Die Kirchen und die Politik – Gesundheits-Check

Wie politisch die Kirchen sein sollen, oder sein dürfen, ist ein Evergreen mit vielen Facetten: Der Kirchenstaat ist ein Hybrid aus Völkerrechtssubjekt und Gottesgnadentum, in Deutschland gibt es anders als im Iran keine Staatsreligion, Deutschland versteht sich als säkulare Demokratie, das „Zentrum“ als Partei des politischen Katholizismus ist mit der Weimarer Republik untergegangen, der Kaiser als Oberhaupt der Evangelischen Kirche Preußens schon ein paar Jahre vorher, aber die Kirchen haben nach wie vor eine enorme politische Macht, mit eigenem Arbeitsrecht und vielen Einrichtungen im Erziehungs- und Gesundheitswesen, sie ziehen in Deutschland sogar eigene Steuern ein, den politischen Islam sieht man allerdings überwiegend kritisch, der Blick auf das Judentum ist neuerdings von manchmal verschlungenen Abgrenzungen zur Politik Israels geprägt und das „C“ im Parteinamen von CDU und CSU gibt vielen Menschen eher Rätsel auf als dass es eine Richtung anzeigt.
Keine ganz klare Gefechtslage also. Seit langem. Insofern werden beim Evangelischen Kirchentag zur Frage, wie politisch die Kirchen sein sollen, auch keine neuen Antworten zu erwarten sein. Das Thema kam auf die Agenda, weil Unionspolitiker, also die mit dem „C“, vor kurzem die Kirchen daran erinnert haben, dass diese doch bitte die Politik der C-Parteien nicht mit eigenen moralischen Einlassungen stören sollen, schließlich sichere man die Kirchenfinanzen. Ob damit die ewige Nichtablösung der Staatsleistungen für die verlorenen Vermögenswerte im Zuge der Säkularisation vor 200 Jahren gemeint war, z.B. dass hierzulande der Staat die Bischöfe bezahlt und dafür nicht etwa die Kirchensteuern herangezogen werden, oder anderes, mögen Sachverständige für das Winken mit Zaunpfählen kommentieren.
Beim Evangelischen Kirchentag plädiert jedenfalls die neue Bundestagspräsidentin Julia Klöckner erneut dafür, die Kirchen sollten sich auf „Sinnfragen“ konzentrieren und politisch zurückhalten. Beten und Singen, möge der Weihnachtsbaum als Inbegriff der deutschen Leitkultur gepflegt werden. Kirche als frömmelnder Gesangs- und Trachtenverein? Trump führt dieses Kirchenverständnis bildmächtig vor.
Natürlich sollen die Kirchen parteipolitisch zurückhaltend sein. Niemand will, dass der Pfarrer wieder wie früher am Sonntag vor der Wahl predigt, was man wählen soll, niemand will die Wiederkehr des Bündnisses von Thron und Altar, oder gar Propagandisten des politisch angeordneten Todes wie den orthodoxen Patriarchen Kyrill. Deutsche Geistliche sollen keine Waffen mehr segnen. Sie sollen auch nicht Steuerreformkonzepte entwickeln oder zu Wärmepumpen Stellung nehmen. Aber sie sollen sich z.B. trauen, wie der gerade verstorbene Papst, politische Alltagsprobleme anzusprechen, von der Umweltzerstörung bis dahin, dass „diese Wirtschaft tötet“.
Politik ist die Sorge der Menschen um ihre gemeinsame Zukunft. Damit verbunden ist auch jede Form von „Sinn“, wenn man diesen nicht in eine spirituelle Jenseitigkeit abschieben will. Sinn, Lebensorientierung, Miteinander: Das gibt es nur im Diesseits, im sachlichen und moralischen Aushandeln, wie wir leben wollen. Daran müssen sich auch die Kirchen beteiligen.
Wenn Ihnen der Artikel gefallen hat, vergessen Sie nicht, ihn mit Ihren Freunden zu teilen. Folgen Sie uns auch in Google News, klicken Sie auf den Stern und wählen Sie uns aus Ihren Favoriten aus.
Wenn Sie weitere Nachrichten lesen möchten, können Sie unsere Wissenschaft kategorie besuchen.