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#Vor dem Bug liegt der Traum

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Vor dem Bug liegt der Traum

Möchte Henri Pettersson zu Hause auch mal aufrecht stehen, öffnet er die Dachluke und streckt seinen Kopf raus. Dann sieht er das Wasser der Kieler Förde, neben sich ein paar Boote, die an manchen Tagen im Wind schaukeln, an anderen friedlich daliegen. Sein eigenes Boot, die Spaekke, ist gerade so hoch, dass er mit leicht gesenktem Kopf darin stehen kann. Spaekke 1,75 Meter, Pettersson knapp über 1,80. Man könne sich das so vorstellen, sagt er: Wenn er beim Kochen an der Herdplatte stehe, umrühre und den Blick dabei direkt in den Nudeltopf richte, merke er gar nicht, dass die Decke so tief ist. Weil sich der gekrümmte Rücken dann ganz natürlich anfühle. Na ja, in vielen anderen Momenten nicht.

Pettersson ist 23 Jahre alt und hat den Großteil seines Lebens in einem Radius von rund zehn Kilometern verbracht: Er ist in Hamburg geboren und zur Schule gegangen, hat dort nach dem Abi seine Ausbildung gemacht und zuletzt in einer WG gewohnt. Sein Zimmer bis vor einem Jahr: 16 Quadratmeter. Heute sind es ungefähr sieben. Doch was heißt das schon im Vergleich zu einer Zeit, in der ihm die eigene Welt zwar nicht unbedingt grenzenlos vorkam, er aber zumindest die Absicht hatte, sie schon bald gehörig zu weiten?

Was junge Menschen verbindet

Als Pettersson im Februar auf einer Bank nahe des Hamburger Hafens sitzt, ist es kalt; aber er, pragmatisch im Parka, etwas verschlafen und mit strubbeligem blondem Haar, hat an heißen Kaffee gedacht. Er nimmt den Thermobecher aus seinem Rucksack und erzählt, wie es dazu kam, dass er im vergangenen Jahr in sein Boot gezogen ist und sich damit seinen großen Traum erfüllt hat. Wobei, nicht ganz: Denn eigentlich wollte Pettersson ja auch ablegen.

Mit der Spaekke wollte er durch Europas Häfen schippern, möglichst bis ans Mittelmeer. Davon hatte er jahrelang geträumt: „Unabhängig sein, alles an Bord haben, was man braucht, und immer aufbrechen können, wenn man es möchte.“ Doch gerade, als alles fertig war – seine Ausbildung zum Bootsbauer, die Spaekke, er selbst – machten die Häfen zu. Große Containerschiffe sollten liegen bleiben, Seemänner monatelang fern der Heimat ausharren. Sein WG-Zimmer hatte Pettersson schon gekündigt. Also zog er trotzdem aufs Boot. Und weil Kiel als einzige Küstenstadt einen Bachelor in Industriedesign anbot, suchte er sich dort einen Liegeplatz. Er fand, das Studium passte zu ihm, obwohl er sich eher für den praktischen Typ hält, lieber Handwerk als Theorie.

So wohnt der junge Kapitän.


So wohnt der junge Kapitän.
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Bild: privat

Als es so kalt wird, dass auch Kaffee nicht mehr hilft, geht man ein paar Schritte Richtung Hafen. Pettersson entdeckt ein gewaltiges Gerüst, bleibt stehen, guckt sich das an. Ob er wisse, woran man dort arbeite? Schon fängt er an, so detailliert über Schiffsbau zu sprechen, dass es hier nur schwer wiederzugeben wäre. Doch so hatte er sich sein Studium vorgestellt, sich mit anderen „schlaue Gedanken über Gestaltung machen“. Stattdessen: Stille, wenn die Dozentin eine Runde dunkler Zoom-Rechtecke um ihre Meinung bittet.

Als man Pettersson fragt, ob man seine Geschichte aufschreiben dürfe, sagt er ja – aber was sage sie schon aus? Er sei kein Influencer, er wolle keine Botschaft verbreiten. Es ist nur so: Sobald man mit Pettersson spricht und sieht, wie er wohnt, wie er lebt, wovon er träumt, kommt man nicht umhin zu denken, dass er auf seiner Spaekke genau das verkörpert, was junge Menschen gerade überall auf der Welt verbindet: ein Leben auf Stand-by. Das Warten darauf, dass sich Pläne irgendwann fortsetzen lassen werden. Dass Grenzen wieder öffnen. Oder Universitäten. Dass Stellen ausgeschrieben werden und Ausbildungen beginnen. Nur während für viele andere die Träume von einst und die Zukunft, die sie vor der Pandemie entwarfen, in weite Ferne gerückt sind, liegen sie bei Pettersson direkt vor dem Bug.

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