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#Das hat nicht mal Trump hingekriegt

Das hat nicht mal Trump hingekriegt

Die Situation in Kabul war von Anfang an ein sicherheitspolitischer Albtraum. Tausende afghanische Schutzsuchende vor den Toren des Flug­hafengeländes der Hauptstadt, draußen die Taliban, drinnen die amerikanischen Soldaten und ihre Verbündeten. Faktisch war (und ist) Washington darauf angewiesen, dass die neuen Machthaber in Kabul die eigenen Leute vor den Terroristen des „Islamischen Staates“ schützen. Einmal abgesehen von der bitteren Ironie dieser Konstellation: Die modernsten Streitkräfte der Welt mussten sich auf die Arbeit der Taliban an den Kontrollposten verlassen. An Informationen über einen bevorstehenden Anschlag hat es nicht gemangelt. Doch war man den Terroristen in diesem asymmetrischen Krieg geradezu ausgeliefert.

Ganz gleich, wie man zu der Frage steht, ob der amerikanische Rückzug vom Hindukusch nach zwanzig Jahren grundsätzlich richtig ist oder nicht – dieser Abzug ist eine Katastrophe für Amerika. Präsident Joe Biden hat nicht nur den Taliban die Gelegenheit gegeben, den Westen zu demütigen. ­Er hat mit seiner unverantwort­lichen Augen-zu-und-durch-Operation auch die eigenen Soldaten, amerikanische Zivilisten und afghanische Schutzsuchende großer Gefahr ausgesetzt.

Zwar mag es sein, dass es keine Depesche aus Kabul gab, in der es ausdrücklich hieß, die afghanischen Regierungstruppen würden sich kampflos ergeben, der Präsident die Flucht aus seinem Palast in Kabul ergreifen und die Hauptstadt binnen weniger Tage fallen. Der wahre Zustand der vom Westen ausgebildeten und ausgerüsteten Soldaten war für den Oberbefehlshaber aber kein Geheimnis. Die Nachrichtendienste, die in Wa­shington in einem ersten Impuls als die Schuldigen ausgemacht worden waren, haben dafür gesorgt, dass ihre Warnungen bekannt wurden. Und bekannt ist auch, dass das Pentagon dem Präsidenten schon im Frühjahr nahegelegt hatte, nicht alle Truppen abzuziehen, um Stabilität zu wahren.

Der amerikanische Präsident Joe Biden am 26. August in Washington


Der amerikanische Präsident Joe Biden am 26. August in Washington
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Bild: AFP

Biden ist aus seiner eigenen Partei empfohlen worden, das Debakel – wie einst John F. Kennedy nach der gescheiterten Invasion in der Schweinebucht vor Kuba – auf seine Kappe zu nehmen. Der Präsident suchte indes die Schuld bei anderen, zunächst in Afghanistan, jetzt im eigenen Militär. Nach dem tödlichen Anschlag von Kabul sagte der Oberbefehlshaber, der stets davon spricht, er trage die letzte Verantwortung, seine Generäle hätten ihm gesagt, man benötige den Luftwaffenstützpunkt Bagram nicht für einen sicheren Abzug aus Kabul. Man darf einen solchen Kommentar als Illoyalität bezeichnen.

Die Bilder von Kabul geben dem IS Auftrieb

Bidens erste große außenpolitische Entscheidung hat zu einem Desaster geführt. Der Präsident wollte sich nicht reinreden lassen. Womöglich fühlte er sich an Barack Obama erinnert, der auch aus Afghanistan herauswollte und doch von den Militärs zum Bleiben überredet wurde. Der endlose Krieg ging weiter – mit all seinen Kosten, zu denen Biden auch die Wahl 2016 zählt. Die Präsidentschaft Donald Trumps bestärkte den Internationalisten darin, sich zunächst und vor allem um das „Homeland“ kümmern zu müssen. Die Biden-Doktrin, alle Außen- und Sicherheitspolitik danach auszurichten, was der amerikanischen Mittelschicht dient, beschädigt aber nicht nur die Supermacht Amerika. Sie dient letztlich auch nicht dem Heimatschutz. Die Bilder von Kabul geben dem IS und anderen islamistischen Terrororganisationen wieder Auftrieb.

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Für den Präsidenten und die Demokraten ist das Debakel, das noch nicht zu Ende ist, auch deshalb so gefährlich, weil es wichtiges Vertrauen auf einem wahlentscheidenden Feld kostet. Biden wurde nicht aus programmatischen Gründen gewählt, sondern weil die Mitte Amerikas, Zentristen und Unabhängige, das Chaos und die Unberechenbarkeit Trumps leid waren – und auch dessen Rhetorik, die den Militärs stets kalten Schweiß auf die Stirn trieb. Biden wurde in diesen Kreisen vielfach als geringeres Übel aufgefasst – als einer, der bei all seinen Schwächen sein Ego im Griff hat und seine Profis machen lässt. Dieses Image hat er nun zerstört. Man muss es deutlich sagen: Eine solche internationale Krise hat nicht einmal Trump hinbekommen. Zwar ließ er sich auf den allermeisten Feldern nicht zähmen. In der Sicherheitspolitik aber konnten die außenpolitischen Falken der Repu­blikaner zumeist das Allerschlimmste verhindern.

Die Aufarbeitung des Debakels wird für die Republikaner das Gegenprogramm zum Untersuchungsausschuss nach der Erstürmung des Kapitols am 6. Januar werden. Biden befindet sich in einer schweren Krise, die seine gesamte Präsidentschaft belasten wird. Er wollte am 11. September die Rückkehr der Söhne und Töchter Amerikas feiern. Nun befürchten seine Militärs, dass an jenem Tag die Taliban in der amerikanischen Botschaft in Kabul jubeln werden.

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