#Linke Soldaten verstehen die deutschen Genossen nicht
Inhaltsverzeichnis
Lastiwka und Jan sind ukrainische Soldaten. Glaubt man Wladimir Putin, sind sie Nazis im Dienst des amerikanischen Imperialismus. Glaubt man manchen Vordenkern der deutschen Linken, sind Waffenlieferungen an sie Kriegstreiberei. Glaubt man aber ihnen und ihren Freunden, sind sie Kämpfer in einem Volkskrieg gegen imperialistischen Völkermord. Das sind Worte aus dem Vokabular der globalen Linken, und Lastiwka und Jan verwenden sie nicht zufällig. Denn sie sind beides zugleich: Soldaten der Ukraine und linke Aktivisten.
„Lastiwka“ heißt „Schwalbe“. Die junge Frau, die sich diesen Kampfnamen ausgesucht hat – dreißig Jahre alt, lustiges Gesicht und als Armaufnäher eine Granate im Comicstil –, verwendet ihn, um sich und die ihren zu schützen. Jan sind solche Sorgen egal. Er ist 32, heißt wirklich Jan, und während Lastiwka sich nur mit Maske fotografieren lassen will, zeigt er sein Gesicht.
Jetzt erzählen sie, was es heißt, ukrainischer Soldat im Krieg zu sein und zugleich Linksanarchist. Alles begann vor neun Jahren, als die Ukrainer und Ukrainerinnen in der Revolution des Euromajdan den autoritären Präsidenten Viktor Janukowitsch verjagten, eine Marionette Putins. Gleich danach annektierte Russland die Krim und besetzte das Industriegebiet Donbass im Osten des Landes. Lastiwka und Jan waren da Anfang zwanzig, und seither sind sie immer aktiv gewesen. Mit ein paar Freunden besetzten sie einen verfallenen Altbau in der Metropole Charkiw. Die Behörden ließen sie in Ruhe, denn die linke Szene in der Ukraine ist klein, und der Staat hatte wichtigere Sorgen.
Ein alter VW-Bus als Gefechtsstand: Die Türen sind immer offen. So kommt man schneller raus, wenn die Granaten kommen.
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Bild: Daniel Pilar
Lastiwka, Jan und ihre Freunde benutzten das besetzte Haus zuerst als Unterkunft für Flüchtlinge aus dem Osten, dann entdeckten sie immer neue Themen. Sie setzten sich für Ökologie und Tierrechte ein, hielten Tauschmärkte ab, verteidigten Parks gegen Baulöwen und kämpften gegen Gentrifizierung. Wenn Rechtsextremisten Roma angriffen, organisierten sie Demonstrationen.
Lastiwka und Jan hatten einen Namen in der Szene. Sie schrieb einen feministischen Blog, sie gab Zeichenunterricht an einem antiautoritären Schulprojekt, und weil der antiimperialistische Befreiungskrieg gegen Russland immer noch im Gang war, ging sie auch einmal zu einem Kampfworkshop der „Solidaritätskollektive“ – eines Netzwerks zur Unterstützung anarchistischer Soldaten an der Front.
Vor dem Mittag am Kontrollpunkt Null
Jan wurde durch eine Aktion „unter falscher Flagge“ berühmt. Im komödiantischen Gestus des homophoben Rechtsextremisten beklagte er sich im Lokalfernsehen darüber, dass Schwule sich herausnähmen, mit Männern Sex zu haben, während er selbst sich dieses Vergnügen zum Wohl der Nation versagen müsse. Unfair sei das und eine Schweinerei. Rechte Hooligans wollten als Rache seine Wohnung angreifen, beschädigten aber aus Versehen nicht seine Tür, sondern die eines Nachbarn.
Der Krieg begann für Lastiwka und Jan am 24. Februar 2022 in aller Frühe. Charkiw liegt ganz nah an der russischen Grenze, und so wachte Lastiwka noch vor dem Morgengrauen von den Bomben auf. Sie floh in den Keller und checkte die Websites der linken Szene. In einem Aufruf hieß es „Drohnenpiloten gesucht“, und weil Jan und sie früher mal mit einer privaten Drohne Landschaftsfilme gedreht haben, waren sie noch vor dem Mittag am „Kontrollpunkt Null“ vor der Stadt. Also dort, wo der Krieg gerade mit voller Wucht losbrach. Uniformen hatten sie damals noch nicht, und statt Helmen trugen sie Pudelmützen. Aber ihre Drohne flog noch am selben Tag über die Linien, und kurz darauf meldeten sie sich dann auch formell zur Armee. Später bekamen sie Schutzwesten. Die von Jan stammte von einem Toten.
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