Wissenschaft

#Dem Zweck der Menopause auf der Spur

Mysterium Klimakterium: Welchen biologischen Zweck erfüllt ein langes Leben über das Ende der Fortpflanzungsfähigkeit hinaus? Eine Studie an Zahnwal-Arten, bei denen die Weibchen ähnlich wie Frauen eine Menopause durchmachen, wirft nun Licht auf diese Frage. Die Ergebnisse scheinen dabei die sogenannte Großmutter-Hypothese zu untermauern: Nach den Wechseljahren können die älteren Weibchen durch Fürsorge dem Überleben der eigenen Familie offenbar besonders effektiv zugutekommen. Es könnte sich beim Phänomen der Menopause demnach um einen Fall von konvergenter Evolution bei Mensch und Zahnwalen handeln, sagen die Forschenden.

Möglichst erfolgreich Nachkommen hinterlassen: Auf dieses grundlegende Ziel lassen sich viele Merkmale und Verhaltensweisen von Lebewesen herunterbrechen. Der Optimierung des Fortpflanzungserfolges können dabei unterschiedliche Konzepte dienen. Manche Arten setzen etwa auf die Produktion von möglichst viel Nachwuchs – allerdings mit eher geringeren individuellen Überlebenschancen. Andere investieren dagegen intensiv in wenige Nachkommen, die dadurch besonders gute Entwicklungsmöglichkeiten erhalten. Grundsätzlich gilt aber normalerweise bei allen Strategien: Um im Leben möglichst effektiv Folgegenerationen hervorzubringen, bleiben Tiere bis zum Ende ihrer jeweiligen Lebenserwartung fortpflanzungsfähig.

Von dieser Regel gibt es allerdings interessante Ausnahmen. Beim Menschen und manchen Vertretern der Zahnwale kommt es zu einem Klimakterium: Bei den weiblichen Individuen beendet die hormonelle Umstellung der Wechseljahre die fortpflanzungsfähige Lebensphase teils Jahrzehnte vor dem Ende der natürlichen Lebenserwartung. Im vergangenen Jahr zeigte eine Studie zudem, dass auch bei weiblichen Schimpansen unter bestimmen Lebensumständen eine Menopause auftreten kann. Die Bedeutung dieses Befundes für die Evolutionsgeschichte des Phänomens beim Menschen gilt bisher allerdings als unklar.

Wozu der Verlust der Fruchtbarkeit?

Schon lange fragen sich Forschende, welche evolutionäre Triebfeder hinter der Entwicklung der Menopause steckt. Denn welchen Vorteil das Konzept bieten könnte, erscheint schwer erkennbar. Der bekannteste Erklärungsansatz ist dabei die sogenannte Großmutter-Hypothese. Sie besagt, dass weibliche Individuen jenseits der Wechseljahre durch ihre Erfahrungen und ihre Fürsorge dem Überleben bereits hervorgebrachter Nachkommen besonders nützen können. Zudem produzieren sie währenddessen keine neuen Gruppenmitglieder mehr, die zu einer kritischen Verknappung der Ressourcen führen könnten. Der Hypothese zufolge könnte das Menopausen-Konzept den Weibchen dadurch letztlich zu mehr Fortpflanzungserfolg verhelfen und damit zu einer optimierten Weitergabe ihres Erbguts.

Bei der aktuellen Studie haben die Forschenden um Sam Ellis von der University of Exeter nun nach weiteren Hinweisen zum Zweck der Menopause bei den Zahnwalen gesucht. Denn in den letzten Jahren zeichnete sich zunehmend ab, dass mehrere Arten dieser Meeressäuger Wechseljahre durchmachen: Neben Orcas sind dies Kurzflossen-Grindwale, Kleine Schwertwale, Narwale und Belugawale. Bei zahlreichen anderen Arten der Zahnwale tritt das Phänomen dagegen nicht auf. Für die Studie analysierten die Forschenden nun Daten, aus denen Informationen zu den Merkmalen, Lebenserwartung und Fruchtbarkeitsmustern der verschiedenen Zahnwal-Arten hervorgingen.

Wie das Team berichtet, zeichnete sich in den Ergebnissen ein deutliches Muster ab: Arten mit Wechseljahren leben typischerweise länger als solche, bei denen es den Einschnitt nicht gibt. Interessanterweise, ist die Dauer der fortpflanzungsfähigen Phase bei beiden Gruppen aber dennoch etwa gleich. „Frühere Forschungen zur Evolution der Menopause konzentrierten sich tendenziell auf einzelne Arten, typischerweise Menschen oder Orcas“, sagt Co-Autor Dan Franks von der University of York. Durch den erweiterten Blick auf verschiedene Zahnwal-Arten ergibt sich nun ein Gesamtbild: „Unsere Studie belegt, dass sich die Menopause durch eine Verlängerung der weiblichen Lebensspanne über ihre reproduktiven Jahre hinaus entwickelt hat, und nicht durch eine verkürzte reproduktive Lebensspanne“, sagt Franks.

„Großmutter-Hypothese“ untermauert

Wie das Team weiter berichtet, zeichnete sich ein weiterer Aspekt deutlich ab: Bei den Arten mit Wechseljahren ist die Wahrscheinlichkeit deutlich größer, dass die Mütter und ihre erwachsenen Kinder sowie Enkel gleichzeitig in einer Gruppe leben. Es kommt also zu einer erheblichen Überschneidung zwischen den Generationen in den Gemeinschaften der hochintelligenten und sozialen Meeressäuger. Die Wahrscheinlichkeit, dass die Mütter und ihre Töchter sich gleichzeitig fortpflanzen, ist jedoch nicht größer als bei Arten ohne Wechseljahre. Die reproduktive Überschneidung zwischen ihnen ist in beiden Gruppen dadurch ungefähr gleich, geht aus den Ergebnissen des Teams hervor.

Ihnen zufolge lässt die Studie damit erneut die beiden Aspekte plausibel erscheinen, die bisher bereits als eine mögliche Grundlage der Entwicklung des Phänomens galten: Durch die Menopause können ältere Weibchen ihren Nachkommen durch Fürsorge und Wissensvermittlung bessere Überlebenschancen verleihen, ohne einen erhöhten Wettbewerb um Ressourcen durch weiteren Nachwuchs zu verursachen. Aus Studien ist in diesem Zusammenhang bekannt, dass ältere Zahnwal-Weibchen Nahrung an Gruppenmitglieder verteilen und dass ihre oft komplexen Lebenserfahrungen zentral zum Erfolg der Gemeinschaft beitragen können.

Damit zeichnet sich ab, dass der Entwicklung des Phänomens beim Menschen und den Zahnwalen ein ähnliches Prinzip zugrunde liegen könnte – es handelt sich offenbar um ein Beispiel für konvergente Evolution. Dazu schreiben die Autoren abschließend: „Zahnwale und Menschen haben sehr unterschiedliche Ökologien, Formen des geschlechtlichen Wettbewerbs und soziokulturelle Systeme. Trotzdem belegen unsere Ergebnisse, dass sich bei beiden die Menopause durch einen Selektionsprozess entwickelt hat, durch den sich die Lebensdauer verlängerte, ohne dabei aber die reproduktive Spanne zu erweitern. Dies liefert somit wichtige Erkenntnisse für unser Verständnis der Evolution der Menopause im Allgemeinen – auch beim Menschen“ so die Wissenschaftler.

Quelle: University of Exeter, Fachartikel: Nature, doi: 10.1038/s41586-024-07159-9

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