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#Wie geht es für die afghanischen Ortskräfte weiter?

Wie geht es für die afghanischen Ortskräfte weiter?

Es war nur eine Schlagzeile von vielen. „Tote an deutsch-afghanischem Kontrollpunkt“, stand über einer Meldung in der F.A.Z. vom 30. August 2008. Wichtiger war: Obama wurde gerade nominiert, die Commerzbank schluckte die Dresdner Bank. Der Krieg in Afghanistan kam weiter unten. Die Politiker in Berlin sprachen nicht gern davon, von „Krieg“ sowieso nicht.

Livia Gerster

Redakteurin in der Politik der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung.

Für Masoud, der damals für die Bundeswehr übersetzte, war es natürlich „Krieg“. Wie sonst sollte er es nennen? Die Geschichte von jenem Tag im Krieg erzählt er mit gedämpfter Stimme in sein Handy, denn er versteckt sich in Kabul vor den Taliban.

Es ging schon katastrophal los, damals, vor genau 13 Jahren in Kundus. Ein Sprengsatz der Taliban riss einen deutschen Hauptfeldwebel in den Tod, die Soldaten waren in Alarmstimmung. Als der Himmel längst schwarz war, näherten sich zwei Autos dem Checkpoint, fuhren geradewegs auf die Soldaten zu. Die gaben Warnschüsse ab, feuerten leuchtende Munition in die Luft. Der Wagen hielt nicht. Da zielte der junge Deutsche neben Masoud. Er traf eine Frau und zwei Kinder, Hochzeitsgäste in einem Taxi, alle tot.

Zwanzig Kilo wog die Schutzweste, noch mehr die Verantwortung

Nach dem Schock kam die Wut, und weil Masoud der Einzige weit und breit war, der die wütenden Worte übersetzen konnte, adressierten alle ihn: die afghanischen Ausbildungssoldaten, die Überlebenden aus dem Minibus, die Leute aus dem Dorf. Masoud erinnert sich an das Gewicht auf seinen Schultern: Zwanzig Kilo wog die Schutzweste, noch mehr die Verantwortung. „Ein falsches Wort, und es hätte noch mehr Tote gegeben“, sagt Masoud.

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Der deutsche Schütze hinter ihm weinte, der junge Taxifahrer weinte, und Masoud stand zwischen ihnen, mit der deutschen Fahne auf dem Oberarm, und sagte viele Worte auf Deutsch und auf Dari, die niemanden trösten konnten, aber wenigstens das Schlimmste verhinderten.

„Auch im größten Stress war er immer ruhig, höflich, zuvorkommend“, sagt Stabsfeldwebel Holger Steinert, der früher in Afghanistan viel mit Masoud zusammengearbeitet hat. Er war nicht dabei, als die Kinder durch deutsche Schüsse starben, aber Masoud war im deutschen Feldlager so etwas wie Steinerts rechte Hand, kümmerte sich um Lohnzettel und Dienstpläne. „Der war hier bekannt wie ein bunter Hund“, sagt Steinert lachend. „Auf den konnte ich mich hundert Prozent verlassen.“

Obwohl es gefährlich ist, schleppt Masoud die laminierten Fotos und Urkunden weiter mit sich herum, die ihm die Deutschen einst überreicht haben. „Danke für die hervorragende Zusammenarbeit“, hatten sie über ein Bild geschrieben, auf dem sie und Masoud unter ihren Helmen in die Kamera grinsen, aus einem Hubschrauber. Masoud will die Bilder nicht zurücklassen. Sie sind wie ein Versprechen für ihn. Wem die Deutschen „Dank und Anerkennung“ aussprechen, so denkt er, den überlassen sie doch nicht dem Tod.

Jeden Tag sah er hinauf zu den Stiefeln der deutschen Soldaten

Doch die Soldaten, die bis zum Donnerstag am Flughafen von Kabul standen, haben die Urkunden nicht interessiert. Noch am Tag der Explosion stand Masoud vor ihnen. Er hatte per Whatsapp ein Bild von sich im Abwasserkanal geschickt, die Brühe hüfthoch, genau dort, wo später die Leichen liegen würden.

Wie jeden Tag watete er mit seiner Frau und den kleinen Kindern durch den stinkenden Kanal vor dem Abbey Gate. Wie jeden Tag trug er die Pässe und seine Bundeswehr-Verträge in einer Klarsichthülle unter dem Arm. Wie jeden Tag sah er hinauf zu den Stiefeln der deutschen Soldaten auf der Mauer, winkte mit seiner Mappe, vergeblich.

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