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Deutschlands Autokonzerne taumeln durch Weltpolitik

Die Manager deutscher Autokonzerne üben sich derzeit in einer besonders intensiven Form der Pendeldiplomatie. Vor wenigen Tagen sind die Vorstände von Mercedes , BMW , Volkswagen und Co. in Mannschaftsstärke zur Automesse nach Schanghai gereist, um zu demonstrieren, dass sie den chinesischen Markt trotz aller Rückschläge nicht aufgeben. Auf der anderen Seite des Globus, in Washington, laufen Gespräche mit der Trump-Regierung über mehr Investitionen in Amerika. Nachdem VW-Chef Oliver Blume zuletzt in der F.A.Z. von einem „konstruktiven“ Austausch mit US-Behörden gesprochen hatte, bestätigte am Mittwoch auch der Vorstandsvorsitzende von Mercedes, Ola Källenius, dass die Stuttgarter mit den Vereinigten Staaten verhandeln. Es sei zu früh, um Details zu nennen, sagte der Manager. Aber die Stoßrichtung ist klar: Die Deutschen sind bereit, in Amerika mehr zu tun, wenn Trump seine Zollkeule weiter abmildert.

Chinakrise und Protektionismus, ein gebremster Hochlauf der Elektroautos in vielen Märkten, außerdem Sonderkosten für Sparprogramme: Die Probleme kommen im Moment von allen Seiten und verdichten sich für Deutschlands einstige Vorzeigebranche zu dem, was Führungskräfte gerne einen „perfekten Sturm“ nennen. Um etwa 40 Prozent sind die Gewinne von Mercedes und VW im ersten Quartal gesunken, und darin sind Belastungen durch US-Zölle noch gar nicht – oder erst in Nuancen – enthalten.

Die Unsicherheit durch die erratische Handelspolitik Amerikas ist aber schon mit Händen zu greifen. Arno Antlitz, Finanzvorstand des VW-Konzerns, stellte am Mittwoch in einer Telefonkonferenz die ganze Geschäftsplanung für dieses Jahr unter Vorbehalt, weil noch nicht klar ist, wie stark die neuen Importzölle ins Kontor schlagen. Mercedes-Chef Källenius zeigte in bemerkenswerter Offenheit, wie hilflos die Branche in der Krise agiert. „Es ist wirklich unglaublich schwierig vorauszusehen, was da passieren wird“, sagte er in einer knapp gehaltenen Stellungnahme. Man könne „die Zollthematik nicht ausblenden“, fügte er hinzu – und zog dann die vollständige Prognose für das laufende Jahr zurück. Auch der Opel-Mutterkonzern Stellantis, zu dem der amerikanische Hersteller Chrysler gehört, sieht sich nicht mehr zu einem qualifizierten Ausblick in der Lage. Der schwedische Hersteller Volvo, mehrheitlich durch Geely aus China kontrolliert, hatte seine Prognose schon am Dienstag gleich für zwei Jahre ausgesetzt.

Informationen ändern sich minütlich

Amerika erhebt seit April zusätzliche Abgaben von 25 Prozent auf Einfuhren von Autos. Für Autoteile sollen von Mai an Zölle gelten. Am Dienstag hatte Trump zwar in seiner Regierungsmaschine Air Force One mehrere Dekrete unterzeichnet, mit denen er die Folgen abmildern will. Doch die Informationen änderten sich quasi minütlich, heißt es in der Autoindustrie. Und niemand will riskieren, den Wachstumsmarkt Amerika zu verlieren. VW-Chef Blume hat daher schon in Aussicht gestellt, neben der Marke VW, die in Chattanooga, Tennessee produziert, dort künftig auch Audi-Modelle zu fertigen. „Wir haben Amerika einiges anzubieten“, sagte er der F.A.Z.

Für Deutschlands größten Autokonzern VW sind im ersten Quartal viele Sondereffekte zusammengekommen. 600 Millionen Euro hat das Management im Zusammenhang mit der CO2-Regulierung in Europa zurückgestellt. Der Umbau der Software-Sparte Cariad und anderer Konzernteile verursachte Einmalkosten von 400 Millionen Euro, auch Abfindungen und andere Kosten des beschlossenen und zum Teil schon umgesetzten Stellenabbaus in Deutschland hinterließen Spuren in der Bilanz. Gleichzeitig schlugen erste Schockwellen der Zölle mit etwa 100 Millionen Euro ins Kontor, weil VW den Buchwert von Fahrzeugen korrigiert hat, die auf Güterzügen oder in amerikanischen Häfen auf dem Weg zu den Händlern waren.

