Nachrichten

#Der unterschätzte Diktator

Der unterschätzte Diktator

Anders als sein Vater hatte Kim Jong-un nur wenig Zeit, in die Rolle des Obersten Führers hineinzuwachsen. Als der nordkoreanische Diktator Kim Jong-il am 17. Dezember 2011 an einem Herzinfarkt starb, war sein dritter Sohn und „Großer Nachfolger“ erst 27 Jahre alt. Er war in der Schweiz zur Schule gegangen und erst ein Jahr vor dem Tod seines Vaters als stellvertretender Vorsitzender der Zentralen Militärkommission in die Führung aufgerückt. Würde es dem jungen Diktatorenspross trotz mangelnder Erfahrung gelingen, seine Macht zu festigen?

Friederike Böge

Politische Korrespondentin für China, Nordkorea und die Mongolei.

Sein älterer Halbbruder glaubte das nicht. Kim Jong-un werde nur nominell der Führer sein, die Macht würden andere in Händen halten, sagte Kim Jong-nam damals in einem Interview im chinesischen Exil. Er bezeichnete die dynastische Erbfolge in dritter Generation als „Witz“ und prognostizierte, dass das Regime seines Halbbruders bald zusammenbrechen werde. Ein folgenschwerer Irrtum: Fünf Jahre später wurde Kim Jong-nam am Flughafen von Kuala Lumpur von Pjöngjangs Schergen ermordet. Vorher hatte sich der neue Machthaber schon seines Onkels Jang Song-thaek entledigt. Er ließ ihn 2013 zu „menschlichem Abschaum“ erklären und hinrichten. Mit skrupellosen Säuberungen dieser Art zementierte Kim Jong-un seine Macht und schuf Platz für eine neue Generation von Loyalisten.

Der volksnahe Diktator

Anfangs bezog er seine Legitimität noch aus einer Imitation seines Großvaters Kim Il-sung, dem früheren Widerstandskämpfer und Staatsgründer. Er kopierte dessen Haarschnitt, Kleidung, Gesten und half offenbar mit einer Gesichtsoperation nach. Doch schon bald entwickelte Kim Jong-un sein eigenes Profil. Statt gottgleich wie sein Vater gab er sich volksnah und beinahe fehlbar. Unter Tränen entschuldigte er sich im Oktober 2020, dass er die Lebensbedingungen der Bevölkerung nicht habe verbessern können. Auch institutionalisierte er seine Macht, indem er die unter seinem Vater vernachlässigte Arbeiterpartei stärkte. Zugleich trieb Kim wirtschaftliche Reformen voran.

Er erlaubte den Bauern, einen Teil ihrer Erträge frei zu verkaufen, und ließ es zu, dass im ganzen Land private Märkte, sogenannte Jangmadang florierten, auf denen Frauen Importwaren aus China oder Dienstleistungen verkauften. In den Staatsbetrieben schuf Kim Anreize für das Management, die Produktion zu steigern. Er förderte die Konsumkultur, um die nordkoreanischen Eliten bei Laune zu halten. Die Zahl der Mobiltelefone stieg sprunghaft an, auch wenn man mit ihnen nicht ins Ausland telefonieren und nicht im weltweiten Internet surfen kann. Der in der Schweiz aufgewachsene Kim war sichtlich bemüht, seinem Regime ein modernes Antlitz zu geben. Er ließ sich vor französischen Kosmetika und Disney-Figuren fotografieren und trat mit seiner Frau Ri Sol-ju in der Öffentlichkeit auf.

Scharfe Sanktionen für das nordkoreanische Atomprogramm

Das mächtige Militär stellte er zufrieden, indem er mit hoher Geschwindigkeit das Atom- und Raketenprogramm weiter ausbaute. 2017 erklärte Kim Jong-un sein Land offiziell zur Atommacht. Der Preis dafür waren scharfe internationale Sanktionen, die Nordkoreas Spielraum für wirtschaftliche Entwicklung massiv einschränkten. Der Konflikt mit den Vereinigten Staaten schaukelte sich so weit hoch, dass manche Experten die Welt 2017 am Rande eines Krieges sahen.

