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#Der Preis des Wartens

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Der Preis des Wartens

Über Piero Manzoni, Enfant terrible einer außergewöhnlichen Epoche und Schöpfer der berühmten „Künstlerscheiße“, gibt es viele Legenden. Rosalia Pasqualino di Marineo schafft sie im Mailänder Casa degli Artisti gleich zu Beginn des Abends aus der Welt. Jene beispielsweise, Manzoni habe sich bei Schneefall so lange auf seinen Balkon gestellt, bis er erfror. In Wirklichkeit erlag er 1963 in seinem Mailänder Atelier mit nur dreißig Jahren einem Herzinfarkt. Genauso absurd sei die Behauptung, ihr Onkel habe die Döschen als kritische Geste gegenüber seiner Familie, den Inhabern der bekannten Dosenfleischfirma Manzotin, hergestellt. Unwahr auch die radikalere Version dieser Mär, die das Werk als Reaktion auf den Vater sieht, der die Kunst seines Sohnes als Kot bezeichnete. „Eine solche Rebellion würde zwar hervorragend zu dem verbreiteten Bild Manzonis als einen von der Familie zurückgewiesenen, auf Provokation setzenden, alkoholkranken Künstlers passen“ erklärt Rosalia Pasqualino di Marineo freundlich. „Aber wäre das nicht furchtbar langweilig?“ Sicherlich, der Sohn aus guten und katholischen Haus habe gern getrunken und in Anzug und Krawatte die Mailänder Nächte unsicher gemacht. „Aber er war weder Alkoholiker, noch mit seiner Familie zerstritten, die rein gar nichts mit dem Fleischkonservenhersteller zu tun hat“ sagt sie. „Pieros Verhältnis zu seinem Vater war liebevoll, er verlor ihn mit fünfzehn Jahren – lange bevor er die erste ,Künstlerscheiße‘-Dose produzierte.“

Rosalia Pasqualino di Marineo muss es wissen. Sie ist nicht nur die Nichte des Künstlers, sondern auch Direktorin der Stiftung, die sein Werk bewahren und erforschen will. Vor sechzig Jahren schuf Manzoni seine „Merda d’artista“. Insgesamt neunzig 6,5 mal 4,8 Zentimeter kleine Blechdosen, versehen mit einem spitzbübisch-sardonischen Etikett, das auf Italienisch, Englisch, Französisch und Deutsch daherkommt: „Künstlerscheiße, Netto-Inhalt 30 G, Natürlich erhalten“.

Erweiterte Definition von Kunst

Für das Jubiläum hat sich die Piero Manzoni Stiftung zahlreiche Initiativen ausgedacht. Die erste in Präsenz ist jene an diesem Abend; die Vorstellung eines Buches zu Manzonis Aktion. Es enthält Essays von Luca Bochicchio, Flaminio Gualdoni, Rosalia Pasqualino di Marineo und Marco Senaldi, die jeweils in vier Sprachen abgedruckt wurden – als Hommage an das weltberühmt gewordene Werk, das die Definition von Kunst radikal erweiterte, wie kaum ein anderes in der Kunstgeschichte debattiert wurde und das in dem Hype um Kunstobjekte des Erbe des Reliquienkults sichtbar machte. Manzoni verkaufte 1961 eine Dose für 21000 Lire – in der Vorahnung, der Wert werde sich erhöhen. Sie erfüllte sich. Vor fünf Jahren erzielte eine Auktion in Mailand für eine der Dosen 275 000 Euro.

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