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#Erster Rückgang seit 48 Jahren: Die Kassen der Unternehmen leeren sich

Die Finanzlage der Unternehmen erlebt einen historischen Rückgang in Deutschland. Fachleute sprechen von einem steigenden „Restrukturierungsbedarf“. Corona, der Ukrainekrieg und die Inflation hinterlassen ihre Spuren.

Die Schatzmeister deutscher Unternehmen können sich freuen: Mit 769 Milliarden Euro verfügen sie über eine ganze Menge an Einlagen und Bargeld. Doch ihre Sorgenfalten dürften sich zuletzt gemehrt haben. Von Januar bis September gingen ihre Bestände erstmals seit mindestens 48 Jahren zurück, zeigt das Freshfields Corporate Cash Barometer 2023, das der F.A.Z. vorab vorliegt. Knapp 6 Milliarden Euro betrug der Rückgang nach Zuwächsen von je mehr als 40 Milliarden Euro in den Vorjahren. Früher war mehr Beständigkeit: Jahr um Jahr stiegen die Finanzmittel der Unternehmen um meist 10 bis 30 Milliarden Euro. Dann kam Corona, dann der Ukrainekrieg, die Inflation und die Zinswende, und nichts war wie zuvor.

Daniel Mohr

Redakteur in der Wirtschaft.

Corona ließ die Unternehmen ihr Geld zusammenhalten: Einen Sprung um historische 77 Milliarden Euro gab es im Jahr 2020, als mit Investitionen und Übernahmen lieber abgewartet wurde. Der Ukrainekrieg sorgte für weitere Vorsichtsmaßnahmen. Und nun bringt die Zinswende mit einer deutlich teureren Finanzierung einige Unternehmen finanziell in Bedrängnis. „Die steigenden Zinsen und die insgesamt niedrigeren Cash-Bestände schaffen mehr Ungleichheiten bei den Unternehmen“, sagt Stephan Waldhausen, Partner der Wirtschaftskanzlei Freshfields Bruckhaus Deringer und Global Co-Head der Industrials-Gruppe, die für Kunden vor allem in der Automobil-, Chemie- und Fertigungsindustrie zuständig ist. Gut aufgestellte Unternehmen sieht er weiter mit gutem Zugang zu Krediten und gerade jetzt vielen Opportunitäten wie zum Beispiel Übernahmen. „In besonders fremdkapitalabhängigen Branchen und Unternehmen, bei denen die Finanzierung bereits zuvor auf Kante genäht war, sieht man indes steigenden Restrukturierungsbedarf.“

Signa ist nur der Anfang

Was die Wirtschaftskanzlei vornehm ausdrückt, sorgt in den Finanzabteilungen einiger Unternehmen für vermehrte Schweißtropfen auf der Stirn. Mit der österreichischen Signa-Gruppe zieht derzeit eine größere Schieflage in Banken und der Immobilienwirtschaft ihre Kreise. Es dürfte nicht der letzte Fall sein.

Alarmstimmung will Waldhausen aber noch nicht ausrufen angesichts des historischen Rückgangs der Geldmittel in den Unternehmen: „Es ist eine deutliche Kehrtwende, die auf dem insgesamt hohen Niveau noch nicht dramatisch ist, aber zukünftig genauere Betrachtung erfordert“, sagt der Fachmann. „Der Rückgang der Cash-Bestände der Unternehmen in Deutschland kommt zu einer Zeit, in der die Haushaltslage angespannt ist, die Zinsen hoch sind und die Unternehmen weiteren Herausforderungen, wie etwa den Wandlungen im Energiebereich und der weiteren Digitalisierung, gegenüberstehen. Auf diese Sondersituationen müssen sich die Unternehmen auch liquiditätsseitig einstellen.“

Mit ihren 769 Milliarden Euro stehen die deutschen Unternehmen nicht schlecht da. In Relation zum Bruttoinlandsprodukt ergibt sich eine Quote von 19 Prozent. Vor 20 Jahren waren es nur 10 Prozent. Der aktuelle Wert liegt allerdings unter dem europäischen Durchschnitt von 24 Prozent. Niederländische Unternehmen liegen mit 32 Prozent an der Spitze, vor französischen mit 30 Prozent. In Spanien und Italien beträgt die Quote gut 22 Prozent.

Reale Verluste von mehr als 300 Milliarden Euro

Auch im Euroraum war das Jahr 2023 ein Einschnitt. Um 95 Milliarden Euro gingen die frei verfügbaren Geldmittel der Unternehmen zurück. Es liegen aber immer noch 3,3 Billionen Euro in den Unternehmenskassen. In Frankreich war der Rückgang mit 57 Milliarden Euro besonders markant. Nach den Rekordzuwächsen in den Vorjahren ist es eine gewisse Normalisierung. Die gestiegenen Zinsen sorgten für Einnahmen auf die Rücklagen von 43 Milliarden Euro nach Werten nahe null in den Vorjahren.

Überwiegen dürfte aber der Schmerz der realen Verzinsung: Die ist wegen der hohen Inflation negativ. Der Kaufkraftverlust der Rücklagen belief sich 2022 auf mehr als 300 Milliarden Euro. Die Fachleute von Freshfields vergleichen das mit der Jahreswirtschaftsleistung Bulgariens. Dieses Jahr ging die Inflation zwar wieder zurück, doch der Kaufkraftverlust betrug noch 94 Milliarden Euro. Geld in der Kasse zu halten kostet in Zeiten von Inflation richtig viel Geld.

Gut möglich also, dass die Schatzmeister die Schatulle in den nächsten Monaten stärker öffnen: „Die bei einigen Unternehmen nach wie vor verfügbare hohe Liquidität wird nach unserer Einschätzung weiterhin zu transformativen Transaktionen führen“, erwartet Waldhausen. „Diese werden insbesondere Zukäufe im technologischen Bereich, ebenso die Absicherung von Lieferketten, die Energiewende und die nachhaltige Ergänzung des Portfolios betreffen.“

Akquisitionen von Technologie, aber auch der Abverkauf von Unternehmensteilen fanden zuletzt wieder häufiger statt. Am Markt wird ein weiterer Anstieg der Transaktionen in den nächsten Monaten erwartet. Mit Interesse blicken die Fachleute auch immer wieder auf die Vermögen der glorreichen sieben in Amerika. Allein ihre Cash-Reserven summieren sich auf fast 500 Milliarden Dollar, wovon Micro­soft (144) und Alphabet /Google (120) die größten Bestände zugeschrieben werden. Es folgen Amazon , Apple und Meta /Facebook mit je gut 60 Milliarden Dollar und Tesla und Nvidia mit fast schon bescheidenen je rund 20 Milliarden Dollar.

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