vorwahlen in Michigan: Bidens vergällter Sieg
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Joe Biden hat die demokratische Vorwahl in Michigan wie erwartet gewonnen. Doch das Ergebnis zeigt, wie gefährlich dem US-Präsidenten seine Haltung zum Gazakrieg im Wahljahr werden könnte.
Wie die Vorwahlen in Michigan ausgehen würden, daran gab es schon vor dem Wahltag keinen Zweifel. Die Demokraten haben nur einen ernstzunehmenden Bewerber um die Präsidentschaftskandidatur: Joe Biden. Bei den Republikanern wiederum liegt Donald Trump weit vor seiner letzten verbliebenen Mitbewerberin Nikki Haley. Und doch war der Bundesstaat im Mittleren Westen am Dienstag für beide Männer ein wichtiger Testlauf.
Für Biden war der Sieg schon vergällt, da war noch nicht einmal ein Fünftel der Stimmen ausgezählt. Es ging für den Präsidenten in Michigan weniger um die Zahl derer, die für ihn stimmen, als um die Zahl derjenigen, die als Protestwähler „uncommited“ ankreuzen, „nicht festgelegt“. Denn die Vorwahl war schon vorab zu einem Votum über Bidens Außenpolitik geworden. Wie sehr würden die Wähler in dem Swing State – unter ihnen die größte arabischstämmige Gemeinschaft in den Vereinigten Staaten – Biden für seine Haltung im Gazakrieg abstrafen? Die Antwort ist ein erheblicher Dämpfer für Bidens Ambitionen, eine weitere Amtszeit Präsident zu bleiben.
Sie rufen „Genocide Joe“
Schon bei rund 37 Prozent der ausgezählten Stimmen hatten am Abend gut 46.000 Wähler das Kreuz bei „nicht festgelegt“ gemacht. Das ließ nichts Gutes ahnen. Über Monate hatten mehrere Kampagnen in Michigan dazu aufgerufen, Bidens Wahl wegen dessen Israelpolitik zu boykottieren. Im Februar schlugen Anführer der arabisch-amerikanischen Gemeinschaft Einladungen aus, Biden auf seiner Wahlkampftour zu treffen. Im ganzen Land stören Demonstranten dieser Tage Veranstaltungen Bidens mit Zwischenrufen wie „Genocide Joe“ oder der Forderung nach einem sofortigen Waffenstillstand.
Als Ziel hatten die Protestgruppen aus Michigan 10.000 nicht festgelegte Stimmen ausgerufen – nicht besonders ambitioniert, bedenkt man, dass in den vergangenen drei demokratischen Vorwahlen in Michigan auch so im Durchschnitt 20.500 Wähler „unentschieden“ stimmten. Doch über diesen Marker war Biden am Dienstagabend früh hinaus. Ein klares Zeichen dafür, dass die Wut der Menschen in Michigan erst der Anfang sein könnte.
Die Debatte über die amerikanische Haltung im Gazakrieg wird längst nicht nur in der arabischstämmigen Gemeinschaft in den Vereinigten Staaten geführt. Sie betrifft auch vor allem Schwarze und junge Wähler. Blieben entscheidende Teile dieser Kernwählergruppen für die Präsidentenwahl am 5. November zu Hause, könnte das Biden den Wiedereinzug ins Weiße Haus kosten.
Vereinzelte Mahnungen reichen nicht
Bidens Wahlkampfteam bemühte sich in der Öffentlichkeit bislang, die Proteste als Zeichen einer aktiven Demokratie darzustellen. Doch hinter vorgehaltener Hand gibt man in Washington längst zu, dass Gaza zu einer echten Gefahr für den Präsidenten geworden ist. Hinzu kommt, dass eine Annäherung schwer möglich scheint. Bidens Kritiker fordern einen sofortigen und dauerhaften Waffenstillstand. Die vereinzelten Mahnungen an Israel, im Zuge der Angriffe verhältnismäßig zu bleiben, reichen ihnen nicht.
Der Präsident wiederum äußerte am Montag gerade, man nähere sich einem weiteren zeitlich begrenzten Waffenstillstand. Dass Biden seine wiederholt bekräftigte Unterstützung für Israel aufgibt, ist kaum denkbar. Selbst wenn ihn das die Unterstützung traditionell demokratisch wählender Bevölkerungsgruppen kostet. 2020 hatte Biden die Vorwahl im Swing-State Michigan mit nur 154.000 Stimmen Vorsprung gegen Trump gewonnen. Hoffnung für Michigan dürfte machen, dass Biden unter anderem die Unterstützung der mächtigen Autogewerkschaft UAW und damit die Stimmen einiger Arbeiter sicher hat.
Trump nennt Haley einen „Witz“
Für Trump war der Sieg in Michigan am Dienstag ungetrübter als für Biden. Es war der sechste in sechs republikanischen Vorwahlen. Bei einem Drittel der ausgezählten Stimmen blieb seine Herausforderin Haley sogar unter der 30-Prozent-Marke. Doch es wurmt Trump, dass er die Bühne noch immer mit seiner Mitbewerberin teilen muss. Kurz vor der Abstimmung nannte er seine frühere UN-Botschafterin denn auch einen „Witz“.
Haley nutzt ihre erwarteten Niederlagen immer wieder dafür, Trumps größte Schwäche aufzuzeigen: die Wählbarkeit abseits der republikanischen Hardcore-Basis. Am vergangenen Wochenende stand sie nach ihrer 60-zu-40-Prozent-Niederlage in South Carolina auf der Bühne und sagte, sie sei die Stimme für „eine große Zahl“ Amerikaner, die Trump nicht als Präsidentschaftskandidaten wollten. Bisher hat Haley zugesagt, mindestens bis zum Super Tuesday am 5. März im Rennen zu bleiben. Dann finden Vorwahlen in 15 amerikanischen Bundesstaaten statt.
Bis dahin sind ihre Bemerkungen für Trump eine Erinnerung daran, dass er in der Präsidentenwahl für einen Sieg nicht mehr nur bei republikanischen Kernwählern, sondern auch bei Moderaten und Wechselwählern punkten muss. Am Dienstagabend setzte Haleys Wahlkampfteam denn auch noch einmal nach: Trumps in Michigan verlorene Stimmen seien „ein leuchtendes Warnsignal“ für November.
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