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#Der ewige Jüngling

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Vor elf Jahren gab Helmut Berger in einem Berliner Luxushotel eine Pressekonferenz. Er kam eine halbe Stunde zu spät, was niemanden überraschte, aber als er endlich auf dem Podium saß, fing er sofort an, seinen Auftritt zu inszenieren. Sie sollten „gemeine“ Fragen stellen, bat er die Journalisten, doch so richtig gemein wollte keiner zu ihm sein; außer einem Ausrutscher, den er sich am Abend zuvor in einer Talkshow geleistet hatte, kam keiner seiner vielen Skandale zur Sprache. Stattdessen redete fast eine Stunde lang nur Berger: über seinen Entdecker und Liebhaber Lu­chi­no Visconti, über Romy Schneider, die „wie eine Schwester“ für ihn gewesen sei, über Maria Callas, in die er sich auf der Yacht von Onassis verguckt habe, und andere mehr. Sein Gesicht passte auf seltsame Weise zu diesen Erinnerungsfetzen, denn es wirkte selbst wie eine mit Kostbarkeiten vollgestopfte Ruine, wie eine halb geplünderte Schatzkammer, in deren Trümmern die Vergänglichkeit nistet. Als er wieder ging, blieben ihm die Kameras auf den Fersen, als könnten sie sich nicht losreißen von all der zerstörten Pracht.

Ein bezauberndes Monster

Es war eine der vielen Stationen auf dem langen Abschied eines Schauspielers, der einmal, und nicht zu Unrecht, als der schönste der Filmbranche gegolten hatte. Dabei war in seine Schönheit, wie man in Viscontis „Gewalt und Leidenschaft“ se­hen konnte, von vornherein ein Element von Gefährdung, von Nervosität und Verfall eingewoben, sie wirkte nie ganz ausbalanciert. Eben das machte sie so attraktiv. Der Gigolo und Terrorist, den Berger in Viscontis Film von 1974 verkörperte, blieb seine größte Rolle, weil er die Zweideutigkeit seiner Erscheinung wie in einem Vexierbild festhielt. Er war bezaubernd, und er war ein Monster. Der Zauber verging mit der Zeit, das Monströse blieb.

Als die Verzauberung noch wirkte, spielte Helmut Berger, der Hotelierssohn und Internatszögling aus Bad Ischl, den Dorian Gray von Oscar Wilde in einem vergessenen Ausstattungsfilm, den Bruder von Dominique Sanda in Vittorio de Sicas Bassano-Verfilmung „Der Garten der Finzi Contini“ und für Visconti den dekadenten Sprössling einer deutschen Industriellendynastie in „Die Verdammten“. Es war einer der spektakulärsten Karriere-Anfänge in der Geschichte des Kinos, und es hätte einer buddhistischen Gemütsruhe be­durft, um Berger vor dem Größenwahn zu bewahren, der mit solcher schlag­ar­tigen Berühmtheit einhergeht. Eine Weile lang konnte ihn sein Mentor Visconti, für den er mit Ende zwanzig schon als alternder Bayernkönig Ludwig II. vor der Kamera stand, noch vor dem Absturz in den Jetset bewahren. Aber als der Meister 1976 in den Armen seines Geliebten starb, war es vorbei mit Bergers Selbstdisziplin.

Wie Bruder und Schwester: Berger mit Romy Schneider in Viscontis „Ludwig II“


Wie Bruder und Schwester: Berger mit Romy Schneider in Viscontis „Ludwig II“
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Bild: DAVIDS

Von nun an hielt der künstlerische Ab­stieg des Wunderkinds Berger mit seinem Aufstieg in den Spalten der Boulevardpresse Schritt. Auf die Hauptrolle als SS-Offizier in Tinto Brass’ Nazi-Softporno „Salon Kitty“ folgte der bei Visconti abgepauste Part des deutschen Terroristen in „Operation Entebbe“, auf die Leutnantsfigur in dem Kriegsschinken „Die große Offensive“ das späte Aufglühen als Fantomas in Claude Chabrols Fernseh-Vierteiler und ein Kurzauftritt als vatikanischer Buchhalter im dritten Teil von Coppolas „Paten“. Bergers Karriere ging nach Vis­con­tis Tod noch gut vier Jahrzehnte lang weiter, bis hin zu Alberto Serras Kostümfilm „Liberté“ von 2019, wo er einen adligen Freigeist und Libertin in der Abendröte des Ancien Régime verkörperte, aber im Grunde variierte er immer nur die Charakterformeln, die er bei seinem Entdecker gelernt hatte: den Teufel mit dem En­gels­ge­sicht, den sensiblen Schlächter, den Ästheten im Stadium des Niedergangs. Nur dass der Niedergang bei ihm immer greifbarer und plausibler, immer weniger gespielt war.

Die Kamera blieben ihm auf den Fersen: Helmut Berger im Jahr 2013


Die Kamera blieben ihm auf den Fersen: Helmut Berger im Jahr 2013
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Bild: Picture Alliance

Aber selbst in dieser Zeit blieb er der Liebling der Klatschspalten und Gesellschaftsreporter. Sie folgten ihm bei seinen Exzessen und Aussetzern, sie trieben sein Image vor sich her, und als ihn Christoph Schlingensief für seine durchgeknallte Fassbinder-Hommage „Die 120 Tage von Bottrop“ wieder vor die Kamera holte, war er längst eine Legende. Er brauchte keinen Rollennamen mehr. Er spielte sich selbst. Und er hörte nicht auf, sich selbst zu spielen, sei es im „Dschungelcamp“ von RTL oder in den Dokumentarfilmen, die in den letzten Jahren über ihn gedreht wurden, einer trauriger anzusehen als der andere.

Die Unsterblichen des Kinos sterben oft jung. Helmut Berger aber war dazu verdammt, zu altern, bis jede Spur seiner göttergleichen Aura getilgt war. In einer Szene von Viscontis „Ludwig“ steht er mit Romy Schneider, seiner Schwester im Sichverschwenden, auf der winterlichen Terrasse von Schloss Neuschwanstein und blickt in die Landschaft. Für einen Augenblick scheint es, als wären die beiden allein auf der Welt. Und so, in dieser Einsamkeit, hat der einstige Liebling der Leinwand sein Leben verbracht, im Kino wie in der Wirklichkeit. Am Mittwoch ist Helmut Berger achtundsiebzigjährig in Salzburg gestorben.

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