Druck auf die Vorstände steigt

Der operative Gewinn sank auf 2,9 Milliarden Euro nach 4,6 Milliarden Euro in der Vorjahreszeit, die operative Umsatzrendite gab von 6 auf 3,7 Prozent nach. Auch die Gewinne aus den Gemeinschaftsunternehmen in China, die gesondert bilanziert werden, sanken wegen des dortigen Absatzrückgangs deutlich. Finanzchef Antlitz sprach von einem „gemischten Start ins Geschäftsjahr“ und einem Ergebnis, mit dem der Konzern nicht zufrieden sein könne. Im Gesamtjahr werde VW wohl eher das untere Ende der angepeilten Gewinnspanne von 5,5 bis 6,5 Prozent erreichen, sagte er – wenn denn die Zölle nicht alles Makulatur werden lassen.

Die zurückgehenden Verkäufe in Europa und China und vor allem der zunehmende Preisdruck in der Volksrepublik erhöhen auch bei Mercedes den Druck auf Vorstandschef Källenius. Nicht zuletzt, weil der baden-württembergische Autohersteller im chinesischen Markt mit Preissenkungen auf den Wettbewerb reagieren musste, ging der Gewinn im ersten Quartal 2025 stark zurück. Das operative Ergebnis (Ebit) rutschte auf 2,3 (Vorjahr: 3,9) Milliarden Euro ab. Das im vergangenen Jahr auf den Weg gebrachte Sparprogramm „Next Level Performance“ hat die Einschläge nach Angaben von Finanzchef Harald Wilhelm zwar „begrenzen, aber nicht vollkommen ausgleichen“ können. Der Umsatz sank um 7,4 Prozent auf 33,2 Milliarden Euro.

Zölle noch nicht mit eingerechnet

Was die beiden Vorstände in einer Telefonkonferenz vor Journalisten am Mittwoch sichtlich wortkarg machte, war die Aussicht, dass sich die Situation für den Autohersteller in den kommenden Wochen noch dramatisch verschlechtern könnte. Denn auf die Zahlen für die ersten drei Monate haben die von US-Präsident Donald Trump forcierten Handelszölle „noch wenig Einfluss genommen“, wie Wilhelm erläutert.

Klar ist aber eines: Sollten die Zölle bis Jahresende in Kraft bleiben, könne das Mercedes etwa drei Prozentpunkte der Rendite kosten, die ursprünglich im Korridor von sechs bis acht Prozent avisiert worden war. „Und das sind nur die direkten Auswirkungen“, sagte Wilhelm. „Die indirekten Auswirkungen lassen sich nicht beziffern.“ Weitergehende Folgen für die Nachfrage in den Märkten, für das Kundenverhalten und für die makroökonomische Entwicklung in Richtung Rezession können man noch nicht abschätzen. Das sei auch der Grund, warum Mercedes die Prognose nun zurückziehe.

Um die negativen Auswirkungen der US-Zollpolitik gering zu halten, verhandelt der Hersteller mit den Vereinigten Staaten. „Wir sprechen mit Vertretern der Verwaltung von Donald Trump, die Gespräche sind in einer konstruktiven Atmosphäre“, sagte Källenius am Mittwoch mit Blick auf einen Ausbau der Autofabrik in Tuscaloosa im US-Bundesstaat Alabama und des Lieferwagen-Werks in Charleston im US-Bundesstaat South Carolina. „Da geht es nicht nur um einzelne Fahrzeugmodell, sondern wir schauen uns auch Komponenten, den Antriebsstrang und weitere Dinge an“, erläuterte der Mercedes-Chef weiter. „Wir sind in den USA zudem nicht nur ein großer Hersteller, sondern auch ein großer Exporteur aus den USA heraus. Unsere Produkte gehen von dort in 150 Ländern. Das zu berücksichtigen kann im Interesse Trumps sein.“

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