#Scholz kommt zu spät, Stoltenberg bleibt
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„Scholz kommt zu spät, Stoltenberg bleibt“
Rüdiger König hatte am Donnerstagmorgen seinen großen, wenngleich ungewollten Auftritt. Deutschlands ständiger Vertreter bei der NATO durfte, nein: musste mit aufs Familienfoto der Staats- und Regierungschefs. Von Boris Johnson wurde er sogar mit einem kraftvollen Handschlag empfangen. Als sich die Chefs dann um kurz nach zehn für die Fotografen aufstellten, stand der deutsche Diplomat in der zweiten Reihe, neben Emmanuel Macron, hinter Recep Tayyip Erdogan. Er sah nicht so aus, als fühle er sich sonderlich wohl in seiner Haut: als Platzhalter für Olaf Scholz, den Bundeskanzler, von dem es hieß, er sei „im Anrollen“. Scholz war der einzige, der an diesem Tag der drei Gipfeltreffen zu spät kam. Der nächtliche Koalitionsausschuss in Berlin hatte bis acht Uhr gedauert.
Morgens NATO, mittags G-7, ab nachmittags EU-Gipfel – das war das Monsterprogramm. Nicht nur für den Kanzler, sondern auch für den amerikanischen Präsidenten, der schon am Vorabend mit der Air Force One in Brüssel gelandet war. Die Fragen, um die es in allen drei Sitzungen gehen sollte, wurden Joe Biden zugerufen, als er mit kurzen Schritten ins Hauptquartier der Allianz ging. Wo die rote Linie für Amerika sei? Ob es neue Sanktionen gebe? Wie man auf einen Angriff Russlands mit Chemiewaffen in der Ukraine reagieren werde? Biden stakste mit gefrorenem Lächeln an den Reportern vorbei. „Ich denke, es ist eine echte Bedrohung“, hatte er vor seinem Abflug zu einem Chemiewaffeneinsatz gesagt. Das würde die „Natur des Konflikts fundamental verändern“, äußerte NATO-Generalsekretär Jens Stoltenberg am Mittwoch.
Gruppenbild ohne Scholz
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Bild: AFP
Aber nicht die Natur der NATO-Reaktion. Das Bündnis will sich weiterhin nicht in einen Krieg mit Russland begeben. Man habe eine „Verantwortung sicherzustellen, das dieser Konflikt nicht über die Ukraine hinaus eskaliert“, sagte Stoltenberg. „Das würde noch mehr Leid, noch mehr Tote, noch mehr Zerstörung verursachen.“ Manche Verbündete halten das für übertriebene Vorsicht. Polen etwa, dessen Präsident Andrej Duda abermals für einen „friedenserhaltenden Einsatz“ von NATO-Truppen in der Ukraine werben wollte. Sie sollten Transporte mit humanitärer Hilfe schützen, so die Idee, die schon beim Treffen der NATO-Verteidigungsminister eine Woche zuvor abgeräumt worden war. In Polen sei halt Wahlkampf, sagte ein Diplomat, deshalb gebe Warschau keine Ruhe. An der Linie des Bündnisses ändert es nichts.
Der NATO geht es vor allem um den Schutz der eigenen Mitglieder
Wolodymyr Selenskyj, für zehn Minuten aus Kiew zugeschaltet, bat in der Sitzung um größere Waffen: Kampfflugzeuge, auch 200 Panzer. Damit war er bisher schon auf taube Ohren gestoßen. „Ich bitte darum, Ihre Einschätzung zu ändern und an die Sicherheit in Europa und in der Welt zu denken“, appellierte Selenskyj nach Angaben aus Kiew an die Regierungschefs. Die Zusagen, mit denen sie anreisten, fielen eine Nummer kleiner aus. Premierminister Johnson stellte weitere 6000 „defensive Raketen“ in Aussicht. Scholz konnte 2000 Panzerfäuste zusagen, welche die Bundeswehr überraschend in ihren Beständen gefunden hatte. Die Arsenale seien „leer“, hatte Verteidigungsministerin Christine Lambrecht erst am Montag erklärt. Auch Strela-Flugabwehrraketen aus DDR-Zeiten sind noch da und angeblich schon auf dem Weg. Für den Fall eines Angriffs mit Chemiewaffen bekommt die Ukraine zudem von mehreren Verbündeten ABC-Schutzausrüstung sowie Medikamente zur Behandlung geliefert.


Die Energie der NATO richtet sich vor allem auf den Schutz ihrer eigenen Mitglieder. Das hat mehrere Dimensionen. Kurzfristig hat das Bündnis die Zahl seiner Soldaten in den verstärkten Bataillonen im Nordosten, den sogenannten Battlegroups, verdoppelt. Außerdem wurden 130 Abfangjäger in höchste Alarmbereitschaft versetzt, was es der NATO nun ermöglicht, ständige Patrouillen im gesamten Luftraum an der östlichen Flanke zu fliegen. Auf See sind derzeit 140 Schiffe im Einsatz, darunter vier Flugzeugträgergruppen – was es so noch nie gegeben hat.
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