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#Der Drink meines Lebens: Belohnt wird der wachsame Flaneur

Die meisten suchen im Urlaub das Einzigartige im Unbekannten. Doch nur, wer seine Umgebung wachsam mustert, entdeckt die wirklich besonderen Orte – und (im besten Fall) den Drink seines Lebens.

Jede berühmte Stadt hat die Ansichten, die alle kennen und wegen derer wohl die meisten kommen. In Amsterdam: Grachten, Van Gogh und das Rotlichtviertel. Ein guter Tourist (zumindest nach heutigen Maßstäben) versucht, den Besuch der klassischen Hotspots auf ein Minimum zu beschränken, um auch die obligatorischen Individual-Erfahrungen mit einer Stadt zu machen, von denen man zuhause berichten kann.

Doch so sehr man sich auch anstrengt, soviel man auch Portale oder das soziale Umfeld nach „Geheimtipps“ löchert – meistens ist es ein vergebliches Unterfangen. Man scheitert an den Anforderungen des Zeitgeists und landet eben doch bei den bekannten Ansichten. Denn was bei dieser Suche nach Einzigartigkeit oft vergessen wird: die wohl wichtigsten Faktoren für Erfolg sind wache Augen und der Zufall. Und Letzterer ist nicht planbar. Wer hingegen planlos durch die Stadt flaniert, seine Umgebung achtsam mustert, hat zumindest eine Chance, den ein oder anderen wirklich besonderen Ort kennenzulernen. Diese Lektion habe ich einmal mehr in Amsterdam gelernt.

Nur die wirklich Achtsamen entdecken die schmale Tür

Die Bar in der mir (jedenfalls vorläufig) der Drink meines Lebens serviert wurde, ist ein solcher Ort und derart versteckt, dass die Kundschaft aus guten Gründen als erlauchter Kreis von Eingeweihten bezeichnet werden kann. Nur die wirklich Achtsamen der Unwissenden erkennen zwischen den großen Glasfronten eines Pancake-Ladens und einer Wäscherei eine schmale Tür mit Fenster. Und nur, wer seiner Neugier freien Lauf lässt, folgt der weißen unscheinbaren Treppe nach unten und durchquert den Eingang in den Gastraum.

Belohnt wird der wachsame Flaneur mit der Terrasse eines Nachtcafés. Beige Marquisen überdachen Tische. Gäste sitzen ausgelassen in den Schaufenstern kleiner Geschäfte, ein jedes hat seine eigene Hausnummer. Eine markante rote Marquise überspannt den Eingang zu einer Sitzecke, links und rechts davon leuchten Straßenlampen. Ein Baum gibt dem urbanen Ambiente eine idyllische Note. Was kitschig hätte werden können, entfaltet doch eine überraschend charmante Abendkulisse, eine Hommage an das Amsterdam der Sechzigerjahre. Wie ließe sich diese Illusion also besser aufrechterhalten als mit einem „Espresso Martini“?

Gedacht, gewünscht, bekommen. Dazu ein Amuse-Bouche in kleinen Schalen: Nüsse und Oliven. Der Drink war für mich bis dato eine aufregende Unbekannte und übertrifft, was ich mir ausgemalt hatte. Kühl wie cremig. Ein mit Keksen eingelegter Wodka süßt angenehm und mischt sich mit dem nussigen Geschmack des Espressos. Ich will nicht langweilen und verkürze: ein Gedicht.

Auch wenn ich den Drink nach diesem Besuch in vielen Variationen probiert habe – mit Kräuterlikör, mit Baileys, mit Haselnusslikör oder eben klassisch: Nichts kommt an das unverhoffte Erlebnis in Amsterdam heran. Traurig macht mich das allerdings nicht. Denn auch wenn die Bar als namenloses Café daherkommt, als Nirgend-Ort in den Untiefen eines Amsterdamer Kellers, ist sie doch nur eine Suggestion. Wer einmal da war, findet sie im Internet.

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