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#Der Preis der Zuflucht

„Der Preis der Zuflucht“

Vier Tage vor Kriegsausbruch hat sich Sashko Milkovych eine Eigentumswohnung gekauft. Die Wohnanlage in Lemberg (Lwiw) ist noch im Bau. Trotz der schweren Krise in seinem Land glaubt der Immobilienmakler daran, dass das neue Apartmenthaus fertig wird. Der Projektentwickler habe 70 Prozent vorab verkauft und zugesagt, dass er weiterbauen werde. „Ich halte Lwiw für den besten Ort, um in der Ukraine zu investieren“, sagt Makler Milkovych in Kriegswoche vier.

Birgit Ochs

Verantwortliche Redakteurin für „Wohnen“ der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung.

Wie keine andere Stadt des Landes ist das westukrainische Lemberg seit dem Überfall durch die russische Armee Zufluchtsort für Menschen aus allen Teilen der Ukraine. Die Grenze zu Polen ist keine 80 Kilometer entfernt, die zu Belarus, vor allem aber zu Russland weit. Das macht Lemberg für viele Ukrainer zum vergleichsweise sicheren Ort.

Lubomyr Zubach, stellvertretender Bürgermeister für Bauentwicklung, schätzt die Zahl der Binnenflüchtlinge in seiner Stadt auf 200 000. Sie verwandeln Lemberg mit seinen eigentlich 780 000 Einwohnern auf einen Schlag in eine Millionenstadt. Wer von den Neuankömmlingen nicht bei Freunden oder Verwandten Unterschlupf findet, drängt auf den Immobilienmarkt. „Die Nachfrage nach Wohnungen hat sich verzehnfacht“, berichtet Milkovych. Angesichts der großen Konkurrenz um Wohnungen und Hotelzimmer seien die Mieten kurzfristig um 30 bis 40 Prozent gestiegen. Das erschwert nicht nur die Situation jener mit wenig Geld, denen ohne private Kontakte nur ein Platz in der Notunterkunft bleibt. Es bringt bisweilen auch sozial schwächere Bewohner in Bedrängnis.

„Die Leute waren in Panik und buchten alles Mögliche“

Vor Corona hatte sich der alte Stadtkern, der Weltkulturerbe ist, zum Touristenmagnet der Ukraine entwickelt. Lemberg, einst Hauptstadt von Galizien, ist voller architektonischer Schätze, die seine multiethnische Bewohnerschaft und ihre verschiedenen Religionsgemeinschaften hinterlassen haben. Auf Schritt und Tritt finden sich Spuren der polnischen, österreichisch-ungarischen und jüdischen Vergangenheit. Bis die Pandemie das Reisen erschwerte, kamen jährlich 2,5 Millionen Besucher, 2007 waren es erst 700 000. Statt für Touristen aus dem In- und Ausland ist die Altstadt mit ihren Cafés, Restaurants, kleinen Geschäften, Hostels und Hotels nun erste Anlaufstelle für viele der Menschen, die der Krieg hierher verschlagen hat.

Zusammenrücken in einer der Notunterkünfte


Zusammenrücken in einer der Notunterkünfte
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Bild: Bloomberg

Sasha Revchuk ist einer von ihnen. Der IT-Angestellte ist gleich nach Ausbruch des Kriegs zusammen mit Freundin und Hund aus Kiew geflohen. In den ersten Tagen seien die Zustände in Lemberg chaotisch gewesen, erzählt Sasha. „Die Leute waren in Panik und buchten alles Mögliche.“ Er selbst habe bei Portalen wie Booking.com und Airbnb gesucht und auch auf der ukrainischen Plattform für Vermietung und Verkauf, OLX. Anfangs vergeblich. „Wahrscheinlich gab es so viele Anfragen, dass die Immobilienmakler einfach nicht geantwortet haben“, vermutet der Neunundzwanzigjährige. Schließlich fand sich eine kleine Wohnung – deren horrende Tagessätze sich monatlich allerdings zu mehr als 1000 Euro summierten.

Das ist ein sehr hoher Preis in einem Land, für das die nationale Statistikbehörde für 2021 ein durchschnittliches Monatseinkommen von 14 179 Hrywnja (rund 408 Euro) nennt; wobei die Hauptstädter im Schnitt mehr und die Menschen in Lemberg weniger verdienen. Angesichts des knappen Angebots und der hohen Preise teilen sich Geflüchtete nicht selten zu sechst eine Kleinstwohnung und arrangieren sich mit Unterkünften ohne eigene Küche und Bad.

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