#Demonstrativ staatsmännisch
Inhaltsverzeichnis
„Demonstrativ staatsmännisch“
In Philadelphia wird gezählt und gezählt. Die Straße vor dem Kongresszentrum der größten Stadt Pennsylvanias ist gesperrt. Leute tanzen hier zu Salsa-Klängen, es werden Schilder in die Höhe gehalten mit der Forderung: „Count every vote.“ Eine Absperrung trennt die Anhänger Joe Bidens von einer kleinen Gruppe, die Trump-Fahnen schwenkt. Hin und wieder ruft die eine Gruppe der anderen etwas zu, hier und da kommt es zu Provokationen. Aber die Polizei hat die Lage stets im Griff. Über dem Kongresszentrum kreist ein Hubschrauber und ein paar Straßen weiter haben sich Nationalgardisten vor dem Rathaus versammelt – für alle Fälle.
Majid Sattar
Politischer Korrespondent für Nordamerika mit Sitz in Washington.
In diesem Kongresszentrum entscheidet sich die amerikanische Präsidentenwahl. Seit Dienstagabend herrscht hier Hochbetrieb. Briefumschläge werden geöffnet, Unterschriften abgeglichen, Stimmzettel in die Zählmaschinen eingespeist. Je mehr Stimmen der Briefwähler ins Ergebnis gerechnet werden, umso kleiner wird der Vorsprung Donald Trumps in dem Bundesstaat, den der Präsident unbedingt gewinnen muss, um sich seine Chance zu wahren, die Wahl zu gewinnen.
Nachwahlschlacht in Pennsylvania
Am Donnerstag war die Auszählung für kurze Zeit unterbrochen worden. Der Streit über die Frage, in welchem Abstand die Wahlbeobachter das Prozedere verfolgen können, verlangte Klärung. Rudy Giuliani, Trumps persönlicher Anwalt, der sich nun um die Nachwahlschlacht in Pennsylvania kümmert, hatte geklagt. Der „Commonwealth Court“, das zweithöchste Gericht Pennsylvanias, revidierte eine erstinstanzliche Entscheidung und ordnete an, dass die Wahlbeobachter bis auf 1,80 Meter an die Wahlprüfer herantreten dürfen. Trumps Leute, die der Wahlbehörde in der demokratischen Hochburg Betrug unterstellen, sprechen von einem wichtigen Sieg.
Die Wahlbehörde Philadelphias wandte sich an den Obersten Gerichtshof in Harrisburg. Doch in der Zwischenzeit durften die Wahlbeobachter näher an das Geschehen treten. Auch in Pittsburgh wurde die Auszählung zwischenzeitlich unterbrochen. Nun aber ist man guter Dinge, im Laufe des Freitag fast alle Stimmen ausgezählt zu haben. Es ist der letzte Tag, an dem – nach vorläufiger Rechtslage – postalisch zugestellte Briefwahlsendungen berücksichtigt werden können. Noch am Morgen ist dann der Moment erreicht, auf den die Demokraten solange gewartet hatten: Erstmals übernimmt Biden die Führung in Pennsylvania.
Freilich gibt es immer noch kein Endergebnis. Biden wurden bisher 253 der 538 Stimmen im Wahlleutegremium zugesprochen. In der Nacht zu Freitag hatte er erstmals die Führung in Georgia übernommen. Im Laufe des Tages wurde verkündet, dass dort wegen des extrem knappen Ausgangs die Stimmen neu ausgezählt würden. Auch in Nevada und Arizona lag er vorne, auch wenn da sein Vorsprung zuletzt schrumpfte. Mit den Wahlleuten dieser Bundesstaaten hätte er längst die nötigen 270 Stimmen erreicht. Ohne die Wahlleute der drei Staaten benötigt er die zwanzig Stimmen Pennsylvanias. Am Freitag verfärbt sich der Bundesstaat hellblau. Er führt – vorläufig.
So oder so, die Ergebnisse in den umkämpften Bundesstaaten sind so knapp, dass vorerst kein offizielles Wahlergebnis verkündet wird. Es wird zu Neuauszählungen kommen – sei es, weil es das Gesetz im Falle eines knappen Ausgangs vorschreibt, sei es, weil Trumps Leute es beantragen.
Biden gibt sich betont präsidentiell
Durch Bidens Führung in Pennsylvania verändert sich aber faktisch der politische Aggregatzustand in den Vereinigten Staaten. Der Demokrat wird anfangen, als „President-elect“ aufzutreten, als gewählter Präsident. Betont präsidentiell gab der Demokrat sich schon jetzt. Während Trump am Donnerstag im Oval Office wild vor sich hin twitterte, unterrichtete Biden in Wilmington die Presse darüber, dass er sich über den Stand der Dinge in der Pandemie habe ins Bild setzen lassen. Ganz so als befinde er sich bereits in der „transition“, wie die Phase zwischen der Wahl und der Amtseinführung des neu gewählten Präsidenten am 20. Januar heißt.
Wenn Sie an Foren interessiert sind, können Sie Forum.BuradaBiliyorum.Com besuchen.
Wenn Sie weitere Nachrichten lesen möchten, können Sie unsere Nachrichten kategorie besuchen.