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#Die Geschichte der Putzfrau

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„Die Geschichte der Putzfrau“

Im Winter 2009 fuhr die französische Journalistin Florence Aubenas von Paris nach Caen. Dort mietete sie ein Zimmer und meldete sich als Arbeitssuchende. Aubenas wollte die Wirtschaftskrise in Frankreich aus der Perspektive des Prekariats kennenlernen. Sechs Monate blieb sie in Caen, dann packte sie ihre Sachen, zog zurück in die Hauptstadt und schrieb über ihre Erlebnisse ein Buch.

In den sechs Monaten ihrer Recherche hatte Aubenas vor allem als Reinigungskraft auf Stundenbasis gearbeitet. Eine Frau, die sie bei einem ihrer Jobs traf, vermittelte ihr einen Platz in der Putzkolonne, die allabendlich die Kabinen auf der Kanalfähre zwischen Ouistreham und Portsmouth säubert. Jeder, der in Caen aus dem normalen Arbeitsleben he­raus­fal­le, lande irgendwann in Ouistreham, heißt es in Aubenas’ Bericht, den sie folgerichtig „Le Quai de Ouistreham“ nannte. Der Satz fällt auch in dem Film, den Emmanuel Carrère nach dem Buch von Aubenas gedreht hat. Zwischen seinem Erscheinen und der Verfilmung sind zehn Jahre vergangen, und man fragt sich, warum.

Der Film verkürzt den Titel zu „Ouistreham“ und die Handlung auf hundert Minuten. Am Anfang sieht man eine Frau im Morgengrauen zwischen Plattenbauten zum Arbeitsamt laufen, wo sie sich über ei­nen verloren gegangenen Antrag be­schwert. Es ist nicht Marianne Winck­ler, wie die Reporterin hier heißt, sondern Christèle, jene Kollegin, die ihr den Job auf der Fähre verschaffen wird. Auf den Schultern ihrer Darstellerin Hélène Lambert und den anderen Laiendarstellern, die Carrère für seinen Film engagiert hat, ruht die Last, das „echte Leben“ zu verkörpern, das der deutsche Verleihtitel dem Zuschauer verspricht.

Denn Marianne Winckler wird von Ju­liette Binoche gespielt. Dass Binoche bei den Dreharbeiten auftrat, als wäre sie kein Star, hat das gesamte Filmteam bestätigt, und auch vor der Kamera sieht man nichts davon. Aber man weiß es. Das Gesicht, mit dem Juliette Binoche Müdigkeit, Neugier, Trotz, Freude oder Trauer ausdrückt, hat man einfach zu oft im Kino gesehen, um seine Vorgeschichte vergessen zu können. Binoche ist großartig, sie hat den Kinderblick, mit dem sie uns in „Die unerträgliche Leichtigkeit des Seins“ durch das Prag von Milan Kundera führte, nicht verlernt. Doch sie bleibt ein Star. Das spricht nicht gegen „Ouistreham“, aber es markiert eine Grenze, über die der Film nicht hinauskommt und womöglich auch nicht hinauswill.

Den Regisseur Carrère hat Florence Au­benas ausgewählt, vielleicht, weil er ei­gent­lich Schriftsteller ist. 2005 hat Carrère mit „La Moustache“ eins seiner ei­genen Bü­cher verfilmt, „Ouistreham“ ist erst seine zweite Spielfilmregie. Davor und danach entstand ein Dutzend weitere Ro­ma­ne, einige davon mit autobiographischem Einschlag; Carrères jüngstes Buch „Yoga“ wurde von seiner Ex-Ehefrau per Gerichtsbeschluss zensiert. Die Wahrheit, hat Em­ma­nuel Carrère in Interviews er­klärt, sei das wichtigste Kriterium für gute Literatur. Für „Ouistreham“, scheint es, gab es nach diesem Satz keinen besseren Regisseur. Nur dass er es nicht ist.

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