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#Coronafrei im ewigen Eis

Coronafrei im ewigen Eis

Über das Ekström-Schelfeis an der dem Atlantik zugewandten Kante der Antarktis hat sich die Dämmerung gelegt. Am 27. Januar konnte die Besatzung der deutschen Antarktisstation „Neumayer III“ zum ersten Mal seit Mitte November wieder die Sonne unter dem eisigen Horizont versinken sehen. Der Sonnenuntergang ereignete sich allerdings erst um 00:30 Uhr, der Sonnenaufgang war dann 32 Minuten später. Das konnte man noch abwarten und dabei sein Weißbier austrinken. Die Bar des großzügigen Gemeinschaftsraumes der Station hat große Fenster nach Südosten.

Ulf von Rauchhaupt

Ulf von Rauchhaupt

Verantwortlich für das Ressort „Wissenschaft“ der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung.

So gut haben es die deutschen Südpolarfahrer noch nicht sehr lange. Bis 2009 bewohnten sie auf „Neumayer II“ noch Container in unterirdischen Blechröhren, zu denen man jedes Jahr tiefer unter die wachsende Schneedecke hinabstieg. Neumayer III dagegen, eine der modernsten Polarforschungsstationen überhaupt, steht wie ein gelandetes Raumschiff auf Stelzen, mit denen sie in jedem Sommer um die Dicke des Neuschnees angehoben werden kann. Mit 4900 umbauten Quadratmetern bietet die Station ihren bis zu 42 Bewohnern, die sich im Sommer dort aufhalten, viel Bewegungsfreiheit.

Homeoffice zu zehnt

Von März bis Oktober reduziert sich die Besatzung auf das neunköpfige Überwinterer-Team. Im kommenden Winter allerdings sind es zehn: Eine amerikanische Botanikerin bleibt ebenfalls, um das experimentelle Gewächshaus „Eden ISS“ zu betreuen. Zur Erforschung der Gemüseversorgung künftiger Marsfahrer wachsen dort Nutzpflanzen in den Wintermonaten unter künstlicher Beleuchtung heran. Denn zwischen dem 21. Mai und dem 22. Juli geht die Sonne überhaupt nicht mehr auf. Trotzdem – und trotz Außentemperaturen von minus vierzig Grad und darunter – ist der winterliche Aufenthalt auf Neumayer III zumindest von der leiblichen Seite durchaus auszuhalten. Einer der neun Überwinterer ist immer ein professioneller Koch.

Die Anreise ist seit 2002 schon komfortabel. Statt monatelanger Schiffspassagen wie zu Zeiten Robert Falcon Scotts fliegt man normalerweise nach Kapstadt, drei Tage später zur russischen Antarktis-Station Novolazarevskaya und von dort aus mit kleinen Propellermaschinen zur deutschen Station. Das heißt, bis 2020 war das so. Dann zwang die Corona-Pandemie das Alfred-Wegener-Institut, das Neumayer III betreibt, zu einer aufwendigen Planänderung: Um ein Einschleppen des Virus auf die Station zu verhindern, wurde die aktuelle Sommerbesatzung sowie die neuen Überwinterer von Bremerhaven aus mit dem Forschungsschiff Polarstern ohne Umsteigen an ihren Arbeitsplatz gebracht – nicht ohne zuvor in Quarantäne gesteckt zu werden.

Anreise auf einem sterilisiertem Schiff

„Wir haben als anreisendes Team aus Technikern, Forschern und Überwinterern bereits ab Anfang Dezember in einer häuslichen Quarantäne gelebt“, berichtet Peter Jonczyk per E-Mail aus der Antarktis. Der 57 Jahre alte Unfallchirurg ist im kommenden Winter der Stationsarzt auf Neumayer III und damit auch der Leiter des Überwinterer-Teams. „Unsere entfernt lebenden Familien durften wir zuletzt Ende November besuchen. Vom 12. bis 20. Dezember lebten wir zusammen mit der kompletten Besatzung der Polarstern in einem eigens dafür angemieteten Hotel und durften die Zimmer niemals verlassen.

Das Essen wurde vor die Tür gestellt, und wir durften erst zehn Sekunden nach dem Klopfen öffnen.“ Nach zwanzig Tagen Isolation und den ersten beiden negativen PCR-Tests sei die Crew dann am 20. Dezember FFP2-Masken-bewehrt und in einem Isola­tionsbus zur komplett sterilisierten Polarstern gefahren worden, erzählt Jonczyk. Die Proben eines dritten PCR-Tests seien dann unterwegs von den Kanaren nach Deutschland geflogen worden. Am 19. Januar traf die neue Stationsbesatzung dann an der acht Kilometer von Neumayer III entfernten Schelfeiskante ein – sehnsüchtig erwartet von ihren Vorgängern, die sonst bereits im November frisches Obst aus Kapstadt bekommen. Doch das war diesmal ebenso ausgefallen wie Besuche von Polarforschern anderer Nationen, etwa der Crew der benachbarten süd­afrikanischen Station.

„Das würde das Corona-Konzept zerschlagen“, sagt Jonczyk. „Die chilenische Station auf der westlichen Halbinsel wurde vor wenigen Wochen von Corona-Fällen überrascht. Bis dahin war die Antarktis der letzte Kontinent ohne bekannte Corona-Fälle.“ Obgleich der Stationsarzt unter anderem ein PCR-Gerät und für alle Fälle zusätzliche Vorräte an Sauerstoff und Medikamenten zur Behandlung typischer Symptome mitbekommen hat, ist inzwischen ziemlich sicher, dass Neumayer III coronafrei geblieben ist. „Wir durften während der Reise schrittweise die üblichen Corona-Regeln lockern. Zum Ende der Überfahrt erlebten wir einen Zustand ,anno 2019‘ mit aufgehobenen Abstandsregeln, Umarmungen und komplett maskenfrei“, freut sich Jonczyk. Und nun genießen er und seine Kollegen als wahrscheinlich so ziemlich Einzige im deutschen Jurisdiktionsbereich den Luxus eines von keinen Pandemiekonzepten beschwerten Arbeitsalltags.

Jonczyk ist zuversichtlich, dass die gute Stimmung anhält, auch nachdem am 20. März alle außer den Überwinterern die Station verlassen haben. Über die Freizeitgestaltung hat sich der Arzt auch Gedanken gemacht, nicht nur über die eigene – Jonczyk hat seine Jonglierutensilien und sogar sein Fahrrad mitgenommen. Auch als Gruppe wolle man etwas unternehmen. Statt einer eigenen Zeitung, wie sie die Mannschaft  Robert Scott währende seiner zwei Antaktisexpeditionen 1901–04 und 1910–13 produzierten, bietet sich heute etwa ein Beitrag zum „Antarctic Film Festival“ an, dem allwinterlichen Kurzfilm-Wettbewerb der Stationen auf der Antarktis und auf den umliegenden Inseln. „Daran“, sagt Jonczyk, „möchten wir natürlich gerne teilnehmen.“

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