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#Der Kurssturz der Mark

„Der Kurssturz der Mark“

Soll eigentlich der Marksturz ohne Ende, und ohne dass wir auch nur den Versuch eines Widerstandes machten, weitergehen? Die Frage richtet sich an Herrn Dr. Wirth, den Reichskanzler, an Herrn Dr. Hermes, den Reichsfinanzminister, und an Herrn Havenstein, den Reichsbankpräsidenten. An den Letzteren besonders. Denn nachgerade wird es Zeit, sich zu erinnern, dass nach dem Gesetz die Reichsbank „die Aufgabe hat, den Geldumlauf im gesamten Reichsgebiete zu regeln“, dass mithin ihr die Sorge und die Verantwortung für die Währung in erster Linie obliegt.

Das Präsidium der Reichsbank, bis vor kurzem „unter Aufsicht und Leitung des Reichs“ stehend, ist auf den nicht gerade tiefdurchdachten Befehl der Entente von dieser Leitung durch den Reichskanzler freigemacht worden und nur die Aufsicht ist geblieben; der Reichsbankpräsident amtet heute mit „richterlicher Unabhängigkeit“, er ist die autonomste Stelle, die es in der deutschen Wirtschaftsleitung heute gibt. Solches Recht verpflichtet. Und das Schicksal drängt.

Die deutsche Mark hat in den letzten Tagen eine neue rapide Entwertung erfahren, die schlimmste, die wir jemals erlebten. Der Dollarkurs, der in dem ersten Halbjahr 1921 auf der Basis von etwa 62 bis 65 Mark schon einmal ungefähr stabil war, um dann in der zweiten Jahreshälfte 1921 (unter zeitweiligen Schwankungen bis zu 300 Mark) sich auf etwa 190 Mark zu heben und dann nach dem Scheitern der Genueser Hoffnungen und unter dem Einfluss der laufenden Reparationszahlungen bis Ende Juni 1922 weiter bis auf höchstens 375 Mark zu steigen, ist heute fast fünfzehn Mal so hoch wie im Beginn dieses Jahres.

Diktate von Versailles und London

Allein die letzten drei Wochen haben, nach schnell vorübergehender Erholung der Mark, den Kurs der fremden Devisen nahezu verdoppelt: nach unerhörten Schwankungen steht die Mark heute tiefer denn je, just da, wo die österreichische Krone Anfang November 1921, vor elf Monaten, gestanden hat. Das ist binnen wenigen Monaten und Wochen ein Absturz, der fürchterlich ist. Gibt es wirklich nichts anderes, als mit fatalistischer Ergebenheit untätig dem grausigen Schauspiel zuzuschauen, das da vor unseren Augen sich abrollt?

Es ist vollkommen klar und außer jedem Zweifel, dass eine Heilung, die Dauer verspräche, heute allein von Deutschland nicht ins Werk gesetzt werden kann. Denn erforderlich dazu ist eine Neuregelung der Reparation, die der Welt draußen wieder vertrauen gäbe, dass Deutschland von den Siegern, die seine Gläubiger sind, nicht erstickt werden solle – erforderlich dazu ist also eine Ermäßigung der Kriegsentschädigungslast auf die Grenze der wirklichen deutschen Leistungsfähigkeit, ist die Gewährung einer Atempause von mehreren Jahren durch ein vollständiges Moratorium, ist die Hilfe zur Selbsthilfe durch eine ausländische Kreditaktion, die uns Zeit zur innerwirtschaftlichen Gesundung schüfe.

Solche Neuordnungen von außen würde uns von der Pflicht zu eigener höchster Anstrengung nicht entbinden; im Gegenteil, spartanisches Arbeiten und Leben würde uns auch dann und dann erst recht obliegen, um unsere Produktion zu steigern, unsere Ausfuhr zu erhöhen, unsere inneren Staats-Finanzen durch Steuerleistung zu ordnen. Aber die Revision der Reparationslast ist unentbehrliche Voraussetzung; ohne sie gibt es eine Ordnung von Dauer nicht. Darüber herrscht Einmütigkeit, übrigens nicht nur in Deutschland selbst, sondern auch bei allen wirtschaftlichen Sachkennern des Auslandes und weit darüber hinaus nachgerade schon bei ganz großen Teilen der öffentlichen Meinung der Welt. Das Problem ist nur, wie lange diese Erkenntnis noch brauchen wird, um auch politisch Macht zu gewinnen und sich durchzusetzen.


Die Frage aber, vor die wir heute gestellt sind, lautet: Was sollen wir tun, bis diese Revision der Diktate von Versailles und London, bis die äußere Neuordnung tatsächlich kommt? Sollen wir bis dahin die Hände in den Schoß legen und allenfalls die Welt mit deutschen Lamentos erfüllen, für die sie sich schwerlich so interessiert, wie wir es wohl wünschen? Oder müssen wir nicht umgekehrt handeln mit der ganzen verzweifelten Entschlossenheit des um sein Leben Ringenden, handeln demgemäß auch mit verzweifelten Mitteln, wie der Kapitän eines Schiffes in Seenot, der selbst die Rettungsboote als hindernden Ballast über Bord wirft, um das nackte Schiff noch in den Hafen zu bringen?

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