F+Newsletter – das Beste der Woche auf FAZ.NET

Samstags um 9.00 Uhr

ANMELDEN


Aus dieser Zwangslage versuchte Kim Jong-un sich zu befreien, indem er die ausgestreckte Hand von Südkoreas Präsident Moon Jae-in ergriff. Er schickte seine Schwester Kim Yo-jong zu den Olympischen Winterspielen nach Pyeongchang und traf sich zwei Monate später mit Moon zum ersten innerkoreanischen Gipfel seit 2007. Präsident Donald Trump sah seine Chance auf einen Friedensnobelpreis gekommen und verschaffte Kim Jong-un eine Premiere: das erste Treffen eines nordkoreanischen Führers mit einem amerikanischen Präsidenten.

Beziehungen zum wichtigen Partner China gestärkt

Weder in Singapur noch in Hanoi oder beim Treffen in Panmunjom konnten beide Seiten ihre weit auseinanderliegenden Positionen in Einklang bringen. Kim Jong-un wollte den Status eines Atomstaates nicht aufgeben, weil er ihn als Lebensversicherung für sein Regime betrachtet. Trump schlug 2019 sein Angebot aus, Teile des Atomgeländes in Yongbyon gegen eine Aufhebung eines erheblichen Teils der Sanktionen aufzugeben. Seither hat es keine signifikanten Gespräche zwischen Washington und Pjöngjang mehr gegeben. Die Beziehungen zu China entwickelten sich dagegen zuletzt im Sinne Kim Jong-uns. Im Gegensatz dazu gelang es Kim Jong-un, die belasteten Beziehungen zur Schutzmacht China zu kitten. Innerhalb eines Jahres traf er Xi Jinping viermal. Den südkoreanischen Präsidenten Moon traf er fünfmal, ließ ihn aber letztlich im Regen stehen.

Dann kam die Corona-Pandemie und führte das ohnehin abgeschottete Land noch tiefer in die Isolation. Kim Jong-un ließ die Grenzen schließen. Die meisten Diplomaten und Mitarbeiter von Hilfsorganisationen verließen das Land. Der formelle Handel und der Schmuggel über die chinesische Grenze kam zwischenzeitlich fast vollständig zum Erliegen – mit verheerenden Auswirkungen auf die Versorgungslage. Je mehr die wirtschaftliche Lage sich verdüstert, desto mehr zieht Kim Jong-un die Zügel wieder an.

In der Außenpolitik dominiert der Sicherheitsapparat. Im Innern wird der Raum für private Händler wieder knapper. Mit einem neuen „Gesetz gegen reaktionäre Ideologie und Kultur“ und ideologischen Kampagnen geht das Regime hart gegen kulturelle Einflüsse aus Südkorea vor, die über Filme und Musikvideos ins Land gekommen sind. Südkoreanische Umgangssprache, Haarschnitte und Tanzstile seien „gefährlicher als die bewaffneten Feinde“, raunen die Staatsmedien. In seiner ersten öffentlichen Rede als Oberster Führer hatte Kim Jong-un 2012 versprochen, dass die Nordkoreaner „nie wieder ihren Gürtel enger schnallen müssen“. Fast zehn Jahre später ist klar: dieses Ziel hat er klar verfehlt.

Wenn Ihnen der Artikel gefallen hat, vergessen Sie nicht, ihn mit Ihren Freunden zu teilen. Folgen Sie uns auch in Google News, klicken Sie auf den Stern und wählen Sie uns aus Ihren Favoriten aus.

Wenn Sie an Foren interessiert sind, können Sie Forum.BuradaBiliyorum.Com besuchen.

Wenn Sie weitere Nachrichten lesen möchten, können Sie unsere Nachrichten kategorie besuchen.

Quelle

Ähnliche Artikel

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Schaltfläche "Zurück zum Anfang"
Schließen

Please allow ads on our site

Please consider supporting us by disabling your ad blocker!