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Seinen Partnerinnen gab er Sicherheit

Der beliebte, der berühmte Ray Barra ist gestorben. 95 Jahre alt wurde der athletisch aussehende klassische Tänzer, Ballettmeister, Assistent, Ballettdirektor und Choreograph. Er hatte breite Schultern, im wörtlichen wie im übertragenen Sinne. Seine Partnerinnen konnten sich einhundertprozentig darauf verlassen, dass er sie halten, sie auch durch die schwierigsten Passagen eines Pas de deux gut und sicher hindurchführen würde: „Lass mich das machen“, sagte er zu der ganz jungen Birgit Keil, deutsch für „Don’t worry, be happy dancing“.

Amerikaner mit spanischen Wurzeln, hatte es ihn 1959 auf dem Höhepunkt seines Könnens ausgerechnet an ein deutsches Staatstheater der Nachkriegszeit verschlagen, wo er für den in Litauen geborenen Nicholas Beriosov tanzte, den liebenswürdigen Ballettdirektor Stuttgarts und Vater der sagenhaften Ballerina Svetlana Beriosova. Barra gehörte also zu jenen, die bereits da waren, als John Cranko 1960 erstmals das Haus betrat, um die Endproben seines Balletts „Der Pagodenprinz“ zu leiten. Der Intendant des Hauses, Walter Erich Schäfer, war gesegnet, in welchem Ausmaß war ihm vielleicht nicht ganz klar. Man pflegte eine gewisse Arroganz gegenüber dem Ballett, bewusst oder unbewusst. Über die erste Cranko-Premiere krittelte Schäfer, die Choreographie sei nicht ökonomisch, was aus dem Mund eines schwäbischen Intendanten ja noch mal witziger klingt. Es sei zu viel in dem Ballett. Ja, aber haben wollte er Cranko natürlich trotzdem sofort. Barra war ein weit gereister und kultivierter Mann, er hatte für das San Francisco Ballet getanzt und für das American Ballet Theatre. Und nur weil diese Company das Pech hatte, dass auf einer Europatournee der Lastwagen mit allem Gepäck und allen Kostümen ausbrannte und sie ein Jahr nicht arbeiten konnten, landete Barra in Stuttgart.

Nach dem Riss der Achillessehne wurde er Ballettmeister

Jemand hatte ihm berichtet, in Deutschland würden Tänzer das ganze Jahr durchbezahlt. Da stand er also im Ballettsaal und musterte den hereinkommenden Cranko: „Komisch angezogen, gestreift und kariert zugleich, zwei unterschiedliche Socken an, Schuhe mit dicken Kreppsohlen“. Cranko, auch das schreibt sein Biograph Ashley Killar, habe in dem Moment nur Augen für den gut aussehenden und entspannten Barra gehabt, seinen engen Verbündeten der ersten Monate und verlässlichen Protagonisten der nächsten Jahre. Barra selbst sagte, er sei nicht wegen seiner Technik prädestiniert gewesen für Hauptrollen, sondern wegen seiner Begabung als Partner von Marcia Haydée, Birgit Keil und anderen, denen er Sicherheit schenkte, und weil er so ein guter Schauspieler war. Barras Untertreibung, in Wahrheit wurde er Crankos erster Romeo und sein erster Onegin, sein Siegfried, sein Pepe in Las Hermanas.

Barra mit seinen am Kopf liegenden Locken hatte das Haupt einer römischen Kaiserstatue, doch um das zu sehen, muss man seine Bescheidenheit und sein breites Lächeln beiseiteschieben, was schwerfällt. Raymond Martin Barallobre Ramirez, wie der 1930 in San Francisco geborene Barra mit vollem Namen hieß, half gern. Nachdem ein Riss der Achillessehne den Sechsunddreißigjährigen von einem Tag auf den anderen von der Bühne holte, wurde er Ballettmeister. So an der Deutschen Oper Berlin, deren Ballett er dann von 1994 bis 1997 leitete, und bei John Neumeier in Frankfurt und Hamburg. Er inszenierte zahlreiche Klassiker, etwa beim Bayerischen Staatsballett. 2007 schuf er eine großartige „Carmen“ in Karlsruhe, auf Einladung seiner ehemaligen Stuttgarter Kollegin, der Ballettdirektorin Birgit Keil. Barra hatte Marbella als seinen Alterssitz gewählt. Dort ist er jetzt am 26. März gestorben.

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