Jahreszeit der Zeugung beeinflusst Körpergewicht

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Unser Körpergewicht hängt nicht nur davon ab, wie wir uns ernähren und wie viel wir uns bewegen. Auch genetische Einflüsse spielen eine Rolle – und sogar die Temperatur, bei der wir gezeugt wurden. Das legt eine Studie nahe, die bei fast 700 Personen die Jahreszeit ihrer Zeugung mit der Aktivität des braunen Fettgewebes in Beziehung gesetzt hat. Wer im Winterhalbjahr gezeugt wurde, hat demnach tendenziell ein aktiveres braunes Fettgewebe, was mit einem höheren Energieverbrauch und einem geringeren Body-Mass-Index in Verbindung steht. Der Effekt könnte darauf basieren, dass kühlere Außentemperaturen das Epigenom der väterlichen Spermien beeinflussen.
Der größte Teil der Fettreserven erwachsener Menschen bestehen aus weißem Fettgewebe, das als langfristiger Energiespeicher fungiert – und mitunter schwer wieder loszuwerden ist. Braunes Fettgewebe dagegen kann die gespeicherten Kalorien direkt in Wärme umwandeln. Besonders aktiv ist es bei Säuglingen. Doch auch bei Erwachsenen lässt sich das braune Fettgewebe durch Kälte aktivieren. Je aktiver das braune Fettgewebe, desto weniger Energie wird in Form von weißem Fettgewebe gespeichert. Menschen mit besonders aktivem braunem Fettgewebe sind deshalb durchschnittlich schlanker. Welche Faktoren jedoch zu individuellen Unterschieden beitragen, ist bislang wenig erforscht.
Aktives braunes Fettgewebe bei Winter-Gezeugten
Ein Team um Takeshi Yoneshiro von der Universität Tokio in Japan hat nun untersucht, welchen Einfluss die Jahreszeit und deren typische Temperaturen bei der Zeugung auf die Nachkommen haben. Dazu maßen bei 356 jungen Männern aus Japan die Dichte und Aktivität des braunen Fettgewebes. Da das braune Fettgewebe vor allem durch kühle Temperaturen aktiviert wird, hielten sich die Testpersonen vor der Messung für zwei Stunden in einem auf 19 Grad Celsius klimatisierten Raum auf. Für die Auswertung verglichen die Forschenden Personen, die in der kalten Jahreshälfte, also zwischen dem 17. Oktober und dem 15. April, gezeugt worden waren, mit solchen, die in der warmen Jahreshälfte zwischen dem 16. April und dem 16. Oktober gezeugt worden waren.
Das Ergebnis: „Ein aktives braunes Fettgewebe kam signifikant häufiger bei Personen vor, die in der kalten Jahreszeit gezeugt wurden“, berichtet das Forschungsteam. Während in der Sommer-Zeugungs-Gruppe nur 66 Prozent der Individuen ein aktives braunes Fettgewebe aufwiesen, waren es in der Winter-Zeugungs-Gruppe 78 Prozent. Um die Ergebnisse weiter zu untermauern, untersuchten Yoneshiro und seine Kollegen über 300 weitere Männer und Frauen im Alter zwischen drei und 78 Jahren. Auch in dieser Kohorte zeigte sich, dass das braune Fettgewebe vor allem bei Menschen, die in der kalten Jahreszeit gezeugt worden waren, besonders aktiv war.
Programmiert Kälte die Spermien um?
Ein Abgleich mit historischen Wetterdaten für den jeweiligen Zeugungszeitpunkt offenbarte, dass offenbar große tägliche Temperaturschwankungen und eine niedrige Außentemperatur bei der Zeugung mit einem aktiveren braunen Fettgewebe im Erwachsenenalter assoziiert sind. „Andere Parameter, wie Tageslänge, Sonnenscheindauer, Luftfeuchtigkeit und Niederschlag kurz vor der Zeugung standen dagegen nicht mit der Aktivität des braunen Fettgewebes in Verbindung“, berichten die Forschenden. Auch für die Wetterverhältnisse in anderen Phasen der Schwangerschaft oder nach der Geburt konnten sie keinen Einfluss nachweisen.
Obwohl die zugrundeliegenden Mechanismen noch unklar sind, deuten diese Ergebnisse laut Yoneshiro und seinem Team darauf hin, dass nicht die Mütter, sondern die Väter ausschlaggebend für den Effekt der Temperatur auf den Nachwuchs sind. Diese Deutung passt auch zu einer früheren Studie an Mäusen, bei der eine Kälteexposition der Männchen – nicht aber der Weibchen – vor der Zeugung dazu führte, dass das braune Fettgewebe beim Nachwuchs aktiver war. Grund für den Effekt könnten kältebedingte epigenetische Veränderungen der Spermien sein. Evolutionär könnte dieser Effekt durchaus hilfreich gewesen sein: Wer mit seinem braunen Fettgewebe verstärkt Wärme erzeugen kann, ist besser für kalte Umgebungstemperaturen gerüstet.
Laut Raffaele Tepperino vom Helmholtz Zentrum München, der nicht an der Studie beteiligt war, sind diese Ergebnisse gerade angesichts der zunehmenden globalen Erwärmung relevant. „Die neuen Erkenntnisse unterstreichen einmal mehr die entscheidende Rolle der Umweltbedingungen zum Zeitpunkt der Zeugung bei der Ausformung des Stoffwechsels der Nachkommen“, schreibt er in einem begleitenden Kommentar, der ebenfalls in der Fachzeitschrift Nature Metabolism veröffentlicht wurde. „Damit bieten sie Perspektiven für das Verständnis der Koexistenz zweier globaler Gesundheitsprobleme – Adipositas und Erderwärmung – und deren Bewältigung durch maßgeschneiderte Strategien zur Beeinflussung des Lebensstils.“
Quelle: Takeshi Yoneshiro (University of Tokyo, Japan) et al., Nature Metabolism, doi: 10.1038/s42255-025-01249-2
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