#Der Geschmack von Unbeschwertheit
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„Der Geschmack von Unbeschwertheit“
Mein Highlight im Freibad befindet sich fernab vom Becken. Von meinem Lieblingsplatz aus muss man einmal über die ganze Liegewiese laufen. Das sind zwar nur 200, höchstens 300 Meter, die sich bei mehr als 30 Grad aber ganz schön weit anfühlen können. Doch sie lohnen sich. Denn am anderen Ende angekommen, steht im angenehm kühlen Baumschatten eine Hütte, aus der es herrlich nach Frittierfett riecht.
Auf der Tafel sind Burger, Pizza und Flammkuchen angeschrieben. Ich bestelle Pommes, mit Ketchup. Mit Schwung füllt der Mitarbeiter die goldenen Stangen in eine Papiertüte, seine Kollegin macht einen Klecks Ketchup aus diesen riesigen Eimern für die Gastro drauf, wickelt eine Serviette drum und reicht sie mir. Glück in einer rot-weiß-gestreiften Tüte.
An keinem Ort der Welt schmecken Pommes so gut wie im Freibad, nicht mal, wenn man betrunken nach einer durchtanzten Nacht in einer Dönerbude einfällt. Wenn man erschöpft aus dem Becken kommt, weil man fleißig geschwommen ist oder einfach nur rumgeblödelt hat, wenn die Haut sich noch kalt vom Wasser anfühlt und man trotzdem schon wieder schwitzt, weil es einfach so heiß ist, wenn man sich dann auf der Wiese auf sein Handtuch fallen lässt – dann geht nichts über eine schöne Portion Pommes, und da macht es auch nichts, dass die eine Hälfte vom Ketchup durchweicht wurde, bis man wieder bei seiner Decke angekommen ist, während die andere Hälfte leider überhaupt nichts von der roten Soße abbekommen hat.
Dass Kinder Pommes mögen, ist eh klar. Aber auch die Erwachsenen vor und hinter mir in der Schlange bestellen: Pommes. Was macht sie so gut?
Mehr als nur schnell und salzig
Das Internet liefert natürlich einige Theorien. Weil wir beim Schwitzen so viel Salz verlieren, freut sich der Körper über einen schnellen Ausgleich durch Pommes, erläuterte etwa ein Sprecher der Berliner Bäderbetriebe mal dem Portal „Chip.de” (Was wohl Karl Lauterbach davon hält?). Etwas banaler fällt die Erklärung aus, die eine Ökotrophologin im vergangenen Jahr der Bild gab: „Weil es schmeckt.” Sie schiebt aber auch noch hinterher, dass Pommes sich schnell zubereiten lassen und man beim Schwimmen ja viele Kalorien verbrennt, die der Körper dann zurück fordert.
Es geht wirklich schnell an der Pommes-Schlange, und günstig sind sie obendrein: Mit drei Euro kosten sie im Frankfurter Brentanobad nur ein Drittel von Burger und Pizza. Für Sparfüchse und Hungrige wird das sicherlich auch einen entscheidenden Ausschlag geben, aber ich für meinen Teile glaube ja, dass etwas anderes wesentlich ist: Die Welt bleibt im Freibad für einen Moment stehen. Das Smartphone kann man nicht mit ins Wasser nehmen, stattdessen liegt es sicher im Spind. Und so verbringt man plötzlich ein paar herrliche Stunden ohne Anrufe, ohne Whatsapp-Nachrichten, ohne Instagram, ohne Eilmeldungen. Man wird zurückgeworfen in eine analoge Zeit – und damit auch in die eigene Kindheit.
In meiner Erinnerung habe ich den Sommer praktisch im Freibad verbracht. Mein Bruder und ich schwammen, bis unsere Lippen blau waren und unsere Eltern darauf bestanden, dass wir mal wieder zurück an Land kamen. Auf der Decke blätterten wir dann in Zeitschriften, deren dünne Seiten an unseren nassen Fingern kleben blieben, und spielten unzählige Runden Uno und Kniffel. Pommes gab es nur selten: In einer Kühlbox hatten wir Gummibärchen, Apfelschnitze und Brötchen mit Butter und Salami dabei (auch gut). Aber vielleicht schmecken mir die Pommes mit Ende 20 auch deshalb so, weil es sie früher nur zu ganz besonderen Gelegenheiten gab. (Dass ich keine Lust habe, mir eine Brotzeit zu schmieren, dürfte auch eine Rolle spielen, und dass ich als Vegetarierin inzwischen keine Salami mehr esse.)
Freibadpommes sind ein Gefühl
Sarah Connor hat die Freibadpommes-Erinnerungen aus ihrer Jugend 2019 sogar einen Song gepackt: „Und diese Frei-Frei-Freibadpommes schmecken noch wie früher / Chlor-Haut und Capri Sonne hatten wir nie zu viel / Knutschflecken, Liebeskummer, warum bist du nicht hier?”. Pommes als Konstante, als Verbindung in gute Zeiten.
Pommes im Freibad sind nicht einfach nur ein Nahrungsmittel, sie sind ein Gefühl. Sie schmecken nach Unbeschwertheit. Die Welt da draußen mit all ihren Sorgen, die gibt es in diesem Augenblick nicht. Genauso wie die Kalorien nicht zählen, die man im Freibad in sich hineinschaufelt, zumal man meistens feststellt, dass außerhalb von Instagram sowieso fast niemand eine „Bikinifigur” hat.
Der einzige Makel an Freibadpommes ist, dass man irgendwann am Ende der Tüte angelangt ist. Dagegen hilft wohl nur eins: morgen wieder ins Freibad kommen.
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