Christian Dürr zum neuen Parteichef gewählt

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Der neue FDP-Chef Christian Dürr kam mit Verspätung ins Amt. Stundenlang hatte der Parteitag zuvor diskutiert. Allerdings nicht miteinander, sondern hintereinander: Ein Redner nach dem anderen trat ans Saalmikrofon, um seine Sicht auf die FDP zu schildern. Zu zerstritten, zu unnahbar, zu links, zu verwechselbar – die Analysen gingen in alle Richtungen. Und Dürr? Er sprach knapp fünfzig Minuten, erkennbar mit der Absicht, alle zusammenzuführen. Am Ende bekam er 82 Prozent der Stimmen. Ohne Gegenkandidaten. Ein eher ehrliches als begeistertes Ergebnis. Christian Lindner war 2013 mit 79 Prozent zum Parteichef gewählt worden, allerdings hatte er damals zwei Gegenkandidaten.
Dürr ist Christian Lindners Wunschnachfolger. Er schaffte es mit Hilfe der Landesvorsitzenden, sich als Mann des kleinsten gemeinsamen Nenners zu positionieren. Einer, an dem niemand Anstoß nimmt. Und mit seiner Absicht, zusammenzuführen, begann der Niedersachse am frühen Freitagabend auch seine Bewerbungsrede. Die gegenwärtige Lage in Deutschland sei zwar nicht mit Weimar zu vergleichen; doch es gebe Parallelen. Und wenn es eine Lehre aus jener Zeit gebe, dann die, dass das liberale Lager sich nicht spalten lassen dürfe. Spannungen innerhalb des liberalen Ideenspektrums seien eine Stärke, keine Schwäche.
Kritik an der CDU
Dürr betonte, der Parteitag müsse das Signal ins Land schicken, dass mit der FDP zu rechnen sei. Und dass sie Mut zu Entscheidungen habe. Allerdings war das auch schon im Wahlkampf das Ziel der FDP gewesen. Dürrs Rede selbst erinnerte in weiten Teilen an Wahlkampfreden: Er teilte gegen den politischen Gegner aus – jetzt aber nicht mehr gegen die Grünen, sondern gegen die CDU. Thema Staatsschulden: Die „180-Grad-Wende der Union“ richte nicht nur in der Sache, sondern auch in der Demokratie Schaden an: „Das kostet doch Vertrauen in Demokratie.“ Thema Strompreise: „Die richtige Energiepolitik muss her, und nicht niedrige Preise, finanziert durch die Steuerzahler.“ Thema Staatsquote: CDU-Bundeskanzler Helmut Kohl habe mal gesagt, ab 50 Prozent Staatsquote beginne der Sozialismus. Wenn man die CDU daran messe, „ist Friedrich Merz der erste sozialistische Bundeskanzler Deutschlands“.
Zur Frage, was die FDP zuletzt falsch gemacht haben könnte, sagte Dürr kaum etwas. Nur soviel: Die Freien Demokraten müssten sich hinterfragen. Dann aber ging der frühere Fraktionsvorsitzende der FDP im Bundestag in die Offensive. Er schlage vor, ein neues Grundsatzprogramm zu erarbeiten. Alle 70.000 Mitglieder sollten mitmachen. Als Arbeitstitel schwebe ihm vor: „Freiheit konkret“. Jeder Bürger müsse verstehen, was konkret die FDP für ihn verbessern wollte. Aber nicht nur inhaltlich, auch organisatorisch solle die Partei die modernste Deutschlands werden.
„When life gives you lemons, make lemonade“
Auffällig war, worauf Dürr kaum oder gar nicht einging. Etwa auf die dreieinhalb Jahre in der Regierungskoalition, auf das, was an diesem Freitag zuvor mehrere Liberale am Saalmikrophon angesprochen hatten: die Frage, warum die FDP sich mit dem Regieren im Bund schwer tut. Auch zu sich selbst, seinem Weg in die Partei, seinen Vorbildern und Prägungen sagte Dürr nichts. Womöglich, um nicht den Eindruck zu erwecken, er nehme sich zu wichtig. Das Gegenteil wollte er ausdrücken: Dürr betont mehrfach, er habe anderen Rednern an diesem Tag „genau zugehört“.
Dürr schloss optimistisch. Er griff den Slogan auf, der im Saal in riesiger Schrift in den Saal hineinleuchtete: „When life gives you lemons, make lemonade.“ Die FDP habe „Zitronen geliefert bekommen“, rief Dürr. Er wolle, dass die Partei daraus Tausende Liter beste Limonade mache.
Auch die Wahl von Dürrs Stellvertretern zeigte die Verunsicherung der Partei. Sie traten jeweils ohne Gegenkandidaten in aufeinander folgenden Wahlgängen an. Der 73 Jahre alte Wolfgang Kubicki, der auch mal damit kokettiert hatte, als neuer Parteichef anzutreten, wurde mit nur 69 Prozent als Vize wiedergewählt. Fast ein Drittel der Delegierten stimmte gegen ihn. Deutlich besser schnitt die 35 Jahre alte Europapolitikerin Svenja Hahn ab; sie bekam 76 Prozent der abgegebenen Stimmen. Der dritte im Bunde, Henning Höne, erhielt ebenfalls 76 Prozent. Der 38-Jährige ist Landes- und Fraktionschef der FDP in Nordrhein-Westfalen.
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