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#„Das hier ist jetzt meine Front“

„„Das hier ist jetzt meine Front““

Dana Diadiushenko ringt nach Worten. Auf die Frage, was ihr seit der Ankunft in Deutschland die größten Schwierigkeiten bereitet hat, antwortet sie nicht etwa, es sei der Umgang mit den Behörden gewesen, die Suche nach einer Unterkunft, die deutsche Sprache oder die Zusammenarbeit mit dem neuen Team in der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft EY. Für all das hat sie Unterstützung bekommen und nur überschwängliches Lob übrig. Gerade das ist es aber auch, was in diesem Moment die Augen der schmalen Einundzwanzigjährigen feucht werden lässt. „Ich habe hier einen interessanten Job, die Kollegen helfen mir, wo es geht, ich habe eine Wohnung, mir geht es gut, aber wenn ich abends nach Hause komme und die Nachrichten höre und sehe, was in der Ukraine passiert, dann kann ich das kaum aushalten.“ Sie lebe sozusagen zwei Leben, und das sei manchmal schwer zu ertragen.

Diadiushenko war kurz nach Ausbruch des Krieges aus Kiew geflüchtet, wo sie in der dortigen EY-Niederlassung mit rund 700 Kollegen gearbeitet hat. Nach einem mühsamen Weg, der schließlich in eine Flüchtlingseinrichtung in Deutschland führte, erfuhr sie erst von der Möglichkeit, direkt bei einer deutschen Niederlassung ihres Arbeitgebers arbeiten zu können. So kam sie nach Eschborn. Trotz ihrer jungen Jahre hat sie schon einen Bachelor in „Economics and Entrepreneurship“ der Universität Kiew, seit anderthalb Jahren ist sie bei der Beratungsgesellschaft tätig, wie sie in fließendem Englisch berichtet.

Buddy-Programm hilft beim Einleben

Auch Katherina Kiriei hat ihre Heimat kurz nach Kriegsbeginn verlassen. Sie aber nutzte gleich das Programm von EY, das den ukrainischen Mitarbeitern die Möglichkeit bietet, sich an andere Standorte des weltweit tätigen Unternehmens vermitteln zu lassen. Elfriede Eckl, die Regionalleiterin von EY für Frankfurt und Eschborn, berichtet, viele Mitarbeiterinnen wä­ren von Kiew nach Warschau gewechselt, die Männer aber, die das Land nicht verlassen könnten, arbeiteten von dort aus im Rahmen ihrer Möglichkeiten. Jedenfalls behielten sie ihre Jobs und würden weiter bezahlt. Die Kollegen, die in der Ukraine geblieben sind, durch ihre Arbeit in Deutschland zu unterstützen, das ist für die 31 Jahre alte Kiriei eine wichtige Motivation. „Es hilft mir, wenn ich mich frage, welches Recht ich habe, dass es mir so gut- geht, während meine Familie unter Hunger leidet.“ Darum spende sie auch, so viel sie könne, und beteilige sich an Aktionen, um Hilfspakete zu packen und zu verschicken. Auch EY hat, wie Eckl berichtet, schon mehrere Transporte mit Medikamenten und anderen Hilfsgütern auf den Weg gebracht.

Die neuen Kolleginnen aus der Ukraine – deutschlandweit sind es inzwischen mehr als 60 – werden bei der Beratungsgesellschaft durch ein sogenanntes Buddy-Programm unterstützt, bei dem sie bei allen möglichen Fragen zu Umzug, Wohnungssuche, Sprachkursen und Anmeldungen Hilfe durch Kollegen oder spezielle Abteilungen erhalten. Immer wieder heben Kiriei und Diadiushenko hervor, wie beeindruckt sie nicht nur von der Unterstützung des Unternehmens, sondern auch von Warmherzigkeit und Hilfsbereitschaft sind.

Nicht als „hilfsbedürftig“ gelten

Wie ihre jüngere Kollegin berichtet sie von der vielfältigen Hilfe der Kollegen. Sie hätten ihr nicht nur Kleidung und sogar Möbel zur Verfügung gestellt, sondern seien auch gleich mit einer Gruppe angerückt, als sie Hilfe beim Anstreichen ihres Zimmers benötigte. Dabei will sie eigentlich nicht als „hilfsbedürftiger Flüchtling“ gesehen werden, sondern „einen guten Job machen“. Denn sie sieht in ihrer Arbeit für die Beratungsgesellschaft auch einen Beitrag dazu, die Ukraine ökonomisch zu unterstützen und nach dem Krieg darauf wieder aufbauen zu können.

Dass die Ukrainerinnen so schnell in Projektteams integriert werden könnten, liege auch daran, dass die Corona-Regeln gelockert seien und man sich wieder mehr im Büro treffen könne, sagt Clemens Weigel, der sich um die Neuankömmlinge kümmert. Eckl ergänzt, es werde bei EY ohnehin hauptsächlich in Englisch kommuniziert, was die beiden Ukrainerinnen bestens beherrschten.

2015 angekommen und heimisch geworden

Wie die Integration klappen kann, das beweist auch die Geschichte von Irina Rdko. Sie zog 2011 mit ihrer Familie aus dem Osten der Ukraine Richtung Westen. „Ich hätte niemals gedacht, dass ich einmal in Deutschland lande“, berichtet sie. Zunächst hatte sie an die USA oder an Australien gedacht, das war ihr dann aber doch zu weit weg.

So kam sie 2015 nach Frankfurt. „Ich hatte schon für deutsche Kunden gearbeitet, aber die deutsche Sprache habe ich doch etwas unterschätzt“, sagt sie. Inzwischen spricht sie nicht nur die Sprache perfekt, sondern hat auch das deutsche Examen zum Wirtschaftsprüfer absolviert. „Es war schwer ohne ein deutsches Studium, aber es ist machbar.“ Für Rdko ist dies auch einer der Gründe, warum sie in Deutschland bleiben will.

Diadiushenko will vorläufig nicht über die Zukunft nachdenken: „Im Moment habe ich keine Pläne oder Träume.“ Katharina Kiriei richtet sich darauf ein, länger zu bleiben und von hier aus ihre Familie zu unterstützen: „Es wird wohl ein langwieriger Krieg, und das hier ist jetzt die Front, an der ich für mein Land kämpfe.“

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