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Das Videospiel „Assassin’s Creed Shadows“ versetzt die Spieler ins japanische Feudalzeitalter.

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Freunde japanischer (Pop-)Kultur haben es nicht immer leicht. Immer wieder muss man gegen die Klischees der großen Anime-Augen, mystifizierten Samurais und Schulmädchenzeichnungen, deren Alter man bestenfalls erraten kann, ankämpfen. Wobei die westliche Popkultur alles andere als unschuldig ist, lädt sie doch diese Klischees mit ihren eigenen Vorstellungen auf. Besonders das Bild des mittelalterlichen Japan liegt inzwischen fernab jeglicher historischer Realität, auch wenn Serien wie „Shōgun“ versuchen, das wieder geradezurücken.

Auch das Videospiel „Assassin’s Creed Shadows“ strebt eine Rückbesinnung an. Es ist einer der größten Titel des Jahres. Die Erwartungen waren groß. Trotzdem – oder gerade deswegen – wagt das Spiel nichts Neues, setzt nur auf Altbekanntes. Es bringt seine Spieler ins 16. Jahrhundert. Portugiesische Schiffe haben die japanischen Häfen erreicht, das Land selbst ist zerrissen von innenpolitischen Machtkämpfen. Und mittendrin stehen die Charaktere Yasuke und Naoe, deren Wege sich im Spiel erst nach mehreren Stunden kreuzen. Die formelhafte Geschichte beginnt mit der Assassinin Naoe, deren Heimatdorf zerstört und deren Vater ermordet wurde. Sie sinnt auf das, was zu oft mit Samurais und Schwertkampf assoziiert wird: Rache. Ihr gegenüber steht Yasuke, der in der fernöstlichen Landschaft gewaltig auffällt: Er ist ein schwarzer, beinahe überlebensgroßer Samurai.

Das erste Mal im fernen Osten

Anders als Spieler annehmen, die in ­Yasuke bereits vor Veröffentlichung des Spiels die Auswirkungen einer „woken“ Agenda sehen wollten, handelt es sich bei diesem um eine historische Figur. Durch die Jesuiten-Mission gelangte er nach Japan. Er wurde unter dem Kriegsherrn Oda Nobunaga, der auch im Spiel auftaucht, ­offiziell der erste ausländische Samurai.

„Shadows“ wird nicht nur wegen Yasuke kritisiert, japanische Spieler bemängeln historische Inkorrektheiten und rügen, dass man schintoistische Tempel zerstören kann. Das Entwicklerstudio Ubisoft weist etwas widersprüchlich auf eine „respektvolle Repräsentation des feudalen Japans“ und darauf hin, dass es sich um eine „historische Fiktion“ handele. Immerhin bekommt man – als westlich sozialisierter Spieler – in Teilen authentische, wenn auch oft bemühte Eindrücke dieser Zeit, wenn man traditionellen Teezeremonien beiwohnt und sich in Hintergrundinformationen zum damaligen Leben verliert.

Es ist das erste Mal, dass sich die „Assassin’s Creed“-Reihe an ein Setting im Fernen Osten wagt. Ubisoft begründete seine Spielreihe um einen Assassinen-Orden 2007 inmitten der Kreuzzüge, ging über in die italienische Renaissance, streifte die Amerikanische, Französische und Industrielle Revolution, wie auch das Piraten- und Wikingerzeitalter, das alte Ägypten und Griechenland. Obwohl Fans Japan über viele Jahre als Setting forderten, hielten sich die Entwickler fern. Das lag auch, wie Game-Director Charles Benoit auf Anfrage mitteilt, an dem immensen Lernprozess: „Das Lernen über diesen Teil der Welt, seine Geschichte, Charaktere und Kultur braucht Zeit und führt auch zu Änderungen an unseren Spielsystemen und den Aktivitäten in der Welt“, sagt Benoit. Der Prozess sei besonders für Japan schwierig gewesen, „denn es ist eine komplizierte Kultur, über die man viel lernen muss, damit man sie richtig zum Leben erwecken kann“.

DSGVO Platzhalter

Dabei ist das historische Japan als Kulisse längst kein Geheimtipp mehr, sondern wird von der Gaming-Industrie seit den 90er-Jahren geradezu auf touristische Weise behandelt. Populäre wie vergessene Spielreihen, darunter „Onimusha“, „Shinobido“, „Way of the Samurai“ und „Tenchu“, haben sich das Setting zu eigen gemacht. In jüngerer Vergangenheit waren es Spiele wie „Sekiro: Shadows Die ­Twice“, „Rise of the Ronin“ und „Ghost of Tsushima“ (F.A.Z. vom 17. Juli 2020), die sich mit teils fabulierten Freiheiten das Katana umschnallten. „Shadows“ gesellt sich also zur japanischen Party – da können die Reisfelder und Kirschblütenbäume mit ihren dynamischen Jahreszeitenwechseln noch so überwältigend aussehen.

Auch spielmechanisch findet „Shadows“ keine eigene Identität. Es sucht sie in blutigen Kämpfen gegen gepanzerte Generäle, in Höhlenerkundungen, dem monotonen Erklimmen von Wachtürmen und dem Ausbau des Unterschlupfs. Doch all solche Mätzchen sind schon vor rund einem Jahrzehnt zum Standard geworden. Gleiches gilt für die repetitiven Aufgaben, die man an jeder Ecke der Spielwelt findet: Schriftrollen suchen, Auftragsmorde ausführen oder markierte Kletterpfade meistern. Dieses uninspirierte Füllmaterial bläht das Spiel auf. Auch das Schleich-System, bei dem man Lampen löschen kann, damit einem die Dunkelheit Schutz gewährt, fällt selten ins Gewicht. Schlimmer noch: Das Klettern, einst eine Urmechanik der Reihe, gerät zur anspruchslosen Aufgabe, bei welcher der Spieler nur einen Knopf gedrückt halten muss. Wie anspruchsvoll man das Hinauf- und Herabhangeln inszenieren kann, haben Spielperlen wie „Jusant“ und „Lorn’s Lure“ (F.A.Z. vom 31. Oktober 2024) demons­triert.

Zwar sorgen die unterschiedlichen Spielstile der Figuren – Naoe als schleichende, flinke Meuchlerin; Yasuke als brachiale Ein-Mann-Armee – für Abwechslung, doch in dieser routiniert auf Fernostexotik bauenden Welt vergeht auch diese schnell. Den besonderen Pfiff such man bei „Shadows“ vergeblich. Das Spiel, dessen Produktion zwischen 250 und 350 Millionen Dollar verschlungen haben soll, möchte fast schon verzweifelt seine eigene Handschrift entwickeln – und kann doch nur das Bestehende imitieren.

Bleibt ein interessanter Nebenaspekt – der spirituelle Konflikt innerhalb der Welt: Wenn auf einem Marktplatz zwischen Stoff- und Fischhandel ein Priester mit Bibel und Gebetskette predigt, deutet das Spiel an, wie das Christentum in die japanische Gesellschaft Einzug hält. Spätestens wenn man sich zu Höchstpreisen christliche Reliquien für seinen Unterschlupf kaufen kann, ist die Missionierung erfolgreich. An der Konfliktlinie zwischen Christentum und japanischer Spiritualität findet „Shadows“ zu so etwas wie Originalität. Ob das reicht, den Erfolg der Reihe und den Erfolg des Studios zu sichern, mag man bezweifeln.

Assassin’s Creed Shadows ist für den Windows PC, Playstation 5, Xbox und Mac OS zu haben und kostet etwa 70 Euro.

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