#Das zweite Ich
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„Das zweite Ich“
Größer könnte die Katastrophe kaum sein: Kai Korthals (Lars Eidinger), ein Serienmörder, mit dem der Kieler Kommissar Klaus Borowski (Axel Milberg) schon zweimal zu tun hatte, bricht während einer Theaterprobe aus der forensischen Klinik aus und ist zunächst spurlos verschwunden. Dann wird die skalpierte Leiche einer jungen Frau entdeckt, bald darauf ein in einem Autowrack zerquetschter Nachtwächter, beides offensichtlich Opfer des Psychopathen. Als aber Borowskis Kollegin Mila Sahin (Almila Bagriacik) die Aufzeichnungen von Korthals’ Therapiesitzungen in der Klinik ansieht, versteht sie noch weniger, warum der Kommissar so gelassen bleibt. Denn der Mörder, befragt nach seinen Freunden, behauptet, nur einen einzigen zu haben: Klaus Borowski. Den er dann auch für die Psychologin so perfekt imitiert, wie man es nur kann, wenn man die Vorlage dazu äußerst gut beobachtet hat.
Kräftemessen zwischen Mörder und Kommissar
„Borowski und der gute Mensch“ erzählt eine Geschichte weiter, die der Drehbuchautor Sascha Arango 2012 mit „Borowski und der stille Gast“ begonnen und drei Jahre später mit „Borowski und die Rückkehr des stillen Gastes“ fortgesetzt hatte. In beiden Filmen hatte Korthals Frauen aus Borowskis engstem Umkreis sadistisch gequält, eine von ihnen, seine Verlobte Frieda Jung, zog sich danach von dem Kommissar zurück – ihr gemaltes Porträt hängt immer noch in seiner Wohnung.
Dass es auch im aktuellen Film vor allem um ein Kräftemessen und mehr zwischen Korthals und Borowski geht, erschließt sich rasch. Der Mörder hat dem Kommissar offenbar Briefe aus der Anstalt geschrieben, die Borowski nicht einmal öffnete (während umgekehrt der Psychopath niemals einer derjenigen Frauen antwortete, die ihm schrieben und Avancen machten). Sie duzen und belauern einander, und als der Mörder in die Wohnung des Kommissars einbricht, zieht er sich einen von dessen Anzügen an – später wird Borowski, um das Schlimmste zu verhindern, zornig „nicht in meinem Büro“ rufen, was wie der verzweifelte Versuch klingt, seinem „Lebensdieb“ Korthals gegenüber die Kontrolle zurückzugewinnen und wieder Herr im eigenen Haus zu sein.
Natürlich ist das keine sehr neue Konstellation. Sie trüge auch keinen ganzen Film, selbst wenn Milberg und Eidinger sie manchmal derart mit Leben füllen, dass einem der Atem stockt – Milbergs Borowski mit seiner ausgestellten Ruhe, hinter der es brodelt, und Eidingers Korthals mit seiner jederzeit zwischen äußerster Brutalität und liebevoller Hilfsbereitschaft zum Umschlagen bereiten Gemütslage. Gerade weil beide so sehr aufeinander bezogen sind, was hier mit einer ganzen Reihe von bisweilen recht aufdringlichen Verweisen auf die ersten beiden Korthals-Filme noch unterfüttert wird, sind die beiden Frauen so wichtig, die dieses Spiel registrieren und schließlich eingreifen: die blinde Telefonseelsorgerin Teresa (Sabine Timoteo), bei der Korthals für einen kurzen Moment Ruhe findet und die versucht, ihm eine Perspektive zu bieten, und Mila Sahin, die Borowskis Einfühlen in den Täter misstraut.
Ihnen ist zu verdanken, dass der in seinen ästhetischen Mitteln manchmal etwas schlichte Film an Tiefe gewinnt, und wo sich der Reiz des Zusammenpralls zwischen der ärztlichen Diagnose „er ist nicht therapierbar“ und dem Eigenmantra des Mörders „ich bin kein schlechter Mensch“ irgendwann erschöpft, ist der Widerspruch und der Wandel in den Perspektiven der beiden Frauen umso aufschlussreicher.
Denn dass dieser Fall Spuren hinterlässt, in allen, die damit zu tun hatten, dass er etwas in Bewegung gesetzt hat, das unabsehbare Folgen haben wird, liegt auf der Hand. Dies glaubwürdig zu entwickeln und darzustellen ist keine Kleinigkeit, nicht für das Drehbuch und nicht für Ilker Cataks Regie. Ihnen ist zu verdanken, dass die Figuren des Borowski-„Tatorts“ nach fast zwanzig Jahren weniger auserzählt erscheinen denn je.
Der Tatort: Borowski und der gute Mensch, am Sonntag, um 20.15 Uhr, ARD
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