Stellen Sie sich vor, Sie stehen auf einem Tennisplatz und verfolgen den Flug des Balls. Ihre Augen sind immer auf Ballhöhe. Wie kann das sein? Müsste Ihr Blick dem schnellen Ball nicht hinterherhinken?  Philipp Sterzer erklärt: Unser Gehirn trifft eine Vorhersage darüber, wo sich der Ball im nächsten Sekundenbruchteil befinden wird und ist damit der Wirklichkeit immer etwas voraus. Das macht es in vielen Situationen – und irrt sich dabei auch manchmal. Der Psychiatrie-Professor belegt mit spannenden Beispielen, wie wenig verlässlich unsere Wahrnehmung ist.

Anhand der Schizophrenie zeigt er, wie schwer sich „normale“ und „verrückte“ Überzeugungen unterscheiden lassen. Denn das Gehirn baut die „Wirklichkeit“ aus mehrdeutigen Informationen der Sinnesorgane zusammen. Das Ziel ist dabei nicht die möglichst exakte Darstellung der Realität, sondern die Vereinfachung der Welt, um gut darin zurechtzukommen. Bei einer Schizophrenie werden bereits schwache Sinneseindrücke als bedeutsam gewertet und zuvor getroffene Vorhersagen verworfen. Die Betroffenen nehmen die Welt manchmal realistischer wahr als andere Menschen, sind aber dauerhaft verunsichert. Der Wahn ist eine Möglichkeit, Ordnung in ihrem inneren Chaos zu schaffen. Eine spannende Theorie. Sterzer gelingt ein wertschätzender Blick auf die Erkrankung Schizophrenie. Sein Buch regt die Leser dazu an, ihre eigenen Denkmuster zu hinterfragen. Malena Jacob

Philipp Sterzer
DIE ILLUSION DER VERNUNFT
Ullstein, 320 S., € 23,99
ISBN 978–3–550–20132–5

© wissenschaft.de – Malena Jacob